Dresscode in Oper, Konzerthaus, Theater?

Insofern sollte ich mich doch erstmal fragen, was ich überhaupt erwarte. Erwarte ich "dunkle Anzüge", die dann wahrscheinlich aus dem Büroalltagsschrank genommen werden? Erwarte ich hochwertige Kleidung? Erwarte ich, dass alle Krawatte tragen? Erwarte ich irgendwas Ästhetisches, was auch immer das ist?

Ich erwarte ein Opern Cape ! :)

Habe ich am Wochenende in Berlin gesehen, allerdings über einer Kombination und nicht zu einem Smoking/Anzug. Das Cape hat dann natürlich aufgrund seiner Funktion und Einzigartigkeit diesen Mangel geheilt, den strenge Sartorialisten bestimmt gleich festgestellt hätten.

Ansonsten kannte ich das Cape nur von den selbstdarstellerischen Auftritten eines Theater-Abonnenten einer norddeutschen Stadt, dessen Theatralik und Gestik bei Ankunft, Pausentee und Abfahrt durch das rotgefütterte Cape eine zusätzliche optische Komponente bzw. Steigerung erhalten...:rolleyes:
 
Der Niedergang "festlicher" Kleidung hat für mich auch damit zu tun, dass diese "festlichen" Anlässe viel von ihrer Funktion verloren haben, die darin lag, dass man beim Fest auch Höhergestellten begegnet. Wenn man die Queen oder den Papst besucht, tut man das nicht im Jogginganzug. Die höhergestellten zeigen traditionell ihre Stellung durch einen entsprechenden Dresscode und an einem Fest hat man dann Teil daran. Unter gleichen (im Gasthaus :) trägt man dann eher Alltagskleidung. Hochzeit fällt da etwas raus, aber wenn man das religiös sieht (Bund vor Gott), ist das auch ein wesentliches Element für festliche Kleidung.

Ein anderes Beispiel sind akademische Abschlussfeiern und die Talare. Auch wenn sie vereinzelt als "schöne Tradition" wieder eingeführt werden, waren sie doch lange verpönt, da der Talar nach außen die höhere Stellung der Professoren darstellt. In dem Maße, in dem die Professoren Hierarchie nicht mehr durch Kleidung ausdrücken (dürfen?), sinkt wieder der Antrieb, durch respektvolle Angleichung sich unter- aber auch einzuordnen.

Mit der abnehmenden Bedeutung der Hierarchien und dementsprechend der fehlenden Notwendigkeit, Hierarchie durch Kleidung auszudrücken, egalisiert sich Kleidung immer mehr auf den kleinsten Nenner ("interessiert eh keinen"). Reste des hierarchischen Denkens bleiben dann halt im Büro und seinen Machthierarchien ("Rolex erst ab Partner" :rolleyes:).
 
Reste des hierarchischen Denkens bleiben dann halt im Büro und seinen Machthierarchien ("Rolex erst ab Partner" :rolleyes:).
Also ich bin eher der Ansicht, dass ein "hierarchisches Denken" bzw. die damit einhergehenden (Wunsch-)Vorstellungen sehr wohl in der Öffentlichkeit einen breiten Raum einnehmen, der bspw. mit Accessoires (Smartphone, Signature-Tasche und sichtbare Labels, Autorassen & Hundemarken...) und Treffpunkten (Lokale, Stadtteile, Kulturräume) schon sozusagen signalhaft codiert wird und gewisse "Notwendigkeiten" ausdrückt ?
 
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Das Problem bei Kleidung ist halt, dass speziell in Deutschland alles sehr stark an der Oberfläche festgemacht wird ("ich will diese Kleidung nicht tragen, sie ist nicht bequem, zu warm, zu kalt, zu unbeweglich"), aber eigentlich tiefe soziale Ressentiments berührt ("mit dieser Kleidung sehe ich aus wie ein Opa/Politiker/Banker", "kleidungsinteressiert = eitel = dumm = arrogant = unproduktiv = ineffizient = spießig"), so dass man meist nur vorgeschobene Ausreden thematisiert, statt die tatsächlichen Ursachen, die Folge gesellschaftlicher Entwicklungen sind, die Du schon selbst erwähnt hast (Selbstverwirklichung des Einzelnen bis in infantile Kontexte hinein > soziale Kontrolle einer übergeordneten Gruppe).

Auch hier im Forum gäbe es eine Reihe von Kleidungsstücken, die niemand tragen würde, weil er darin aussieht wie ein (...)*. Niemand ist frei von diesen "sozialen Ressentiments", es sind hier lediglich andere. Dies schreibe ich nicht zur Verteidigung des "kleinen, schlecht gekleideten Mannes da draußen", sondern nur zur Einordnung des Arguments. Die meisten hier im Forum wollen aussehen wie Briten oder Italiener, damit das Flair dieser Nationen oder berühmter Vertreter ihres Stils auf sie abfärben möge. Ich nehme mich selbst da bewusst nicht aus.

Kleidung getrennt von denen zu diskutieren, die sie tragen, ist kaum möglich. Als objektiv "richtiges" Kleidungsstück könnte sich zum Beispiel der Blaumann herausstellen, aber den trägt hier niemand. In der Oper erst recht nicht.

*Bitte frei einsetzen: Lothar Matthäus, Joachim Löw, Dieter Bohlen, Sigmar Gabriel, Joschka Fischer...
 
Wenn die Menschen sich mehr Gedanken um ihr Äusseres machten, trügen sie auch öfter angemessene Kleidung und würden sich in dieser irgendwann wohlfühlen/sicher in ihr auftreten.

Da irrst Du. Denk nur an all die Tattooträger, z.B. aktuell sehr beliebt Namen und Datum, entweder des Zuhälters (mit Kaufdatum) oder der eigenen Kinder, wer weiß das oft. Die haben sich alle gewiss viele Gedanken um ihr Äußeres gemacht. Angemessener kleiden tun die sich trotzdem meißt nicht.
 
Auch hier im Forum gäbe es eine Reihe von Kleidungsstücken, die niemand tragen würde, weil er darin aussieht wie ein (...)*.
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*Bitte frei einsetzen: Lothar Matthäus, Joachim Löw, Dieter Bohlen, Sigmar Gabriel, Joschka Fischer...
Da hast Du absolut recht. Z.B. Anzüge tragen doch insbesondere regelmäßig eher die wenigsten. "Ich will doch nicht aussehen wie der bluesman!" :eek: :D ;)
 
Wenn man die Queen oder den Papst besucht, tut man das nicht im Jogginganzug.

Nun ja, Jogginganzug gerade nicht, aber zumindest beim Papst halten sich kleidungstechnisch inzwischen auch immer weniger Menschen an das Protokoll (dunkler Anzug und (insbesondere) Krawatte für die Herren).


Ich erwarte ein Opern Cape ! :)

Schau mal ein bisschen zurück in den Maßprojekte-Faden ;)

Ich habe übrigens vor ein paar Tagen eben ein solches im Fenster eines gehobeneren römischen Herrenausstatters in der Via del Babuino gesehen. Schaun wir mal, vielleicht wird es ja wieder zum Trend...
 
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