Hast du schon mal einen Business betrieben und selber Pakete gepackt? Der Gesamtaufwand ist ziemlich sicher größer als 10 Euro (bekommt man nur im hohen Durchsatz mit billigen Arbeitskräften niedriger).
Du könntest stattdessen fragen "Wie finanziert Michael Jondral das Gehalt seiner Mitarbeiter, seine Ladenmiete, seine Vorfinanzierungskosten, seine Einkaufsreisen zum Aussuchen nach Italien, den Betrieb seiner Online-Plattform und darf er auch selber einen Lebensunterhalt verdienen?". Du kannst natürlich zu Recht der Ansicht sein "nicht von meinem Geld". Dann solltest du aber deine ESTs selber bedrucken und handrollieren, weil die Materialkosten dafür sicher nicht mehr als 2 Euro betragen. Und wenn du dann mal deine Arbeitszeit in irgendeiner vernünftigen Einheit kalkulierst, wirst du erkennen, dass alle ESTs von Michael Jondral dich Meilen billiger kommen...
Die Antwort schießt aber über das Ziel hinaus, denn die berechtigte Erwartung ist, dass die Kosten für Online-Plattform, Ladenmiete etc. in die Produktpreise eingerechnet sind.
Bei Versandkosten kann man da immer geteilter Meinung sein, klar ist neben der Portoauslage auch der Versandkarton und die Packarbeit ein Kostenfaktor.
Der "brick and mortar"-Laden berechnet umgekehrt ja auch keinen "Ladeninfrastrukturaufschlag", weil er besser gelegen und hübscher eingerichtet ist, als das Logistikcenter am Autobahnring, genauso kann man Versand insgesamt einkalkulieren.
Die gute Nachricht ist: Der Kunde zahlt den Versand sowieso. Entweder durch den (höher als "nötigen") Kaufpreis oder durch extra Zahlung von Versandkosten. Der Unterschied ist nur, dass Versandkosten bei Vollpreiskalkulation stärker unter den Kunden sozialisiert werden. Am besten sieht man das bei Amazon: Da die wegen der Buchpreisbindung nicht billiger verkaufen können, gibt es den kostenlosen Versand ohne Wertgrenze für Bücher (einschließlich eines Reclam-Hefts) als versteckten Rabatt und eben erst ab 29 EUR (?) bei andern Sachen.
Bei Jondral sieht man das auch deutlich: Ab 50 EUR ist es versandkostenfrei, was ich bei einem Premiumanspruch auch irgendwo erwarte: Ist halt wie bei Ryanair vs. Lufthansa, bei ersteren zahle ich jedes Fuzzelchen extra, bei letzteren kann ich mir beim Check-in den Sitzplatz ohne Extragebühr aussuchen (auch wenn es meist an vorreservierten anderen Plätzen scheitert). Dass er bei unter 50 EUR-Bestellungen was extra nimmt, finde ich jetzt nicht so verwerflich - regulär verkauft der ja kaum etwas, das billiger ist, unter 35 EUR für ein Paar Strümpfe findet sich da mE kaum was. Von denen kann man ja dann zwei kaufen und beim Einstecktuch für 49 EUR einfach noch eine Packung Nudeln für 10 mitbestellen, dann hat man statt der Versandkosten noch was zum Essen.
Dass er keine Lust hat das 16,90-Sale Einstecktuch, an dem er vermutlich eh nichts mehr oder kaum was verdient, für die reinen Portokosten zu verschicken, kann ich ehrlich gesagt verstehen.
Ich rege mich auch gerne mal emotional über sowas auf, aber mit etwas Abstand sind 10 EUR erstens zwar teuer aber noch im Rahmen (Ware raussuchen, Paket packen, adressieren und frankieren kostet bestimmt 5-10 Minuten - in diesem Fall vermutlich nicht im Fullfilment Center mit Billigstarbeitskräften -, etwas Verpackungsmaterial, einen Umschlag oder Karton, der bei ihm auch kein Polsterkuvert aus dem 100er Pack von Rudi's Restrampe sein wird, da sind 5 EUR schnell beieinander) und zweitens wenn es nur unter 50 EUR Warenwert anfällt, schon sehr nachvollziehbar.