Robustheit vs. Eleganz, oder: Ist das Praktische unästhetisch?

Nun mit dem Vergleich ist so eine Sache. Wenn er zu abstrakt wird, verwirrt er mehr, als er denn erhellt. Daher hilft uns, fürchte ich, der Frack nicht weiter. Man könnte die Frage aber gut am Beispiel der Hemdmanschette durchspielen. Sicherlich ist es auch immer leichter Zweckmäßigkeit elegant zu halten, als umgekehrt. Wenn man aber Manschettenknöpfe als grudnsätzlich unzweckmäßig empfände (!), würde man sie wohl kaum tragen. Seien sie noch so elegant, oder?

Aber zur Ausgangsfrage:
Ist Eleganz der eine Pol eines Spektrums, an dessen anderem Ende die Robustheit oder Zweckmäßigkeit steht?

Es wäre schlimm, wenn das eine Gesetzmäßigkeit wäre. Sicherlich spielt auch die eigene Vorstellung von Ästhetik und Eleganz eine Rolle, aber ist die viel beschworene Sprezzatura nicht gerade durch die Verbindung von Eleganz und Zweckmäßigkeit möglich? Skandinavisches Design oder Bauhaus haben genau diesen Brückenschlag versucht, und meiner bescheidenen Meinung nach auch sehr oft geschafft. Aber das bleibt es ja letztlich immer: eine Meinung.
 
Interessante Fragestellung...

Für mich gibt es praktische Kleidung sowie auch elegante Kleidung. Beides zusammen gibt es auch. Zweckmäßig kann sie auch sein nur eines nicht.

BEQUEM!

Damit meine ich nicht die Passform sondern alles was einem bei der Kleidung Arbeit abnehmen soll. Beispiele

- bügelfreie Hemden
- vorgebundene Fliegen
- one size fit's all
- Schuhe die man Dank der plastifizierung nur abwischen muss
usw usf.

salut Grimod
 
Sartoriale Eleganz leitet sich ja von einer vormodern-aristokratischen Logik ab, in der sie die Nicht-Notwendigkeit des Arbeitens und den Luxus des unnötig-aufwändigen statusgemäß signifizieren sollte. Gerade weibliche Eleganz impliziert bis in die Gegenwart Repräsentation und passiv-machende Impraktikabilität (high heels), während seit Brummel die männliche Eleganz bürgerlich-reduktiv definiert wird - immer noch in deutlicher Abgenzung von robuster, praktischer Arbeitskleidung, aber gleichzeitig Sinnbild einer neuen Maskulinität vollendeter (Selbst)kontrolle und vornehmer Zurückhaltung. Die auch sozial motivierte Distinktion zwischen Eleganz und Praktikabilität wirkt, denke ich, bis heute nach -im Gegensatz zum Objektdesign, welches mit der industriellen Moderne im Idealfall Ästhetik und Gebrauchswert (Jugendstil) und noch Massenproduktion (Christopher Dresser, Bauhaus) miteinander verknüpfte. Allerdings bildet z.B. englische Country-Kleidung eine ideale Symbiose zwischen Eleganz und praktischer Robustheit (robust sind vintage Fräcke übrigens auch, und zwar enorm, aber wenig praktikabel), vielleicht, weil nach englischer Vorstellung in einer (idealisierten, kultivierten) Natur diese Gegensätze aufgehoben sind/sein müssen. My two pence :D.
 
Ist Eleganz der eine Pol eines Spektrums, an dessen anderem Ende die Robustheit oder Zweckmäßigkeit steht? Unterscheiden wir zwischen praktischen auf der einen Seite und schönen Dingen auf der anderen? Das hieße, daß das praktische nicht schön und das schöne nicht praktisch ist.

Ich denke nicht, dass man von Polen sprechen kann bzw. muss. Es stellt sich die Frage, was wir unter Eleganz verstehen wollen und da ich ein Freund der Ursprünglichkeit bin, ist in erster Linie die Bedeutung des Wortes als solches ausschlaggebend. Das lateinische Verb eligere bedeutet: etwas auswählen. Und genau darum geht es vielleicht auch in der Frage um Eleganz; nämlich in einer bestimmten Situation mit den zur Verfügung stehenden Mitteln so gut/schön wie möglich auszusehen oder sich zu geben; auch unter ästhetischen Gesichtspunkten. Das bedeutet aber demnach auch, dass Robustheit nicht zwangsläufig unelegant ist, sondern es kommt auf den Kontext an und ob sie (Robustheit) erforderlich ist oder nicht.

Fragt mich nicht wie ich darauf komme, aber das Video der Avalanches "Since I met you" sagt alles in ein paar Minuten.

http://www.youtube.com/watch?v=aUyKdaNKHzo&feature=related

Allgemein würde ich zu dem Thema sagen, dass es unterschiedliche Arten von Schönheit gibt. Schönheit und Eleganz sind nicht dasselbe.
In logischen Fachtermini ausgedrückt:
Schönheit ist eine notwendige Bedingung für Eleganz, Eleganz nur eine hinreichende Bedingung für Schönheit.

Das sehe ich anders. Wenn man eine Situation elegant löst, dann bedeutet das, dass man ohne selbst groß Schaden zu nehmen, ohne andere mehr als unbedingt nötig zu beeinträchtigen - vielleicht sogar völlig unbemerkt von anderen - etwas zum eigenen Vorteil erreicht hat. Eleganz ist für mich das, was (manchmal) übrig bleibt, wenn die Schönheit längst verflogen ist oder vielleicht nie vorhanden war. Fred Astaire war sicherlich kein Schönling im herkömmlichen Sinne, aber eine gewisse Eleganz muss man ihm zugestehen.

Ich finde es grundsätzlich schwierig, den Begriff von Eleganz auf Materielles zu übertragen, denn die wichtigste Komponente, der Mensch, welcher sich für etwas bestimmtes entscheidet, kann diese erst zum Leben erwecken. Ein Kleidungsstück (bspw. ein Smoking) mag als elegant gelten, nur muss sein Träger dies auch zum Ausdruck bringen können.

Grüße
Camara
 
Nun, ich halte mein iphone z.B. für ein elegantes Gerät, das praktisch ist.

hier bin ich durchaus einverstanden mit elegant (nein, eher 'ansprechendes Design'), nicht einverstanden mit praktisch.

Ich möchte kein 'Pro- / Contra iPhone' in Gang bringen, sondern wollte nur sagen, das meiner Meinung nach (!) die Wörter 'praktisch' und/oder 'funktional' gerne eine Ausrede darstellen, um Lifestyle Produkte liebevoll zu bemänteln.

"uih, schick. Und? War teuer, stimmts?"

"Ja, aber es ist auch so un-glaub-lich praktisch......"

'Praktisch' ist eben auch sehr individuell.
 
Abgesehen davon: Ist ein lifestyle-Produkt etwas Verwerfliches ?

Nein, aber ich habe manchmal das Gefühl, das aus Scham und im vorauseilenden Gehorsam sofort auf den (z. T. Pseudo) Alltags - Nutzen von teuren Produkten hingewiesen wird, um nicht als dekadent o. ä. zu gelten.

Gerade bei Smartphones ist es doch so, das die meisten ca. 90% der theoretischen Möglichkeiten zwar vehement betonen, aber praktisch nicht nutzen, für mich ein Indiz.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber warum sollte ich mich denn schämen, mir was Teures zu kaufen ?? Das ist doch für mich und ich bin mir jeden Eurobetrag wert. Es muss ja nicht überall offen herumliegen, in gängigen Hosentaschen trägt es nicht auf....

Das hatte keinen direkten Bezug. Generell (ich denke, das hat jeder schon oft beobachtet): Fragt man jemanden nach einem außergeöhnlichen Produkt kommen oft ellenlange, fast entschuldiugende Erklärungen zum Warum und Wieso. Mentalitätsfrage? Deutsche 'Bescheidenheit'? In einem anderen Thread wurde es auch mal kurz angeschnitten.
 
"No Anorak when in Innenstadt", einfach wunderbar! :D

Gruß
Obelix

ich habe mich gerade aus einer Nylon Pilotenjacke mit nicht-abnehmbarer Fellkapuze und wenig Taschen geschält. Herrlich warm, total unpraktisch ;)


Nach 7 Jahren Moleskine XL Kalendern versuche ich es 2011 zum ersten Mal mit einem filofax, ich bin gespannt, sehe aber schon Barrieren, da Linkshänder.

Total unnütz, eigentlich, ebenfalls kein bißchen praktisch, aber ich mag Papier, Bleistift, das ist so echt, irgendwie und - ja - inspirierend.

Aber es gibt scheinbar wirklich einige Leute, die die eigenen Kaufentscheidungen auch noch anderen gegenüber begründen.

Amanpuri

Zumeist tun sie es sich selbst gegenüber, weil einfach nur 'haben wollen' so schrecklich irrational ist.

Vor meinen Freunden muß ich meine ca. 12 Anzüge begründen ("2 hätten gereicht"), hier wird oft gefragt, warum man sich statt dessen nicht 3 oder 4 MTM zugelegt hat ("statt diesem RTW Zeugs"), das wäre vernünftiger. Egal wie, eine Begründung fordert irgendwie alles ein, was mensch besitzt.
 
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