"I don't need a tie for gravitas"

Ist halt ein weiterer Anhaltspunkt für meine Theorie, dass nicht-sartoriale Kleidung sich immer nur als Antithese zur sartorialen Kleidung definiert. Leben und leben lassen funktioniert halt einfach nicht in dieser Richtung, es ist im Vergleich immer ein meist unausgesprochener, manchmal verbitterter und immer unterschwellig moralisierender Vorwurf gegen klassische Herrenbekleidung damit verbunden. In diesem Fall müssen Nichtkrawattenträger einfach die besseren Menschen sein, uneitler, resistenter gegen Statusdenken, freiheitsliebender, moderner, witzigerweise am Ende sogar toleranter. Richard Branson ist offenbar ein tolles Beispiel für die letzte Eigenschaft. :)

Ansonsten sei auf meine Signatur verwiesen, die alle Fragen zum Thema Krawattentragen beantwortet. ;)
 
Ist halt ein weiterer Anhaltspunkt für meine Theorie, dass nicht-sartoriale Kleidung sich immer nur als Antithese zur sartorialen Kleidung definiert. Leben und leben lassen funktioniert halt einfach nicht in dieser Richtung,


Ergebnis eines gut vierzigjährigen Eigenexperimentes dazu: Quatsch mit Soße, Kleidung habe ich nicht definiert sondern getragen. Dabei knapp die Hälfte in Branchen wo leben und leben lassen der Normalzustand war/ist: wo es keine Socke interessiert was man anhat. So schwer es zu akzeptieren sein mag: es gibt Leute denen nicht nur wurscht ist was sie selber anhaben, sondern auch was andere anhaben. Denen Kleidung genau soviel bedeutet wie mir die Ergebnisse der Fussballdorfliga eines kleinen Dorfes in den östlichen Karpaten.
 
Ergebnis eines gut vierzigjährigen Eigenexperimentes dazu: Quatsch mit Soße, Kleidung habe ich nicht definiert sondern getragen. Dabei knapp die Hälfte in Branchen wo leben und leben lassen der Normalzustand war/ist: wo es keine Socke interessiert was man anhat. So schwer es zu akzeptieren sein mag: es gibt Leute denen nicht nur wurscht ist was sie selber anhaben, sondern auch was andere anhaben. Denen Kleidung genau soviel bedeutet wie mir die Ergebnisse der Fussballdorfliga eines kleinen Dorfes in den östlichen Karpaten.
Deine Erfahrungen in allen Ehren, aber der obige Artikel hat sich ja nicht selbst geschrieben. :) Da hat sich jemand in der Times nicht entblödet, sich von der angeblich automatisch vorauszusetzenden Tumb- und Aufgeblasenheit von Schlipsträgern zu distanzieren.

Es gibt eine gesellschaftliche Tendenz nicht nur gegen den Anzug samt seiner Accessoires, sondern auch gegen dessen Träger, den man aus historischen Gründen des Konservativismus in all seinen negativen Ausprägungen verdächtigt. Kompletter Blödsinn, ja, aber leider offensichtlich Realität.

Kleines persönliches Beispiel von vor zwei Wochen: Ich und Frau beim 60.(!) Geburtstag meines Schwagers. Ich in Kombination mit dunkelgrünem Tweed-Sakko, Wool Challis Krawatte, EST, Flanellhose, war halt abends schon etwas kühl. Lehrerin aus Freundeskreis des Schwagers, liebe, intelligente, sportliche Frau, in einer Art Hausanzug unterwegs, ebenfalls nahe 60, kommt im Gespräch mit Blick auf meine Krawatte nicht umhin zu bemerken, dass wir doch alle 1968 erlebt hätten und daraus gelernt haben sollten. :eek: ;) Immerhin konnte ich sie davon überzeugen, dass mein Sakkostoff exorbitant weich ist, so dass man so was wirklich aus Überzeugung tragen kann. Natürlich waren da noch 40 andere Leute, die nichts gesagt haben. Aber das heißt nicht, dass sie nichts dagegen zu sagen gehabt hätten, die meisten Menschen haben nur eine gewisse Abneigung dagegen, direkte Konfliktsituationen zu provozieren, wenn es nicht unbedingt sein muss. Und das war jetzt nicht im Ruhrgebiet, sondern in einer der gutsituierten Städte des Westfälischen Friedens. :)

Natürlich geht mir das am Allerwertesten vorbei, ich bin alt genug, um zu tun, was ich tun will, aber man muss schon extrem wenig empathisch sein (oder wenig unter Menschen ;)), wenn man nicht merkt, dass sich viele Leute - insbesondere bei explizit freizeitlich geprägten Gelegenheiten - beim Anblick eines sartorialen Outfits auf ihren nicht vorhandenen Schlips getreten fühlen, weil es für sie für etwas steht, von dem sie glauben, dass sie dagegen sein müssen. :D
 
Das ist eben der Witz beim Pseudo-Nonkonformismus. Jeder vertritt ihn und gleichzeitig tut jeder so, als wäre das eine besonders individuelle Einstellung.

Ich als jemand, der alle Einstellungen auch wirklich vertritt, die gemeinhin mit dem Anzug verbunden werden, habe mit diesen Assoziationen keine Probleme. Was ich aber anstrengend finde, sind bewusst abschätzig gestellte Fragen wie "Gehst Du heute noch irgendwo hin?" oder Pöbelei abends in Kneipen, wobei man in ein Gespräch über Barney Stinson verwickelt wird. :(
 
"I don't need a tie for gravitas"

Deine Erfahrungen in allen Ehren, aber der obige Artikel hat sich ja nicht selbst geschrieben. :) Da hat sich jemand in der Times nicht entblödet, sich von der angeblich automatisch vorauszusetzenden Tumb- und Aufgeblasenheit von Schlipsträgern zu distanzieren.

Ich bezweifle ja nicht dass das so ist, ich spreche dem nur ab dass das immer der Fall ist (sonst wäre ein einzelnes von mir aufgeführtes Gegenbeispiel zur Widerlegung ja sinnlos). Ich halte diese Wahrnehmung für mild paranoid, da sie meiner Erfahrung massiv widerspricht. Was für Dich die absolute Regel zu sein scheint ist für mich vereinzelte Ausnahme. Ja, das kann mit meiner Empathie zu tun haben, das will ich gar nicht bestreiten.



Es gibt eine gesellschaftliche Tendenz nicht nur gegen den Anzug samt seiner Accessoires, sondern auch gegen dessen Träger, den man aus historischen Gründen des Konservativismus in all seinen negativen Ausprägungen verdächtigt. Kompletter Blödsinn, ja, aber leider offensichtlich Realität.


Oh, dass das kein kompletter Blödsinn ist hat JOG ja gerade bestätigt, kann also höchstens "im allgemeinen Blödsinn" sein.
 
Dass Du offenkundig nicht konservativ bist, hast Du ja hiermit bewiesen. Korrekt hätte das obige ja "Meine Frau und ich..." lauten müssen ...

Kanne!
Ich seh' schon, Du bist zum Kern der Aussage vorgedrungen. Du hättest noch darauf hinweisen müssen, dass ich in diesem Fall nicht mal ganze Sätze bilden kann. :)

Ich bezweifle ja nicht dass das so ist, ich spreche dem nur ab dass das immer der Fall ist (sonst wäre ein einzelnes von mir aufgeführtes Gegenbeispiel zur Widerlegung ja sinnlos). Ich halte diese Wahrnehmung für mild paranoid, da sie meiner Erfahrung massiv widerspricht. Was für Dich die absolute Regel zu sein scheint ist für mich vereinzelte Ausnahme. Ja, das kann mit meiner Empathie zu tun haben, das will ich gar nicht bestreiten.
Man muss da unterscheiden zwischen Einstellung und aktiver Äußerung der Einstellung. Leute wie die Freundin meines Schwagers und der besagte Times-Autor geht das halt aus persönlicher Überzeugung und einer gewissen ausgeprägten Streitbarkeit so an, dass sie unbedingt ihr Missfallen offen ausdrücken müssen. Die meisten Leute teilen in unterschiedlicher, diffuser Graduierung diese Einstellung, es wäre ihnen aber nicht wichtig genug, den Träger darauf anzusprechen. Letzteres interpretierst Du offenbar als eine Form stillschweigender Zustimmung, das ist unser Unterschied. ;)

Es ist für mich eine absolute Ausnahme, dass mich jemand aktiv darauf anspricht, warum ich denn diesen konservativen Nonsens trage. :) Aber das bedeutet nicht, dass sie das nicht denken würden, es gibt ja auch noch so was wie nonverbale Kommunikation. ;)

Im beruflichen Leben bewege ich mich als Mittler zwischen IT und internen Kunden. So einfach die Kleidung bei ersteren sein mag, bei letzteren ist Anzug mit Krawatte (auch in akzeptabler Fotm :)) ein nicht durchgängig vorhandener, aber absolut üblicher Kleidungsstil. Aber das ist ja nur eine geschlossene Enklave, die mit dem Leben außerhalb wenig zu tun hat. Natürlich bringt mir meine Kleidung da Vorteile, das würde ich nie bestreiten. Aber auch da hat das ja damit zu tun, dass man diese Form der Kleidung unterschwellig mit konservativen Eigenschaften verbindet, die in dieser Enklave (mindestens in meiner Rolle) immer noch überwiegend positiv bewertet sind.
 
Man muss da unterscheiden zwischen Einstellung und aktiver Äußerung der Einstellung. Leute wie die Freundin meines Schwagers und der besagte Times-Autor geht das halt aus persönlicher Überzeugung und einer gewissen ausgeprägten Streitbarkeit so an, dass sie unbedingt ihr Missfallen offen ausdrücken müssen. Die meisten Leute teilen in unterschiedlicher, diffuser Graduierung diese Einstellung, es wäre ihnen aber nicht wichtig genug, den Träger darauf anzusprechen. Letzteres interpretierst Du offenbar als eine Form stillschweigender Zustimmung, das ist unser Unterschied. ;)


Nein, nicht Zustimmung. Gleichgültigkeit.

Du interpretierst augenscheinliche Gleichgültigkeit als Ablehnung, ich interpretiere sie als Gleichgültigkeit.

Tatsächlich nimmt nicht jeder Klamotten so wichtig wie der durchschnittliche Forist, ich behaupte: den meisten ist das schlicht egal. Aber erzähl mal im Mercedesforum dass es Leute gibt denen Autos egal sind, die irgendwas fahren und auch bei anderen schlicht nicht wahrnehmen was das für ein Auto ist.
 
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