Wo findet man stilvoll gekleidete Menschen?

Stilvoll gekleidete Menschen, also genauer gesagt Menschen die nach "unserer" Definition sich stilvoll kleiden, sind schlicht weg nicht mehr zeitgemäß.
Viel zu pessimistisch. Ich würde eher sagen, dass es von den besagten Menschen, "die sich nach unserer Definition stilvoll kleiden", noch nie so viele gab wie heute, was einfach eine Folge aus Wohlstand und gegenseitiger Vernetzung der Interessierten ist. Als der Anzug quasi noch ein erzwungener kleinster gemeinsamer Nenner war, beschränkte sich der Anteil derer, die mit diesem Genre aktiv gespielt haben und nicht nur überwiegend desinteressiert mit dem bisschen mitliefen, was sie sich leisten konnten, zwangsweise auf die oberen 10.000 in den wenigen entwickelten Ländern.

Wir verklären die Vergangenheit nur, weil wir sie auf die überlieferten Bilder der High Society beschränken, wo ein Laurence Olivier oder Cary Grant natürlich auch im Detail sehr ordentliche Anzüge trug. Es gab insgesamt viel mehr (überwiegend konformistische) Anzugträger als heute, aber davon würden in der Breite nur sehr wenige Gnade vor unseren Augen finden, weniger auf die technische Qualität bezogen, aber stilistisch, passformbedingt als auch vom allgemeinen Erhaltungszustand her (geflickt, abgetragen bei den Nicht-Sonntagsanzügen).
 
Die Frage bei stilvoller Bekleidung ist auch die Frage des „gedanklichen Radius“ den man dabei anwenden will oder kann.
Wenn ich nur von Anzug oder Kombination ausgehe wird sicherlich die Luft dünn sein.
Sollte jemand so frech sein und (wie ich) die Welt auch erweitern auf Jeans, Chinos, auch mal Leben ohne Jacket, dann wird es etwas besser.
Es gibt Herren (und Damen), die sich mit guten Jeans, Hemd, Pullover, Jacke und rahmengenähten Lederschuhen anzuziehen verstehen.
Ich definiere es ja eben nicht nur „klassisch-europäisch-old-school“.
Meine Definition ist:
- Zieht jemand die Schnitte an, die ihm stehen?
- Zieht jemand die Farben an, die ihm stehen?
- Passt er das auf einander ab?
- Passt er die Stoffstrukturen auf einander ab?
- Hat er sich überlegt, ob der Gürtel zu den Schuhen passt?
- etc.
Und ich persönlich habe die letzten Jahre den Eindruck, es gibt wieder mehr junge Menschen, die darauf achten.

In der Freizeit Anzug oder Kombination ist halt nun mal zumindest außerhalb eines Liebhaberkreises aktuell „out“.
Was die Zukunft bringen mag wissen wir alle nicht.
 
Wenn es nur um die Kleidung geht, gut. Dann gab es vielleicht noch nie so viele wie heute.
Wenn es aber um den Stil geht, angelehnt an Art, Sitte und Auftreten der ersten Hälfte des letzten Jahrunderts. Dann wird die Luft wohl eng.
Wenn man den Gentleman nach seinem Leben, nicht nur nach seinem Stil sich zu kleiden, definiert.... So wird es...zumindest befürchte ich es...sehr knapp in der heutigen Gesellschaft.
Nach dem Motto *schön das sie es gibt. Toll anzuschauen. Aber in meinem Leben nicjt wirklich umsetzbar*

Diese Etikette der feinen klassischen Herrenkleidung wird also von einer Gruppe am Leben gehalten die sich schon längst nicht mehr nur mit Dachhaar durchs Gesicht fährt, die sich nicht mehr vom Schneider auf den Leib schneidern lassen.

Feine klassische Herrenmode ist heute mehr als Hobby zu sehen.
Ich finde das gut. Ich mag es Menschen zu sehen die sich klassisch kleiden.
Aber Menschen die das volle Programm fahren sind wohl eher rar.

Es gibt allerdings heute einfach andere Weisen sich stilvoll und korrekt zu kleiden. Unter dem Deckschild der alten Etikette auch mal auf Krawatte verzichten. Jemanden Stil abzusagen nur weil er keine Krawatte trägt, obwohl er vielleicht handgemachte Schuhe aus England, einen passenden Anzug aus Deutschland und einen Strickrolli aus Italien trägt ist schon schräg.
Und noch etwas Pfeffer: auch hier wird jemand der eine in liebevoller Handarbeit gefertigte Holzkrawatte trägt mit mehr Spott überzogen als der 2€ Microfaser Binder Träger mit 29€ Plastikschuhen.

Ich glaube heute sollte man Stil mit der Einstellung zu Kleidung und Qualität definieren. Nicht über Hut mit zweifarbigen Schuhen :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Zum guten Stil gehört aber noch weitaus mehr als ordentliche Kleidung.
Aber das würde hier zu weit führen.
Es fängt beim Charakter an und geht zum Beispiel weiter über den respektvollen Umgang mit Menschen aber auch mit Umweltressourcen .... usw, usw.
 
Zum guten Stil gehört aber noch weitaus mehr als ordentliche Kleidung.

Im Titel steht aber "stilvoll gekleidete Menschen" und nicht "Menschen mit gutem Stil". Das zweite Thema würde in der Tat in einem nicht enden wollenden Diskurs aus Ansichten enden, was alles dazu gehört und was nicht.

Schwieriges Thema. Für mich sind Menschen "stilvoll gekleidet", die:

1. einer durchgängigen Linie folgen und sich dabei nicht von Moden beeinflussen lassen,
2. in der Wahl ihrer Kleidung Respekt vor der Gesellschaft erkennen lassen und
3. aufgrund der häufigen Beschäftigung und regelmäßigen Abwägung des Themas Kleidung einen sicheren Geschmack für Qualität und die feinen Abstufungen der Ästhetik entwickeln und sich dabei nicht von Designern reinreden lassen.

Wer jedes Jahr den neuesten Trend aus dem Kaufhaus zusammen kauft (ob es ihm steht oder nicht), ist zwar stets topmodern gekleidet, aber erfüllt Punkt 1 nicht.
Wer konsequent in zerrissenen Jeans zum ärmellosen Muscle Shirt auftritt, zeigt zwar ebenfalls eine Art von Stiltreue, weil er es ja unabhängig von den Konventionen ausnahmslos durchzieht, erfüllt aber Punkt 2 nicht, da seine Message an die Gesellschaft ein ausgestreckter Mittelfinger ist.
Wer ohne jedes Nachdenken fertig zusammengestellte Kollektionen von großen Herstellern kauft (vor meinem geistigen Auge erscheint die grüne Barbour Jacke, die den 90ern leider eine Art Herzeigestatement der prollig wohlstandsverwöhnten Gymnasialjugend geworden ist), sieht zwar ästhetisch gekleidet aus, erfüllt aber Punkt 3 nicht, da er schlicht keine Ahnung hat und nur Vorbildern nacheifert.

Das "stilvolle Gekleidetsein" hat deshalb viel gemeinsam mit dem Verständnis für Kunst, Musik und Wein. Es gibt nicht die richtige Meinung zum Thema, sondern nur die eigene als eine von vielen, die sich aber daran messen lassen muss, ob sie konsistent ist, selbst entwickelt wurde und einen hohen Anspruch an die kleinen Feinheiten des Geschmacks stellt. Das Gegenteil ist, einfach nur Experten nachzuplappern, Parker-Punkte vorzubeten oder das Simple und Laute dem Feinsinnigen und Tiefgründigen vorzuziehen.

Diese Menschen findet man heutzutage durchaus noch, jedoch haben sie oft keine Lust oder keine Zeit, diesen Feinsinn auch an ihre tägliche Garderobe anzulegen, da diese berufs- oder konventionsbedingt auch praktischen Ansprüchen genügen muss. Wer weiss denn schon, ob sich hinter dem uniformierten Polizeikommissar, dem einheitsgekleideten Chefarzt, dem robust gekleideten Klavierbauer oder dem Kurzarm-Flugkapitän nicht eine Stilkanone erster Klasse verbirgt, die ihren Geschmack aber nur zu besonderen Anlässen ausleben kann?
 
Oh. Bitte nicht falsch verstehen.
Ich meinte schlicht die Bewertung des Kleidungs-Stil sollte nicht daran gemessen werden möglichst genau die Mode zu kopieren die die der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts modern war.
Sondern viel mehr an Qualität, Passform und Produktionsmerkmale.

Ich schrieb ja weiter oben ganz klar das ein Gentleman eben nicht nur aus Kleidung besteht, und Originale heute nicht mehr so verbreitet sind wie es der Anblick auf klassische Mode vermuten lässt.
 
Schwieriges Thema. Für mich sind Menschen "stilvoll gekleidet", die:

1. einer durchgängigen Linie folgen und sich dabei nicht von Moden beeinflussen lassen,
2. in der Wahl ihrer Kleidung Respekt vor der Gesellschaft erkennen lassen und
3. aufgrund der häufigen Beschäftigung und regelmäßigen Abwägung des Themas Kleidung einen sicheren Geschmack für Qualität und die feinen Abstufungen der Ästhetik entwickeln und sich dabei nicht von Designern reinreden lassen.
Also dle
1. nur Stur geradeaus schauen ohne Veränderung
2. immer anpassungsfähig bleiben
3. gertigen Stil überziehen lassen

Auch wenn ich da grundsätzlich bei dir bin. Uns sollte klar sein, dass wir nach diesen Angaben wohl immer noch in irgendwelchen altertümlichen Gewänder herumlaufen müssten. Es ist ja nun nicht so das der Anzug schon immer da war :D
Genauso wenig ist es so das er für immer bleiben wird.
Da können wir vom Stilmagazin wohl auch nichts daran ändern :D
 
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