Drückt Ihr Euch im normalen Leben auch so aus oder nur hier ?
Wenn ja, verstehen euch Eure Mitmenschen auf Anhieb oder erst nach mehrfacher Wiederholung ?
Ja, und in der Analysephase im Rahmen einer Projektanbahnung erwarten meine Mitmenschen geradezu von mir, dass ich komplexe Zusammenhänge kompliziert ausdrücke. Wenn jeder dächte, es wäre alles ganz einfach, was ich denke und tue, würde mich ja keiner mehr angemessen bezahlen.
Da habe ich Dich irgendwie anders in Erinnerung. Da gabs doch eine Diskussion inwieweit es plausibel ist dass in 10.000 Jahren bekleideter Menschheitsgeschichte ausgerechnet in den Jahren 1925-1965 die Menschen die ästhetische Perfektion entdeckt haben. War die Diskussion nicht mit Dir?
Das ist wahrscheinlich das, was Du daraus mitgenommen hast. @Steve: Ich muss das oben wieder zurücknehmen, meine Mitmenschen verstehen mich doch nicht.
Ohne Historiker zu sein, aber die Kleidung des Barock macht auf mich durchaus den Eindruck einer sehr komplexen Ästhetik. Beispielsweise. Und frag mal die Goths, die sind auch der Ansicht dass sie eine sehr komplexe, ästhetisch begründete Bekleidungswahl haben.
Für die Goths ist das mMn eher ein Erkennungszeichen im Sinne eines gemeinsamen Lebensstils. So weit sind wir sartorial zum Glück noch nicht gesunken, dass die Kleidung nur noch Signalfunktion hat. Darüber hinaus bin ich auch kein Textilhistoriker, sondern lebe im Hier und Jetzt, Barock ist heutzutage wie die Toga - außer für Reenactment-Fans - keine zeitgenössische Alternative.
Das Missverständnis sehe ich nicht. Über das "vor allem" kann man möglicherweise diskutieren, aber das "Kleider machen Leute" hat schon seinen handfesten Hintergrund. Und sei es durch mehrheitliche Assoziation: Man sieht mehr Leute in sartorialer Kleidung (oder dem was der gemeine Mann als solche wahrnimmt) mit einem gehobenen sozalen Status als Bierkutscher in solcher Kleidung. Daher landet jemand mit Anzug erstmal in der Schublade gehobenen Statuses.
Wahrnehmung und Wahrheit sind ja zwei verschiedene Dinge, denn um sie zusammenzubringen braucht man ein Verständnis für die Hintergründe. Ein Anzug ist erst mal nur ein Kleidungsstück, so neutral wie jedes andere. Warum sollte es nur jemand tragen, der einen gehobenen sozialen Status hat? Erhältlich ist es doch ganz demokratisch für jeden. Der Vorgang der Bewertung eines Anzugträgers im Betrachter ist also schon ein interpretativer. Anders herum muss man sich fragen, warum jemand mit höherem sozialen Status Anzug trägt und jemand mit niedrigerem Status das bewusst ablehnt. Durch ein höheres respektive niedrigeres Maß an Peer-Gruppendruck?
Und wo ist da die Grenze? Beim Türsteher?
Sozial aufgeladener ist sartoriale Kleidung nicht wegen ihrer Machart oder wegen ihrer Träger, sondern nur durch diffuse Vorurteile von Leuten einer unterkomplexen Denkart, denn Anzüge und Kombinationen gibt es für jedwedes Formalitätsniveau oberhalb von Sweatpants, Tweed ist sogar eine überaus bäuerlich/ländlich konnotierte Variante. Neutraler und more gentleman-like ausgedrückt bedeutet das "Missverständnis".
Natürlich ist das schlimm wie jedes Vorurteil. Es grenzt auf subtile Weise die persönliche Freiheit ein. Schüchterne Menschen mit weniger ausgeprägtem Selbstwertgefühl, insbesondere auch jüngere, fühlen sich dadurch verunsichert und versuchen sich ohne Not zurückzunehmen, um sich ja nicht bohrenden Nachfragen ihrer Bekannten auszusetzen, obwohl sie hier genauso interessiert sind. Ich weiß, das ist weder Dein noch mein Problem, aber doch genau die Quelle aller Overdressed-Diskussionen hier und damit ein zentraler roter Faden des Forums. Was nützt denn jede Diskussion, welche EST-/Krawattenfarbkombinationen zum blauen Anzug funktionieren, wenn die Kombi dann aus Furcht vor impliziter Ausgrenzung nur zum schnellen, versteckten WTIH-Foto auf dem heimischen Balkon oder als Tumblr-Fotostrecke vor irgendeinem Ausflugsschloss getragen wird, aber nicht im alltäglichen Leben?