Ich bin mit gesundem Essen aufgewachsen, und zwar aus dem einfachen Grund weil wir damals kein Geld hatten. Da gab es selbst angebautes Gemüse vom Schrebergarten, Fleisch vielleicht 2 x die Woche. Die wenigen Fertiggerichte die es damals bereits gab (Miracoli) konnten wir uns nicht leisten.
Der Unterschied zu heute war nur der, dass meine Oma einfach und schmackhaft kochen konnte. Ihre köstlichen Bohnen- und Kartoffelsuppen sind mir immer noch in guter Erinnerung. Gehe ich heute in den Supermarkt und gucke da so in die Einkaufswagen, fällt mir das genaue Gegenteil auf. Je niedriger die Gesellschaftsschicht, desto höher der Anteil an Fertiggerichten.
Es gibt ja ein sog. Harz 4 Kochbuch. Die Autoren wollten Hilfestellung geben, sich mit dem Geld gut und günstig zu ernähren. Dabei stellten sie fest, dass es die entsprechenden Rezepte schlicht nicht mehr gibt. Sie bereisten dann Landfrauen und schrieben die alten Rezepte auf. Und siehe da: Es geht! Aber es ist anstrengend. Kartoffeln waschen und schälen, Bohnen schnippeln etc. sind Tätigkeiten auf die man weitgehend keine Lust mehr hat. Für diese Küche brauche ich auch kein Bio, was ja in manchen Kreisen mittlerweile den Charakter einer Ersatzreligion angenommen hat (größtenteils vollkommen unreflektiert übrigens). Die Verwendung von (teurem) Bio ist selbstverständlich ebenfalls ein Mittel soziale Unterschiede zu demonstrieren und sich dadurch von der unwissenden Masse abzuheben.
Die ach so böse Nahrungsmittelindustrie bedient lediglich die vorhandenen gesellschaftlichen Strömungen und verfolgt dabei natürlich eine Gewinnabsicht.
Zur Massentierhaltung: Verwerflich aber wer das Kotelett aus dem Sonderangebot haben will, kauft das sozusagen mit ein. Massentierhaltung, also die Nutzung von "Economies of Scale" muss ja nicht zwingend Tierquälerei bedeuten, es kommt auf die Haltung an sich an. Schlechte Haltung gab es sicher auch auf Opas Bauernhof, es hat nur keiner hingeguckt. Ob die momentan betriebene Idealisierung des Landlebens den echten Verhältnissen der "guten alten Zeit" gerecht wird, wage ich zu bezweifeln. Das ist wohl eher die Vorstellung von "Latte Macciato" sippenden Städtern, die mal raus fahren und sich dann im (natürlich nicht gewinnorientierten) Landlädchen ein "schön hier, ne?" zuraunen.