Für mich persönlich, und da gibt es leider keine Gesetze, ist Bespoke, wenn der Schneider der den Schnitt macht und den Anzug näht direkt mit und am Kunden arbeitet.
Nach der Definition wäre aber auch schon die ganze Savile Row kein Bespoke mehr, weil man da traditionell sehr arbeitsteilig vorgeht.
Da arbeitet nur der Cutter direkt mit dem Kunden und der macht typischerweise keinen einzigen Nadelstich am Anzug, obwohl er natürlich meist ein sehr erfahrener Schneider ist.
Ich glaube auch, dass das Ergebnis umso sicherer gut wird, je weniger Kommunikationsschritte zwischen verschiedenen Personen (die weiter hinten im Prozess den Kunden nie gesehen haben) bei der Erstellung notwendig sind, gerade auch wenn es in den Details etwas ausgefallener wird. Das erfordert dann aber auch einen Schneider, der alle Phasen gleichmäßig gut abdecken kann. Gerade stille Handwerker sind auch nicht immer gleich gut im Umgang mit Menschen/Kunden.
Aber dass von Messen, Zuschneiden, Anprobieren, Korrigieren, Formbügeln, Nähen bis zum Finish, Endkontrolle und der Abnahme alle Schritte nur aus einer Hand kommen, ist ja selbst in kleineren Betrieben eher die Ausnahme. Und wenn der Prozess an den Übergabestellen funktioniert und die Coatmaker, Trousermaker, Finisher etc. ihr spezifisches Handwerk verstehen, den Cutter gut kennen und mit ihm eingespielt sind, sehe ich da an sich kein Problem. Und natürlich ist das für mich dann noch Bespoke.
Die Grenze ziehe ich tatsächlich bei der Pattern-Erstellung. Wenn man da von einem fixen Block-Pattern ausgeht (was anscheinend in Italien auch bei "Vollmaß"arbeiten schon mal vorkommt), ist es bestenfalls handgenähtes MTM. Da bringt dann auch ein Künstlertyp mit Maßband um den Hals in einem als Schneiderei dekorierten Ladenlokal nichts mehr außer Show.