Danke, proteus! Ich bin jetzt schon auf die Fortsetzung gespannt!
Ich habe schon einige Zeit, bevor ich begonnen habe, mich für Kleidung zu interessieren, begonnen, mehr in gebrauchte als in neue Sachen zu investieren. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr der Ramsch, der einem überall angeboten wird, anödet. Hundertmal lieber schaffe ich mir etwas Gebrauchtes an, dem man allenfalls halt auch ansieht, dass es schon gebraucht gewesen ist, als man es gekauft hat. Geld spielt eine gewisse Rolle, das gebe ich ehrlich zu. Ich freue mich aber jedes Mal, wenn ich etwas, für das der ehemalige Besitzer sonst keine Verwendung mehr gehabt hätte, für günstiges Geld erstehe, wenn es von guter Qualität ist und weniger kostet als ein vergleichbares neues (Schrott-) Teil. Man wird dann auch ein Teil einer Geschichte, die teilweise schon älter ist als man selbst. Hier in der kleinen Schweiz kommt es bei Gebrauchtkäufen via Internet nicht selten zu persönlichen Begegnungen, die ich bislang allesamt als angenehm empfunden habe. Einige Unterhaltungen waren zudem äusserst interessant.
Das Geld, das ich beim Kauf gebrauchter Sakkos und Anzüge gespart habe, habe ich noch so gerne dem örtlichen Schneider für teils aufwendige Änderungen gegeben. Was für ein schönes, für uns Junge seltenes Erlebnis, mit einem Fachmann ein persönliches Gespräch zu führen, sich beraten zu lassen und etwas zu fachsimpeln (sprich: zu lernen). Ich komme zum hundertsten Mal in den letzten Tagen auf einen schönen Anzug zurück, den ich letztens habe abändern lassen. Der Schneider hat einen kurzen Blick darauf geworfen, ihn einmal berührt und ist gleich ins Schwärmen geraten. Er hat mir Stoffproben mit Preisen gezeigt und etwa zwanzigmal erwähnt, dass nur schon der Stoff ein Vermögen wert sei. Dann hat er kurz einen Blick auf die Verarbeitung geworfen und weiter geschwärmt. Nach der erfolgten Änderung und weiteren fünfzig Erwähnungen, wie toll der Stoff und die Verarbeitung seien, hat er mir gesagt, dass wohl niemand mehr sich einen solchen Anzug in der Schweiz würde anfertigen lassen. Das wäre nicht bezahlbar bzw. unvernünftig. Ihr könnt euch vorstellen, mit welchem Stolz man einen solchen Anzug trägt. Ein Tweed Sakko, das ich ersteigert habe, hat dreissig Jahre auf dem Buckel und sieht noch praktisch unbenutzt aus. Das ziehe ich im Wissen an, dass ich es noch in dreissig Jahren tragen werde. Damit komme ich zu einem weiteren Aspekt: Ich schmeisse nicht gerne Dinge weg. Noch viel weniger gerne schaffe ich mir etwas an, von dem ich weiss, dass ich es in wenigen Jahren auf den Müll werfen muss. Ich verabscheue die Wegwerf-Mentalität unserer Gesellschaft zutiefst.
Das waren einige wenige Gedanken von jemandem, der noch ganz neu im Geschäft ist.