Wobei hier natürlich auch der gegenüber einem fabrikneuen Sakko des gleichen Herstellers eingesparte Betrag eine Rolle spielt. Deshalb erhält die von meinem geschätzten Vorredner erwähnte Schneiderin von mir auch nur Stücke, die ihrer Kunst würdig sind, dafür aber carte blanche für alle ihr notwendig erscheinenden Arbeiten. Gleiches gilt für die näher an meinen Wohnorten gelegenen Betriebe.Bei aufwändigeren Änderungen, ein klassisches Beispiel ist das gebraucht aus der Bucht erworbene Sakko, ist der Break-Even zugunsten einer MTM-Neuanfertigung schnell erreicht, zumindest bei einem soliden Änderungsschneider, der entsprechende Stundensätze verlangen kann.
Erst mal muss man mit einer sehr hohen Erwartungshaltung einsteigen, um auch das mögliche Optimum (das natürlich auch ein Kompromiss bleibt) aus dem MTM-System herauszuholen. Am Ende muss einem nur bewusst sein, dass MTM ein Kompromiss bleibt und das auch annehmen. Man kann MTM auch verschlimmbessern.Meiner Meinung nach ist zunächst mal die Erwartungshaltung zu hoch,
die Idee ist häufig, dass man mit dem Geld eines Anzugs von der Stange +100€ quasi das Ergebnis eines Bespoken-Anzugs bekommt.
Dann - und da sehe ich mich durchaus auch kritisch - ist natürlich die Frage, ob der Kunde weiß was er will und dies auch klar kommunizieren kann. Also selbstkritisch muss ich zugeben, dass ich in vielen Punkte nicht so die Ahnung habe (Schließpunkt Sakko etc.) und auch gar nicht angeben könnte, wie ich es will. Woher soll die Ahnung aber auch kommen? Guckt man sich das Stilmagazin an, dann hilft mir auch die "Pflichtlektüre - Anatomie des Sakkos" nicht wirklich weiter - wo sind die Bilder/Grafiken/Zeichnungen, die mal auch bildlich verdeutlichen, wie das Sakko zu sitzen hat oder ein Vergleich richtige Länge/ falsche Länge klar darstellen.
Da die MTM Systeme dann ja doch ne gewisse Linie vertreten und die Verkäufer diese auch zunächst mal so vertreiben, muss man dann klar kommunizieren können, wenn man von dieser Linie abweichen will. SuSu wird auch eine MTM Anzughose zunächst mal nach der "Firmen-Philosophie" anpassen und die entspricht eben nicht dem, was einige (auch hier im Forum) für richtig halten.
Dazu kommt dann eben auch, dass es sehr unterschiedliche Wahrnehmungen gibt, wann etwas ordentlich aussieht bzw. wie groß der "Fehler" ist. Gefühlt beführwortet hier ein großer Teil des Forums (oder der lautere?) eine Trageweise/Anpassung, die sehr klassisch ist. Statt sich zu freuen, dass sich ein Träger mehr für den Anzug findet - selbst wenn er evtl. für den eigenen Geschmack zu körperbetont geschnitten ist - wird (nach meiner Wahrnehmung) gleich das Maß eines Profis angelegt.
Und bös gesprochen dürfte nur noch ein kleiner Teil der Menschen außerhalb dieses Forums die Menge an "Fehlern" finden, die hier gefunden werden.
Hier würde ich in Teilen widersprechen. Sicherlich ist ein Grundverständnis zur richtigen Passform wichtig und lässt sich schulen. Aber selbst nach umfangreichem Literaturstudium wird man bestenfalls solides Halbwissen erwerben. Um mit dem Fachmann bei Abnahme eines Anzugs auf Augenhöhe zu sein, bedürfte es einer Schneiderlehre. Aber engagiert man nicht einen Fachmann, um sich genau das zu ersparen?Erst mal muss man mit einer sehr hohen Erwartungshaltung einsteigen, um auch das mögliche Optimum (das natürlich auch ein Kompromiss bleibt) aus dem MTM-System herauszuholen. Am Ende muss einem nur bewusst sein, dass MTM ein Kompromiss bleibt und das auch annehmen. Man kann MTM auch verschlimmbessern.
Dass man selber wissen sollte, wie Länge, Schulter, Schließknopfposition etc. idealerweise aussehen müssen, halte ich für eine Grundvoraussetzung bei Auftragsarbeiten. Wenn man dazu keine Meinung hat und der Schneider nicht so dolle ist, kann gutes MTM mühelos besser als schlechtes Bespoke ausfallen.
Um zu lernen, muss man sich halt auch die Mühe machen, möglichst viele Bilder guter Beispiele (gerne Top-Bespoke und historisch) anzusehen und zu vergleichen, um daraus für die eigene Figur geeignete Anregungen abzuleiten. Das kann abhängig von den eigenen körperlichen Möglichkeiten mühevoll sein und Jahre mit vielen Experimenten brauchen. Lehrbücher wie Dressing the Man sind da nur der Anfang.
Und dann habe ich noch nie verstanden, warum man einen Gegensatz zwischen klassischem Stil und "modernem" Slim Fit abzuleiten versucht. Auch klassischer Stil ist körperbetont, nur eben im richtigen Maß und an den richtigen Stellen, er drückt sich in stimmigen Proportionen aus. Im Regelfall ist das also nur der Gegensatz zwischen guter und schlechter Passform. Wenn "Laien" nicht wissen, wie ein Anzug richtig sitzt, und auch im Alltag und im Fernsehen keine guten Beispiele mehr vorgeführt bekommen (wobei gerade letzteres auch heute noch gut möglich ist), ist das ja nun kein Grund, es nur viertel gut zu machen, weil's ja eh' keiner merkt. Das ist man sich selbst schuldig, man trägt das ja für sich und nicht für andere.
Klar hat man als Einsteiger idealerweise einen Fachmann an der Hand, der einem das Produkt vernünftig anpasst und im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten stilistisch gestaltet, ohne dass man irgendwas dazu beitragen muss. Den gibt es bei MTM selten und bei Bespoke hat man dann im besten Falle den Geschmack des Schneiders umgesetzt und nicht den eigenen. Den Fachmann braucht man für die technische Kompetenz in der Umsetzung, nicht für Passform und stilistische Merkmale.Hier würde ich in Teilen widersprechen. Sicherlich ist ein Grundverständnis zur richtigen Passform wichtig und lässt sich schulen. Aber selbst nach umfangreichem Literaturstudium wird man bestenfalls solides Halbwissen erwerben. Um mit dem Fachmann bei Abnahme eines Anzugs auf Augenhöhe zu sein, bedürfte es einer Schneiderlehre. Aber engagiert man nicht einen Fachmann, um sich genau das zu ersparen?
Und genau hier liegt das Problem und die Wurzel der Fragestellung: derlei Fachleute sind mittlerweile dünn gesät. Bei vielen Anbietern ist der Ausgang einer MTM oder Bespoke- Anfertigung unbekannt und von Zufälligkeiten bestimmt (Mitarbeiter, Tagesform, ...). Hier stellt sich in vielen Fällen in der Tat die Frage, ob nachträglich angepasstes RTW nicht zum besseren Ergebnis führt.
Beste Grüße
R.O.T.
Es gab zu allen Anzug-Epochen moderne und klassische Schnitte. Die klassischen sind die, die die Extreme ihrer jeweiligen Zeit nicht mitgemacht haben. Und das gilt heute noch genauso, das hat nicht mit 1950er Jahren zu tun. Ich trage z.B. nichts, was in den 1950er und 1960er Jahren in dieser Form populär gewesen wäre. Alles, was wir hier tragen, ist eine Synthese aus allen möglichen Epochen in einer neuen Kombination, aber ohne die allzu schnell gealterten Extreme ihrer Zeit. Schau Dir einfach mal genau Bilder aus den 1950ern und 1960ern an und vergleiche.Naja, was klassisch und modern ist ist immer auch ne Frage der zeitlichen Entfernung - gibt auch bei TGG Beispiele, dass das, was heute als klassische angesehen wird früher als zu modern angesehen wurde. Warum werden hier Schnitte der 50er Jahre und nicht der 20er Jahre als "normal" propagiert - sind auch klassisch!
Ich finds halt komisch, dass wir heute alle modernen Annehmlichkeiten der letzten 50 Jahre nutzen, aber hier ein Kleidungsstil ad absolutum und zum Teil in sehr deutlicher Darstellung propagiert wird, der aus den 50er-60er Jahren stammt.
Ich finde es zwar grundsätzlich nett, dass die Jungs von GG ne klare Einstellung zu Mode haben und diese auch tragen, doch geht das an meiner Lebenswirklichkeit deutlich vorbei.
Man kann sich jetzt an der Jahreszahl festbeißen und die Intention erkennen, dass es eben unterschiedliche Stile gibt und die Wahrnehmung ist, dass wenn jemand neu in der Materie ist, ein Stil propagiert wird, der demjenigen in vielen Fällen unbekannt und ungewohnt ist. Auch wenn das viele schmerzt, düfte der größte Teil aller Umsteiger von der Jeans auf den Anzug mit dem Begriff der "natürlichen Taille" wenig anfangen können und den Bund so hoch zu tragen ist nicht für jeden sofort ein ästhetischer Gewinn und entspricht in vielen Fällen eben nicht der Tragegewohnheit.Es gab zu allen Anzug-Epochen moderne und klassische Schnitte. Die klassischen sind die, die die Extreme ihrer jeweiligen Zeit nicht mitgemacht haben. Und das gilt heute noch genauso, das hat nicht mit 1950er Jahren zu tun. Ich trage z.B. nichts, was in den 1950er und 1960er Jahren in dieser Form populär gewesen wäre. Alles, was wir hier tragen, ist eine Synthese aus allen möglichen Epochen in einer neuen Kombination, aber ohne die allzu schnell gealterten Extreme ihrer Zeit. Schau Dir einfach mal genau Bilder aus den 1950ern und 1960ern an und vergleiche.
Es geht auch im Bereich MTM ganz hervorragende Fachleute, die zwar keine gelernten Schneider sind, jedoch seid vielen Jahren MTm anbieten und vermessen und extrem gute Ergebnisse liefern.Hier würde ich in Teilen widersprechen. Sicherlich ist ein Grundverständnis zur richtigen Passform wichtig und lässt sich schulen. Aber selbst nach umfangreichem Literaturstudium wird man bestenfalls solides Halbwissen erwerben. Um mit dem Fachmann bei Abnahme eines Anzugs auf Augenhöhe zu sein, bedürfte es einer Schneiderlehre. Aber engagiert man nicht einen Fachmann, um sich genau das zu ersparen?
Und genau hier liegt das Problem und die Wurzel der Fragestellung: derlei Fachleute sind mittlerweile dünn gesät. Bei vielen Anbietern ist der Ausgang einer MTM oder Bespoke- Anfertigung unbekannt und von Zufälligkeiten bestimmt (Mitarbeiter, Tagesform, ...). Hier stellt sich in vielen Fällen in der Tat die Frage, ob nachträglich angepasstes RTW nicht zum besseren Ergebnis führt.
Beste Grüße
R.O.T.
Das ist ein konstruiertes Problem. Kein Mensch außerhalb des Forums belächelt einen 25-jährigen, weil er eine "ungewöhnliche Passform" im Sinne eines korrekt sitzenden Anzugs hat. Kein Mensch außerhalb des Forums kann heute verschiedene "Stile" bei Anzügen erfassen, das ist für Laien eine amorphe Masse ohne erkennbare Unterschiede, eben alles irgendwie das Gleiche, das, was Schlipsträger halt so tragen.Man kann sich jetzt an der Jahreszahl festbeißen und die Intention erkennen, dass es eben unterschiedliche Stile gibt und die Wahrnehmung ist, dass wenn jemand neu in der Materie ist, ein Stil propagiert wird, der demjenigen in vielen Fällen unbekannt und ungewohnt ist. Auch wenn das viele schmerzt, düfte der größte Teil aller Umsteiger von der Jeans auf den Anzug mit dem Begriff der "natürlichen Taille" wenig anfangen können und den Bund so hoch zu tragen ist nicht für jeden sofort ein ästhetischer Gewinn und entspricht in vielen Fällen eben nicht der Tragegewohnheit.
Um auf das Thema zurückzukommen: SuSu und ähnliche holen im MTM und RTW die Leute eben da ab, wo sie stehen und richten sich auch an ein größeres, weniger erfahrenes Publikum und auch an Leute die weniger oft und weniger passioniert Anzug tragen. Wenn dort ein MTM Berater völlig gegen die Tragegewonheit des Kunden den Bund bis unter den Bauchnabel zieht, weiß ich nicht, ob der Beratene damit glücklich ist. Und ich weiß auch nicht, ob ein 25jähirger Berufsanfänger damit glücklich wird, wenn ihm ein Gruppe von erfahrenen Stilforumnutzern Applaus für die Passform zollen, während er von der unerfahrenen Menge seiner Mitmenschen und Kollegen aufgrund der ungewöhnlichen Passform belächelt wird.