Der Mann hat Recht. Wir sind ja inzwischen an einem Punkt, wo es schon nicht mal mehr das Besitzen ist, sondern der kurze Kick des Kaufaktes, der beglückt. Danach liegt das Zeug in der Ecke. Das ist oftmals der vergebliche Versuch einer Erfüllung innerer Leere, die nur von innen heraus gelingen kann.
Du bringst es auf den Punkt. Wenn also diese Gegenstände weder um ihres praktischen Nutzens noch um ihrer Ästhetik willen von uns geschätzt werden, sind sie letztlich doch nichts anderes als eine entmaterialisierte, kurze Endorphin-Spritze für unser Gehirn, verschwendete Ressourcen und Gerümpel, das uns Raum wegnimmt und den Blick verstellt. Und diesen Zweck können Vintage-Produkte ebenso gut und meistens günstiger erfüllen.
Welche Blüten der Konsum- und Marketing-Irrsinn treibt, lässt sich doch nirgendwo so gut beobachten wie in der Fashion-Branche - das wissen wir doch alle am besten. In einer interessanten
BBC-Dokumentation wurde u. a. berichtet, dass sich Frauen inzwischen die neuesten Modelle ihrer Designer-Handtaschen für eine Woche ausleihen können, statt sich alle paar Wochen eine für 4.000 € kaufen zu müssen.
100 % d'Akkordeon.
Und ich sehe, anders als Stumpfi, den Aspekt der "Nachhaltigkeit" (eig. Modemodewort wie "alternativlos") schon sehr stark beim Thriften.
Geht mir genauso. Abgesehen von Kleidung gibt es bei mir z. B. einen Bereich, wo ich das immer ganz unmittelbar vor Augen geführt bekomme. Ich rasiere mich mit dem Messer, Rasierschaum schlage ich mit Pinsel und Seife. Jedes Mal, wenn ich ein schönes, sagen wir ca. 120 Jahre altes Rasiermesser benutze, denke ich daran, dass sich damit schon mindestens 2 bis 3 Generationen Männer rasiert haben - und mit etwas Glück sogar noch ein, zwei nach mir. Es nutzt sich kaum ab, erzeugt keinen Abfall, sieht immer noch wunderschön aus und erfüllt vor allem seine Funktion immer noch genauso perfekt wie am ersten Tag.
Ich möchte nicht wissen, wie viele dieser tollen, alten Werkzeuge einfach entsorgt wurden, weil sie ja mehr Zeit, Muße, Pflege und vor allem Aufmerksamkeit erfordern als die 5-Klingen-Plastikschaber mit Dosen-Schlabberschaum - aber diejenigen, die überlebt haben, erwachen halt bei Liebhabern wie mir zu neuem Leben. Mal abgesehen von dem gesparten Geld (wenn man seinen Sammeltrieb unter Kontrolle hat
), entsteht in dieser Konstellation so gut wie kein Abfall - vielleicht einmal pro Jahr eine Rasierseifen-Verpackung. Man muss diesbezüglich ja nicht päpstlicher sein als der Papst - aber all das erhöht für MICH einfach die persönliche Genuss-Bilanz und macht eine ganz alltägliche Verrichtung zu einem schönen Ritual, das mir gute Laune macht.