Banker
Well-Known Member
Vielleicht bin ich da zu altmodisch. Bei Hemden finde ich mtm jetzt nicht ganz so spannend. Das Hemd ist meistens eh von Pullover und/oder Sakko bedeckt. Eine optimalste Passform folglich nicht so zwingend notwendig (außer am Hals und bei der Armlänge). Daher macht das für mich nur Sinn, wenn da einerseits das Fühlen und Aussuchen des Stoffes dazu kommt. Und v.a. der menschliche Kontakt, der mir aber allgemein sehr wichtig ist. Man steht mit dem Verkäufern vor den Stoffen, blättert und diskutiert, was der richtige und schönste Stoff ist.
Das ist ein nettes Erlebnis, das in meinen Augen Mtm-Hemden sinnvoll bzw. schön werden lässt.
Das fällt beim Internet einfach weg. Andererseits wird sich immer beschwert, daß die klassisch guten Herrenausstatter immer weniger werden. Klar, wenn die Kundschaft lieber anonym über Computer bestellt.
Und so toll sehen die Hemden jetzt auf den Bildern auch nicht aus, als daß man sagen könnte, das ist ein Angebot, das man nicht ausschlagen kann...
Aber - wie gesagt - vielleicht bin ich da einfach zu altmodisch.
Morgen kommt hoffentlich schon die neue Lieferung, wenns mal schnell geht, dann schnell...
Miles, ich sehe wichtige Punkte in deiner Ausfuehrung. So plump es klingt: ich glaube in diesem Fall bist du vielleicht wirklich zu altmodisch. Das soll keine Wertung sein, ich bestaetige nur die Aussage, die du selbst triffst - es hat wirklich weder positive, noch negative Assoziationen.
Ich kann verstehen, dass der persoenliche Kontakt aus dem ein Masshemdprojket entsteht, eine ganz andere Erfahrung ist, als ein Online-MTM Hemd. Auch spart das Stoff-Durchblaettern Kosten und Zeit. Aber, Zeiten aendern sich. Ich persoenliche habe einfach nicht die Preisbereitschaft mir ein Hemd hier in Deutschland MTM/bespoke in gleicher Qualitaet machen zu lassen wie ich es bei Luxire fuer einen Bruchteil bekomme. Warum ?
Zunaechst sehe ich bei Luxire keine grossen qualitativen Einbussen. Die Schnitte werden individuell erstellt, die Naehte sind ordentlich. Es ist zugegeben wenig Handarbeit in der Herstellung selbst drin, man koennte das allerdings teurer dazu buchen. Ich habe bisher 7 Hemden bestellt, nicht alle fuer mich, die Masse waren auf den Punkt. Die gebotene Stoffqualitaet ist absolut top und preislich sehr fair. Wir halten fest: ich bekomme z.B. ein 200/2er Hemd in weiss absolut auf Mass (bespoke, MTM, mass, wie man es auch nennen mag) mit allen individuellen Konfigurationen, wie man es haben moechte. Dabei ist es auch moeglich mit dem dortigen Kundenservice, den Kragen individuell zu bestimmen - genau so, wie man es will. Viel mehr Konfiguration geht nicht. Dieses top verarbeitete Hemd bekomme ich frei Haus fuer knapp 100€. Andere auch schon fuer weniger. Da kann ein Schneider in Deutschland nicht mithalten, das ist mir klar.
Ja, der Kontakt zu einem Schneider vor Ort ist nett, aber ich finde es nur fair, dass Produkte in Laendern hergestellt werden, in denen das Lohnniveau niedrig ist, sich aber durch solche Luxusprodukte steigert. Es ist auf gewisse Weise auch spannend, ein Produkt per Mail zu diskutieren, und es dann auf Mass zu erhalten.
Vielleicht ein artverwandtes Beispiel: Ich gehe furchtbar gern auf den Markt, um dort etwas zu kaufen, aber fuer meinen Alltag kann ich es nicht zur hauptsaechlichen Nahrungsbeschaffung nutzen. Der Markt ist toll, preislich nicht mal teurer, wenn man gescheit kauft und ein Erlebnis. Aber er passt (leider) nicht mehr genau mit meinem Lebenskonzept zusammen. Teils stoert mich das, teils eroeffnet es auch andere Perspektiven. Ich merke zunehmends, dass ich bspw. Staedte mit sog. Brennpunkten etc., die nicht schoen aussehen, auf Dauer angenehmer zum Leben finde, als die besonders schoenen, kulturell sehr homogenen Staedte. Die langweilen mich recht schnell. Die kulturelle Enge dieser Staedte (oder Subkulturen oder sonstwas), bedraengt mich nahezu.
Was das alles mit Masshemden zu tun hat? Ich denke es ist die Offenheit gegenueber gesellschaftlichem Wandel. Ich sehe nicht viel Zukunft fuer die klassischen Herrenschneider, oder zumindest fuer Hemdenschneider in Deutschland, ausserhalb von Mikrokosmen. Das ist ganz klar schade, aber es veraendert sich eben. Gesellschaftliche Strukturen haben sich in wirtschaftlicher Hinsicht stark mutiert, dieser Wandel kann auch nicht an diesen klassischen Berufen vorbei gehen. Gleichzeitig erlaubt es eine effizientere Logistik, Waren erheblich billiger relativ gesehen zu transportieren. Dazu kommt, dass sich Wissen immer schneller verbreiten laesst. Das alles eroeffnet voellig neue Geschaeftsmodelle - natuerlich geht damit aber auch der Tod alter Geschaeftsmodellstrukturen einher. Ich liebe es trotzdem, weil dieser Wandel in gesellschaftlicher Hinsicht - so sehr auch immer wieder kritisiert und seit Jahrhunderten als dem Untergang zugeneigt prophezeit - eigentlich staerker positive, als negative Facetten hervorgebracht hat. Ich bin wahrlich kein geblendeter Lobsaenger auf alle modernen Prozesse, aber unterm Strich ging es der Menschheit damit besser als mit der Bewahrung alter Gewohnheiten.