Wir gehen heute mit Politik und Politikern leider auch kritischer um als vor 50 Jahren. Alles, was suboptimal läuft, wird Politikern gnadenlos vorgehalten, alles, was sich in den letzten 50 Jahren langsam, aber unaufhaltsam fundamental verbessert hat (und das war in den westlichen Nationen fast alles), wird gerne als selbstverständlich zur Kenntnis genommen.
Politik sind am Ende wir alle. Politikverdrossenheit ist deswegen etwas zutiefst Sinnloses. Wir leben heute nur auch in einer polarisierten Zeit, die Politik als Kompromissfindung nicht mehr verstehen will. [...]
Wir erleben heute vor allem eine Zeitenwende. Das politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und persönliche Umfeld verändern sich rasant und gefühlt immer schneller. Glaubensgrundsätze, nicht nur im religiösen Verständnis, die über Jahrzehnte Gültigkeit hatten, verlieren ihre Bedeutung und der Konsens in der Gesellschaft schwindet zunehmend. Arbeit, Familie, Haus, persönlicher Lifestyle und Erwartungen erfahren eine inhaltliche Umdeutung. Die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen erfordern eine immense Reaktionsgeschwindigkeit und Beurteilungskompetenz die aufgrund der Neuartigkeit in Verbindung mit zB Digitalisierung aber auch gesellschaftlicher Normen alle Menschen letztlich überfordern, insbesondere auch in Führungspositionen, wo der gemeine Bürger und Arbeiter die Verantwortug für die richtigen Antworten auf diese Veränderungen sieht. Dafür werden sie ja schließlich (sehr gut) bezahlt. problem ist nur, dass diese hellen Köpfe ebenso im dunklen tappen wie alle anderen und sich neue Erfahrungen, Normen und Regeln erst mühsam neu bilden müssen.
In der Zwischenzeit regiert das Chaos, in den Köpfen und im Handeln, was letztlich Menschen, die vermeintlich einfache Antworten anbieten so anziehend macht.
Das erleben wir nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Der Deutsche hat vielleicht nur eine noch höhere Erwartung an "die da oben".
Leider stecken wir in diesem Transformationsprozess gerade erst am Anfang und es wird eine wie auch immer geartete neue Ordnung mit neuen Normen daraus entstehen. Fragt sich nur wie lange das dauert.
Bis dahin auf jeden Fall immer darauf achten, dass das Sakko richtig geknöpft und die Schuhe korrekt gebunden sind. Das gibt Halt und Orientierung in schwierigen Zeiten. Und so gekleidet unverdrossen weiterhin Demokratie wählen gehen!