Von der Seele des Thriftens

Ich glaube, man muss hier die Begrifflichkeiten mal definieren.
Geiz heisst, sich bewusst Güter vorzuenthalten, die man sich problemlos leisten könnte und übertriebene Selbstbeschränkung auf Kosten des eigenen Wohlbefindens zu betreiben.

Sparsamkeit heisst, mit den vorhandenen Mitteln bestmöglichst auszukommen und kein Geld für Überflüssiges auszugeben. Was überflüssig ist, muss jeder für sich - abhängig von Umfeld, Vorlieben und Möglichkeiten - selbst entscheiden.

Häufig ist es jedoch so, das man sich Dinge zulegt, die man sich eigentlich nicht leisten kann, um damit Erwartungen zu erfüllen oder "etwas zu sein". Davon lebt letzten Endes unser Konsum, weil die Erwartungen, die geweckt werden, niemals erfüllbar sind. Habe ich das neuste Handy, gibt es schon ein besseres Modell.
Wenn nun jemand hunderte von Euro für Kaffee und Wein ausgibt, aber Klamotten nur bei KiK kauft, ist er deswegen geizig? Sparsam mag er auch nicht erscheinen, gibt er doch soviel Geld für Alkohol aus, wo es Merlot doch auch schon für 2,99 gibt. Aus seiner Sicht wird er sicher sparsam sein, trinkt er vielleicht lieber ein Glas guten Weins als eine Flasche schlechten.

Wenn wir uns auf diese Definitionen einigen können, spielt Geld beim Thriften sicherlich eine Rolle. Bestimmt werden viele auf die Jagd gehen, um für wenig Geld gute Kleidung zu bekommen.
Albern finde ich die Leute, die das an Markennamen festmachen. Wer sich 20 Kiton Anzüge für den Preis eines Neuen in den Schrank hängt, muss deswegen nicht gut gekleidet sein.

Meine Motivation kommt der von Butch beschriebenen Situation sehr nahe. Ich lasse mir regelmässig die Anzüge für den Beruf machen, genauso die Hemden. Der Stock besteht aus drei grauen, drei blauen und ( ich weiss ) zwei schwarzen Anzügen, alle Einreiher, jeweils einer mit Weste. Hemden blau und weiss mit Umschlagmanschette und vier Paar schwarze Oxfords. Alle fünf Jahre ist ein Anzug reif für den Austausch. Das betrachte ich als Betriebsausgaben, quasi mein Blaumann. Nett, aber langweilig.
Alles, was ich hier poste, ist in der Regel Freizeitbekleidung. Flanell, PoW, wilde Muster, Spectators, Navy Blazer usw.
Natürlich kann ich mir einen Blazer auch von Burberry für 500 Euro neu kaufen und habe eine lieblos zusammengeschusterte Joppe oder ich kaufe einen, nach langem Suchen, von BurberryS in toller Verarbeitung, Made in England und hochwertigem Tuch für ein Drittel. Dabei geht es mir insoweit ums Geld, als das ich es nicht einsehe, viel Geld für etwas zu bezahlen, das seinen Preis ( meiner Meinung nach ) nicht mehr wert ist. Die Italiener sind sowieso nicht mein Geschmack, von einigen Ausnahmen abgesehen. Bin ich also geizig, weil ich keine 3000 Euro für einen Kiton Anzug ausgebe, der mir sowieso nicht gefällt. Oder bin ich sparsam, weil ich kein Geld für etwas ausgebe, nur damit ich es habe, aber selten anziehen werde?

Wer sich mal Schuhe von Lobb oder Florsheim aus den 60ern ansieht, einen alten Anzug aus der Saville Row oder ein Tweedsakko von Harris, als die noch nicht als Lohnfertiger unterwegs waren, wird verstehen, was ich meine. Die Liebe zum Detail, die hochwertige Verarbeitung und Materialien sind heute in dieser Form nicht mehr erhältlich, selbst wenn ich bereit bin, es zu bezahlen. Aero findet kaum noch Leute, die in der Lage sind, Cordovan richtig zu nähen. Die alten Cutter der Jermyn Street sind in Rente oder tot. Es geht doch schon damit los, einen vernünftigen Schneider oder Schumacher zu finden, der sein Handwerk noch beherrscht. Man versuche nur einmal, in einer normalen Großstadt Leinenservietten zu bekommen.
Der Trend geht zum wegwerfen, es muss leicht zu handeln sein ( ich sage nur "Bügelfrei" ) und billig muss es auch sein.

Natürlich fröne ich auch dem Jagdtrieb, gehe aber mittlerweile sehr selektiv vor, irgendwann sollte man als Mann auch mal alles haben, was man braucht. Das trage ich dann gerne und gründlich, bis es mir vom Leib fällt. Mit Geld hat das nichts zu tun, mit Sparsamkeit und Vergnügen dann schon eher.
 
Mal so am Rande der Thrifterbande:
Auch wenn ich gerne gebraucht kaufe, glaube ich nicht, dass die Qualität früher unbedingt besser war. Ich denke eigentlich schon, dass man für relativ wenig Geld heute Sachen bekommt, die im Durchschnitt nicht schlechter sind als Vergleichbares zu früheren Zeiten. Dass ein 40 Jahre alter Pulli heute noch (in gutem Zustand bzw. überhaupt) existiert, bedeutet ja einfach, dass eben genau dieser Pulli von hervorragender Qualität ist. Nicht, dass das für alle alten Pullis gilt. Die Zeit siebt sozusagen die schlechte Qualität von damals aus, übrig bleibt logischerweise nur das hochwertigere Zeugs.
 
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Zu "meiner Zeit" war Chewan oder Best Company total in. Aus nostalgischen Gründen würde ich gerne noch ein Sweatshirt aus der Zeit kaufen, die hat aber wohl der Zahn der Zeit alle dahingerafft. Gleiches gilt aber auch für die meisten MeisterAnker Uhren, die Expresso Maschine von Krups oder den Toyota Celica TA.
Das waren zu Ihrer Zeit Verbrauchsartikel, das macht sie heute so besonders. Wenn jeder noch sein 30 Jahre altes Auto fahren würde, wäre es kein Oldtimer, sondern ein Auto. Sicherlich war bei den günstigen Sachen die Halbwertzeit geringer als bei den damals schon hochpreisigen Artikeln und das wird heute auch noch so sein.
Das liegt sicher aber auch daran, das teure oder wertvolle Dinge eher geschont wurden und lange halten mussten. Ich komme noch aus der Generation der "guten Hose". Hat man dann ausreichend finanzielle Mittel, neigt der Mann dazu, sich seine Jugend zurück zu kaufen. Sicher ein Grund, warum ich den Wert einer Eigentumswohnung in Krieg der Sterne Spielzeug und Comics investiert habe.

Bedenke aber auch, bis in die Siebziger war es normal, sich seinen Anzug vom Schneider machen zu lassen. In jeder Stadt gab es mindestens drei oder vier Herrenschneider. Dann kam die Mode und, neben Biedermeiermöbeln, Tafelsilber und Kristallglas, kamen auch die Klamotten auf den Müll, um sich WMF, Leonardo und die neusten Polyester Kreationen zuzulegen.
Wohl dem, der es sich damals nicht leisten konnte, seinen Hausrat zu entsorgen.
 
Gibt es dafür einen Grund? Schlechte Erfahrungen? Hygienische Gründe?
Streng genommen weiß ich in einem Bekleidungsgeschäft auch nicht, wie oft die von mir in Augenschein genommene Hose schon probiert wurde...

Vielleicht die Einstellung, dass ich nichts haben will, was ein Anderer (aus gutem Grund?) nicht mehr haben wollte (gilt auch für fiese "Sale-Leftovers")? :D

Außerdem bin ich grundsätzlich misstrauisch hinsichtlich Motten- und Pelzkäferlarvenbefall, Echtheit der Ware bzw. Etiketten, etc. :(

Bzgl. Hygiene könnte man argumentieren, ein 2nd Hand Laden wird grundsätzlich von einem (ganz?) anderen Klientel besucht, als der "normale" Einzelhändler. :rolleyes:

Erfahrungen - also weder schlechte, noch gut - als 2nd Hand Bekleidungskäufer habe ich gar keine. :)

Bücher bzw. Filme, die OOP sind, oder Kunst kaufe ich gern antiquarisch. ;)
 
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