Mir als Gastgeber ist das wichtigste, dass sich meine Gäste wohlfühlen.
Wie oft warst Du denn schon Hochzeitsgast? Und weshalb unterstellst Du, dass sich Hochzeitsgäste vor allem dann wohl fühlen, wenn sie direkt wie aus dem Bett gefallen zur Feier hinlatschen können, um dann "schön ungezwungen" herumzulungern und den Sekt wegzutrinken? Es soll auch Gäste geben, die gerne auf Feste gehen, weil es sich in schöner Kleidung und exzellenter Atmosphäre einfach am besten feiert. Die sich wohlfühlen, wenn alle anderen Gäste in einer geschmackvollen und mühevoll ausgewählten Kleidung kommen.
Übrigens geht es meiner Meinung nach auch darum, dass sich das Brautpaar wohl fühlt. Und das hat etwas mit dem Grad der Ehrerbietung durch die Gäste zu tun.
Es legt einfach nicht jeder Wert auf Anzüge. Hochzeiten sind immer noch private Veranstaltungen. Sinn sich festlich zu kleiden ist ja auch, dem Brautpaar eine Ehre zu erweisen. Ich kenne genug Leute, denen ein Sakko mit weißem Hemd als Ehrerbietung vollkommen reicht.
Ja, das ist möglich. Viele solcher Leute buchen aber fette Autos, Wilvorst-Phantasieanzüge, Bootstouren und Gesangseinlagen. Ganz so unwichtig scheint ihnen also das Drumherum doch nicht zu sein. Vielleicht wissen sie nur nicht, wie gut eine festlich gekleidete Gesellschaft aussehen kann?
Als Gast zeige ich mit meiner Kleidung auch Dankbarkeit für die Aufwendungen des Paares! Ihr gebt Euch Mühe, also gebe ich mir auch Mühe.
Ich passe meine Ratschläge immer dem "Niveau" des Fragenden an und erkläre trotzdem kurz, was das Optimum wäre, aber alles andere finde ich nicht zielführend.
Das ist
eine Taktik. Sie unterstellt, dass Du das Niveau des Fragenden kennst, dass dieser mit einem "kleinen Schritt" besser bedient ist als mit einem "großen Schritt", dass er auch nur einen "kleinen Schritt" machen möchte und dass im Grunde jeder in der Klasse hängen bleiben soll, in der er sich gerade befindet.
Man könnte an die Sache auch anders herangehen: Menschen brauchen klare Maßstäbe. Ein hoher Maßstab ist auch ein Zeichen dafür, dass man jemandem hohe Maßstäbe zutraut und ihnen die Wahrheit zumutet. Ein hoher Maßstab ist ein Zeichen des Respekts. Warum soll ich einem schlecht gekleideten Menschen mittelmäßige Kleidung empfehlen und ihn damit in die Arme der Modeindustrie treiben, obwohl ich ihm gleich hochwertige Kleidung empfehlen kann? Mit welchem Recht stelle ich gegenüber einem schlecht gekleideten Menschen mittelmäßige Kleidung als den richtigen Maßstab dar? Ist das nicht auch ein wenig herablassend?
Also ich würde ja keinen meiner lieben Freunde bei meiner Hochzeit oder einer anderen Feier rausschmeißen, weil mir sein Outfit nicht passt.
Ich auch nicht. Wir haben schon so manches Fest ausgetragen und würden uns über unpassend gekleidete Gäste wundern, da unsere lieben Freunde wissen, welchen Rahmen unsere Feste haben. Normalerweise stellt sich ein homogenes Kleidungsniveau ein. Außerdem habe ich bei Ersteingeladenen festgestellt, dass sie mich normalerweise fragen, wie die anderen Gäste sich kleiden. Und da bin ich dann ehrlich und sage nicht etwa Dinge wie "nicht verbiegen", "Hauptsache, Ihr fühlt euch wohl", sondern gebe klare Hinweise. Alles andere ist doch nicht zielführend.
Aber vielleicht sollte ich ja einfach nochmal meinen Wertekanon justieren...
Gegenfrage: Würdest Du einen Deiner lieben Freunde rauswerfen, weil er sich daneben benimmt? Der sich betrinkt und die Gäste anpöbelt? Der in die Blumen pinkelt? Der sich um 22 Uhr der Musikanlage annimmt und Deinen Musikgeschmack durch seinen ersetzt?
Du würdest so einen Gast zumindest zurecht weisen, da er die Veranstaltung stört. Einen schlecht gekleideten Gast hingegen nimmst Du einfach hin, weil Du eine Zurechtweisung als unangemessen oder herablassend empfindest. Was aber, wenn Du merkst, dass er sich eigentlich besser hätte kleiden können, es aber absichtlich nicht getan hat? Ist Dir das egal oder schimmert da für Dich ein Hauch Respektlosigkeit durch?