Einstecktücher in der Politik

Hach ja, der böse Zeitgeist.
Was hier ganz sicher viele nicht hören wollen. Die Mode tickt heute nun mal anders. Jaja, für viele ganz furchtbar- hat so mancher junger Junge sich doch den einzig richtigen Stil aus irgendeinem Ratgeber erst grad zu eigen gemacht- und für mich selbst auch oft furchtbar, denn ich mag Krawatten. Ich mag auch Einstecktücher. Doch grundsätzlich, was die letzten 80 Jahre richtig war, wird garantiert nicht nochmal 80 Jahre richtig bleiben. Ohne Krawatte, ohne Socken, ohne Einstecktuch ...es wird sich verändern. Es hat sich verändert. Weil es sich schon immer geändert hat.
Ich mag es, wenn ich für mein Empfinden gut gekleidete Politiker sehe!
Aber mir wäre lieber wenn die Herren all ihre Energie auf ihr Tagesgeschäft lenken. Da scheint es nämlich schlimmer auszuseheh, als in ihrem Kleiderschrank :D
 
Zuerst einmal vielen Dank, waren ja schon viele interessante Informationen dabei.

proteus, klasse Text! :)

Das politische Themen heikel sind, sollte klar sein, hat bis hier aber ja schon ganz gut funktioniert! Habe schlimmeres befürchtet.

Zu dem kleinen Fauxpas mit den "Herrenländern", gemeint waren natürlich aller Herren Länder.
Scheint aber garnicht so falsch gewesen zu sein, denn in der Tat scheint die "dritte Welt" noch Gefallen am EST zu haben.
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/bb/Denis_Sassou_Nguesso_2014.png
Der amtierende Präsident der Republik Kongo, Denis Sassou-Nguesso.
Muss sich aber auch keine Sorgen um die Gunst der Wähler machen. :rolleyes:

Das deutsche Politiker angesichts der Neidgesellschaft so agieren, hat mich eigentlich kaum verwundert, eher der kometenhafte Aufstieg eines Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg, immerhin drang ihm die Aristokratie ja aus jeder Pore, wie der Name schon vermuten lässt.
Ob nun rechtmäßig gestürzt oder nicht, sei Thema einer anderen Diskussion, nicht zu leugnen scheint mir aber, dass er das absolute Gegenteil dessen war, was scheinbar der Wählergunst entspricht, und dennoch war er, eben auch vorallem bei den jungen Leuten, derartig beliebt.
Nun trug auch er scheinbar nur selten ein EST, es stellt sich aber die Frage, ob gut gekleidete Politiker in Deutschland wirklich so verpöhnt sind.

Viel mehr hat mich jedoch schockiert, dass das Einstecktuch auch in anderen Ländern bei Politikern verpöhnt zu sein scheint.
Die amerikanische Gesellschaft gilt doch eigentlich als extrem Erfolgsanerkennend, dennoch finde ich kaum Bilder von Obama mit EST.
Nungut, er ist Demokrat, aber auch schon sein Vorgänger Bush, trug bei Fernsehansprachen keines. Seine republikanische Wählerschaft wird jedoch kaum als Proleteriat bezeichnet werden wollen.

Noch viel schockierender ist aber, dass die Staatsführer der Nationen für Herrenmode schlechthin, auch kein EST tragen.
Matteo Renzi und bis vor Kurzem eben David Cameron.
Der Italiener wird doch wohl kaum Vorbehalte gegen gute Kleidung haben.
Berlusconi trug sicher immer die teuersten Anzüge, aber auch er oft/meist ohne EST.
Die Engländer sind doch sonst so Traditionsbewust.
Ihre Royals lieben sie auch mit Einstecktuch.

Daher bleibt die Frage, warum in der gesamten westlichen Politik das EST so verpöhnt ist. Die einfache mir selbst gegebene Antwort aus dem Eingangspost mag auf Deutschland zutreffen, aber als generelle Lösung erscheint sie mir zu schwach.

MfG Christian
 
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Also das es im Nationalsozialismus oder auch nur danach einen nennenswerten "Elitenbruch" gegeben hätte, ist nicht der Fall bzw. ist schon ordentliche Geschichtsklitterung. Das Gegenteil ist zutreffend, der ganz überwiegende Teil der Eliten hat beide Male (Nazis+US-Demokratie) begeisterungsstürmend mit gemacht.

E. Noch zum Thema, das ist nicht Politik-spezifisch und sollte es auch nicht sein. Vor allem nicht das bunte Vollprogram an ESTs.
 
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@Christian

Wie kommst du auf "verpöhnt" ?

Vielleicht kannst du dich ja mit einem anderen Gedanken anfreunden.
Ich versuche quasi täglich meine Kunden dazu zu bewegen Einstecktuch zu tragen. Mir entgegnet da eher eine neutrale "nö brauch ich nicht" Einstellung.
Also weniger verpöhnt als gleichgültig.

Klar, manchmal höre ich sowas wie "ach ich mag es nicht wenn es so affig da rausblustert" ...damit kann ich dann arbeiten, und zeige gern Faltarten die wenig bis überhaupt nicht auffallen- und bringe sie dann zurück zum Tuch :)

"Neulinge" versuche ich mit uni weiß oder gar Ton in Ton (jaja ich weiß!) zum Tuch heranzuführen, das klappt auch meistens. Auch das Thema, wenn schon keine Krawatte, dann aber bitte mit Einstecktuch! Ist seit Jahren Standard.

Ich wünschte mir einen gelasseneren Umgang mit dem Thema. Viele sind da be- und gefangen in ihrer Vorstellung was richtig ist und muss ...ich selbst bin da eher ein Verfechter von alles kann nichts muss- hauptsache Kleidung mach Freude!
 
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Auf den Ausdruck "verpöhnt" bin ich gekommen, da es in der Politik keine Alternative zu geben scheint.

Nicht wie man es vielleicht erwarten würde, dass ein Teil ein EST trägt und die Anderen eben nicht, sondern es scheint wirklich Niemand im Politzirkus soetwas zu tragen, und dann scheint es nach meinem Verständnis einen übergeordneten Grund zu geben, warum alle samt darauf verzichten.

Unter Kennern dieser höhren Ursache gilt es daher vermutlich als verpöhnt ein solches Einstecktuch zu verwenden.

Zumal ja einige Politiker über Imageberater verfügen, welche sich sicherlich Gedanken darum gemacht haben: Einstecktuch, ja oder nein und Parteiübergreifend zu dem Schluss gekommen sind. NEIN!

MfG Christian
 
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Nachdem ich das nun alles gelesenen habe, bin auch ich vom Untergang des Abendlandes überzeugt. Bisher hatte ich noch Hoffnung, aber jetzt, wo ich erkannt habe, welche Bedeutung das Einstecktuch für den Erhalt unserer Kultur und unseres Wertesystems hat(te), bin ich am Boden zerstört. Vor allem weil mir (erst) jetzt bewusst wurde, dass ich selbst es hätte verhindern können, hätte ich nur etwas mehr missionarischen Eifer entwickelt und mein Umfeld zum EST bekehrt. Die Zeugen Jehovas wären Waisenknaben, im Vergleich zu meiner missionarischen Durchschlagskraft...
 
Also das es im Nationalsozialismus oder auch nur danach einen nennenswerten "Elitenbruch" gegeben hätte, ist nicht der Fall bzw. ist schon ordentliche Geschichtsklitterung. Das Gegenteil ist zutreffend, der ganz überwiegende Teil der Eliten hat beide Male (Nazis+US-Demokratie) begeisterungsstürmend mit gemacht.

E. Noch zum Thema, das ist nicht Politik-spezifisch und sollte es auch nicht sein. Vor allem nicht das bunte Vollprogram an ESTs.

Ich interpretiere den Beitrag von proteus so, dass er sich auf die kulturellen Eliten bezieht. So interpretiert finde ich seine Aussage sehr plausibel.
 
Verstehe ich nicht. Von welchen "kulturellen Eliten" ist denn da die Rede bzw. wer/was ist gemeint bzw. welche Funktionen?
 
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In Nazideutschland (und später in der Bundesrepublik) wurde die Massenkultur eben nicht mehr durch den Adel dominiert und auch das Großbürgertum hatte zunehmend weniger Einfluss. Stattdessen wurde die egalitäre Volksgemeinschaft propagiert.
Ähnlich war es übrigens in der Sowjetunion, wo etwa die Kunst nur noch den einfachen Arbeiter darstellen durfte.
 
Darf man nach der Branche fragen?

Und die Argumentation ist mir nicht ganz zugänglich - auf was wolltest du hier genau hinaus?

Dafür sind einige schöne modische Business-Vokabeln darüber gestreut! ;-)

Der Verzicht vieler Politiker auf die hier angesprochenen Einstecktücher sollte meines Erachtens als Assimilation an bestehende Verhältnisse zu sehen sein. Dieser Prozess wird in den meisten Fällen sogar unbewusst erfolgen, zuweilen aber auch aufgrund von Analysen. Dies trifft im Allgemeinen wie im Besonderen zu. In dem Maße, in welchem sich eine auf ein politisches Amt bewerbende Person seinem Klientel (hier bekleidungstechnisch) bis zu einem gewissen Punkt annähert, wird dieses seine Annäherung auch goutieren. Kurz, der Politiker macht sich symbolisch mit seinem Wahlvolk gemein, was ihm bei diesem einen Sympathiebonus einbringt und damit seine Wahlwahrscheinlichkeit erhöht. Dieses Verhalten ist ubiquitär, allgegenwärtig. Wer unter Säuen anerkannt sein will, muss sich zuweilen auch wie solche benehmen. Die überwiegende Mehrheit der Menschen handelt nicht nur in dieser Frage zumeist instinktiv richtig. Es sei denn, man reitet gerne, wie es @güntherkastenfrosch zuletzt so treffend anmerkte, als einsamer Cowboy in den Sonnenuntergang.

Ähnlich agieren wir als Unternehmen, denn, kann unser Kunde sich mit uns identifizieren, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Auftragsvergabe. Kleidung ist hierbei ein wichtiges Merkmal, sie hat ihre Konnotation, die eben durch die Mehrheit der Menschen eines Kulturkreises bestimmt wird. Und eben nicht durch eine Minderheit, das sei angemerkt, einer Nische. Und so ist es naheliegend, fragt man sich in einem Unternehmen, wie generiert man eine positive Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. So stellten wir uns die Frage: Welchen Einfluss hat die tradierte Geschäftsbekleidung, insbesondere der Anzug, auf die Einschätzung unser Fähigkeiten durch den potentiellen Kunden, welche Wirkung erzielt sie? Dazu nahmen wir eine subjektive Einschätzung innerhalb der GF vor, fragten die Sozialwissenschaften, zogen Psychologen zurate und trafen folglich unsere Entscheidung. Interessant dabei ist, dass unsere Einschätzung in dieser Hinsicht mit der anderer Unternehmen deckungsgleich zu sein scheint.

Unsere Branche: Immobilienwirtschaft

Nebenbei, ich meine es war Hugo, der sagt: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Nun, die Idee des Geschäftsanzugs samt Einstecktuch scheint mir ihre Zeit gehabt zu haben. Alternde Männer wie ich mögen dies bedauern, die jüngeren hingegen werde sie kaum vermissen.
 
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