Was trinke ich heute....

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Ich bin an sich als Weinliebhaber ein großer Fan von Single Malt Whiskies, die eine Vollreifung in Ex-Sherry-Fässern durchlaufen haben, und von daher ist die immer noch in Familienbesitz befindliche Speyside-Destillerie Glenfarclas eigentlich genau in meinem Beuteschema. Aber sie ist im Gegenteil einer meiner Hassbrennereien. Sie hat sich dem Ex-Sherry-Fass, speziell dem Oloroso-Sherry-Fass verschrieben, leider sparen sie als geizige Schotten genau da, wo es weh tut, am Kunden. Sie verwenden ihre (teuren) Fässer nämlich wesentlich länger und öfter als andere Brennereien und dadurch landen diese Fässer in dem Zustand, den Whiskyfans gerne als ausgelutscht bezeichnen. ;) Da das Fass etwa 70-80% zum Geschmack eines Single Malts beisteuert, ergibt das in ihrer Standardlinie überwiegend ausgedörrte, geschmacksarme, leicht fies schmeckende Malts, die bis vor kurzem aber noch zumindest preisgünstig angeboten wurden. Viele reden sie sich trotzdem schön, weil sie in den Zeiten von Whisky-Hyperinflation über die letzten zehn Jahre für sie noch erschwinglich sind, leider, deswegen kommt Glenfarclas damit durch.

Es gibt davon aber Ausnahmen außerhalb des Standardsortiments. Die Flaggschiffserie von Glenfarclas, von der jedes Jahr zwei Mal etwas veröffentlicht wird, nennt sich Family Casks, ausgewählte Einzelfassabfüllungen in Fassstärke für die Whiskyfreaks. Die sind leider auch erheblich teurer als die Standardpalette, aber dort sieht man tatsächlich in einer größeren Bandbreite, was Glenfarclas tatsächlich kann. Hier habe ich mal ein mittelaltes Family Cask im Anbruch, 16 Jahre gereift in einem zweitverwendeten, immer noch ziemlich aktiven Ex-Oloroso Sherry Butt (ein großes Sherry-Fass mit etwa 500l Fassungsvermögen).

Es ergibt entsprechend einen helleren Sherry-Malt, Aprikose, Rosinen, Gewürznelke, diffuse Kräuter, dann auch ein wenig unreife Pflaume, ein bisschen Bratapfel mit heißer Butter übergossen, Karamell, eine pikante Note, Umami sozusagen, dann auch eingelegte Amarena-Kirsche, er ist nicht hyperintensiv wie viele aufgeladene Sherry-Monster, dafür aber extrem lang mit immer wieder wechselnden Aromen der beschriebenen Palette über Minuten. Hassbrennerei? Okay, Hassliebe. Sie können schon was, heucheln, dass sie das auch billig anbieten können, und bieten es dann tatsächlich teuer an. Ja, er ist schon toll und das ist nur einer der einfachen, jüngeren Family Casks.
 
Gestern Abend zur Vorspeise:
Delheim Pinotage Rose
Einer meiner beliebtesten Roséweine.
Fruchtig, gehaltvoll, angenehme Säure, eignet sich auch bestens als Terrassenwein im Sommer und ist zudem auch noch günstig
Der Spruch auf der Flasche ist Programm "worth the journey". Wer nach Südafrika/ Stellenbosch reist, sollte diesem Weingut auf jeden Fall einen Besuch abstatten. Zumal es in der gleichen Straße liegt wie Muratie.

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Zur Hauptspeise und für den Rest des Abends:
Chateau Malescot St. Exupery
Jahrgang 1994

Ich war darauf vorbereitet, die Flasche wegzuleeren, aber das genaue Gegenteil. Wunderbar weich, ein Gaumenschmeichler, mit wenig aber immer noch spürbaren Tanninen. Der hätte sogar noch einige Jahre liegen können. In der Nase angenehm balanciert. Nicht mehr aufdringlich, aber deutlich wahrnehmbare Frucht. Ganz leichter Anflug von Liebstöckel. In der Farbe ein sehr schönes violett-rot. Am Gaumen noch schön präsente Fruchtaromen und im Abgang mit entsprechender Nachwirkung. Ein unaufdringlicher stilvoller Gentleman im in seiner Erscheinung. Ich habe noch einige jüngere Jahrgänge und (leider nur noch) eine Flasche aus 95. In jedem Fall ein Grund zur Vorfreude.

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Parallel zum Malescot ein Clos de l'Oratoire aus 2014 von Neipperg in Saint Emilion.

Ebenfalls einer meiner bevorzugten Weine, zumal (noch) bezahlbar. Tolle Farbe im Glas, fruchtig und mit auch nach 8 Jahren noch sehr deutlich spürbaren Tanninen. Eine Fruchtbombe . IMG_20230204_221432.jpgDer noch immer junge Wilde neben dem älteren Gentleman.

Man konnte die Unterschiede zwischen den beiden natürlich sehr deutlich erkennen und es gab Liebhaber von beidem. Ich gönne den noch verbliebenen Flaschen noch etwas Zeit, der wird Jahr für Jahr noch besser.

Alles in allem ein sehr schöner Abend mit Eindrücken, die in Erinnerung bleiben werden.
 
Vor 25 Jahren bestanden alkoholfreie Weißbiere noch zum größten Teil aus einem geschmacklichen Loch: "des kaascht it saufa", seither hat sich aber enorm viel getan. Viele alkoholfreie Weizen sind dennoch arg sauer und liegen damit weit daneben. Das Neumarkter aus der Oberpfalz ist dagegen so gut gelungen, daß ich dafür die meisten richtigen Weißbiere stehen lasse: nur leichte Säure, viel Malz und Heu, leicht blumig und bananig, sanftes Bitter im Abgang, sehr rund.
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