Erst mal muss man mit einer sehr hohen Erwartungshaltung einsteigen, um auch das mögliche Optimum (das natürlich auch ein Kompromiss bleibt) aus dem MTM-System herauszuholen. Am Ende muss einem nur bewusst sein, dass MTM ein Kompromiss bleibt und das auch annehmen. Man kann MTM auch verschlimmbessern.
Dass man selber wissen sollte, wie Länge, Schulter, Schließknopfposition etc. idealerweise aussehen müssen, halte ich für eine Grundvoraussetzung bei Auftragsarbeiten. Wenn man dazu keine Meinung hat und der Schneider nicht so dolle ist, kann gutes MTM mühelos besser als schlechtes Bespoke ausfallen.
Um zu lernen, muss man sich halt auch die Mühe machen, möglichst viele Bilder guter Beispiele (gerne Top-Bespoke und historisch) anzusehen und zu vergleichen, um daraus für die eigene Figur geeignete Anregungen abzuleiten. Das kann abhängig von den eigenen körperlichen Möglichkeiten mühevoll sein und Jahre mit vielen Experimenten brauchen. Lehrbücher wie Dressing the Man sind da nur der Anfang.
Und dann habe ich noch nie verstanden, warum man einen Gegensatz zwischen klassischem Stil und "modernem" Slim Fit abzuleiten versucht. Auch klassischer Stil ist körperbetont, nur eben im richtigen Maß und an den richtigen Stellen, er drückt sich in stimmigen Proportionen aus. Im Regelfall ist das also nur der Gegensatz zwischen guter und schlechter Passform. Wenn "Laien" nicht wissen, wie ein Anzug richtig sitzt, und auch im Alltag und im Fernsehen keine guten Beispiele mehr vorgeführt bekommen (wobei gerade letzteres auch heute noch gut möglich ist), ist das ja nun kein Grund, es nur viertel gut zu machen, weil's ja eh' keiner merkt. Das ist man sich selbst schuldig, man trägt das ja für sich und nicht für andere.