Downsizing

Ja, aber das ist doch der Kernpunkt: Was ist an Bescheidenheit toll, die andere nicht mal bemerken? Dann wird es doch vom externem "Benehmen" zum reinen Kopfprodukt. Du würdest es doch offenbar auch nicht unpassend finden, ein kostspieliges Bio-Lebensmittel in Anwesenheit anderer zu essen, das andere für sich viel zu teuer fänden. Beim Anzug trägst Du ein hochwertiges Produkt, das mehr erhaltenswerte Wertschöpfung mit einer Vielzahl von diesbezüglichen Arbeitsplätzen beinhaltet. Wäre der Verlust dieser gesellschaftlichen Qualitäten nebst ganz konkreten Arbeitsplätzen nicht viel eher unethisch?

Ich sehe das bei Dir eher so: Schuldgefühl => Unpassend finden. Einen externen Reiz dafür hast Du ja nicht, Du findest offenbar nur selbst, dass Du nicht das moralische Recht hast, Dich teurer (und substanziell besser, nachhaltiger) zu kleiden als andere. Warum ist das so und warum nur auf Kleidung bezogen? Gibt es da einen "religiösen" Hintergrund, dass Dekoration am eigenen Körper generell böse ist?

Moralisch oder ethisch finde ich das alles völlig unproblematisch. Aus meiner Sicht hat Jeder das recht sich so zu kleiden wie er möchte. Religiös bin ich 'nur' im pantheistischen Sinn.

Ich denke das ist eine Altersfrage, Ende 30 war ich in solchen Sachen noch anders eingestellt. In anderen Bereichen regele ich die Sachen ja ähnlich. Wenn ich heute einen 911 sehe, ich versichere Dir, kein Verlangen mehr da rein zu steigen und loszulegen. Ich sehe nur noch ein unzweckmässiges kleines Auto mit fraglicher Konstruktion und hohem Verbrauch. Ich hatte mal einen, wie auch ein Z3 M-Coupe und einen Elise.

Entsprechend nüchtern ist meine Einstellung in Sachen Kleidung geworden: Ich bin gut gekleidet aber nicht als Selbstzweck. Der Schneider soll lieber weniger Arbeiten ich brauche keinen Anzug, der ausgeformt ist wie eine Ritterrüstung. Deswegen möchte ich auch faire Preise und kein Schnäppchen aus einer Mischkalkulation. Ich bekomme alle 15 Monate ein neues Händi. Wo für? In meinem Fach liegen jeden Tag 2 Kilo bunt gedrucktes Papier. Jeden Tag. Was soll das? Zuhause schmeißen wir soviel Lebensmittel weg, daß davon locker Jemand leben könnte und nicht mal schlecht. In unserem Keller stapeln sich die Kinderklamotten in grossen IKEA Boxen zwei mal bis zur Decke. Und dasselbe mit unnützem Plastikspielzeug. Ich habe keine Lust mehr, mehr zu nehmen als notwendig.


HG
 
Ich denke das ist eine Altersfrage, Ende 30 war ich in solchen Sachen noch anders eingestellt. In anderen Bereichen regele ich die Sachen ja ähnlich. Wenn ich heute einen 911 sehe, ich versichere Dir, kein Verlangen mehr da rein zu steigen und loszulegen. Ich sehe nur noch ein unzweckmässiges kleines Auto mit fraglicher Konstruktion und hohem Verbrauch. Ich hatte mal einen, wie auch ein Z3 M-Coupe und einen Elise.

Entsprechend nüchtern ist meine Einstellung in Sachen Kleidung geworden: Ich bin gut gekleidet aber nicht als Selbstzweck. Der Schneider soll lieber weniger Arbeiten ich brauche keinen Anzug, der ausgeformt ist wie eine Ritterrüstung. Deswegen möchte ich auch faire Preise und kein Schnäppchen aus einer Mischkalkulation. Ich bekomme alle 15 Monate ein neues Händi. Wo für? In meinem Fach liegen jeden Tag 2 Kilo bunt gedrucktes Papier. Jeden Tag. Was soll das? Zuhause schmeißen wir soviel Lebensmittel weg, daß davon locker Jemand leben könnte und nicht mal schlecht. In unserem Keller stapeln sich die Kinderklamotten in grossen IKEA Boxen zwei mal bis zur Decke. Und dasselbe mit unnützem Plastikspielzeug. Ich habe keine Lust mehr, mehr zu nehmen als notwendig.
Okay, ich glaube, ich verstehe Dich, auch wenn ich Deine Anschauung nicht teile. Du möchtest alles, was Du als überflüssigen Zierat erkannt hast, für Dich abschaffen. Gnadenlose Effizienz statt Hedonismus, Überleben statt überflüssigen Genuss immer und zu jeder Zeit. Dann wird es in einem Forum, dass sich dem Hedonismus verschrieben hat, natürlich erst mal nicht ganz leicht. :)

Manche Prozesse des modernen Marketings überfordern mich durchaus auch, was sich darin ausdrückt, dass ich privat ein 12 Jahres altes Handy nutze, das tatsächlich nur Telefon ist (beruflich sieht das allerdings anders aus). Meine persönliche Lösung lautet eben, dass ich in jedem Bereich, der mir wichtig ist, nur noch nachhaltige Anschaffungen mache und das gilt eben auch für Kleidung. Meine Kleidung unterscheidet sich nicht mehr zwischen Freizeit und Beruf, durchgängig Anzug abgestimmter Formalität und für alle Saisons in unterschiedlicher Ausprägung (ebenso am WE auch Kombination statt Anzug) inkl. Krawatten/EST/Schuhwerk ersparen mir Unmengen an sog. Freizeitkleidung. Ich würde das als bescheiden bezeichnen, weil durchdacht, hochwertig und auf modeunabhängige Tragedauern ausgelegt.

Um auf diese Weise Hedonismus auch als bescheidene Effizienz zu begreifen, muss man natürlich auch in dieses Kleidungsthema über die vor allem von monetären Aspekten geprägte Oberfläche tiefer einsteigen. Ich würde Dich dazu einladen, Dich hier einmal einzulesen, um zu verstehen, dass Freude am Genuss an sich nichts Überflüssiges im Leben ist, was man wegrationalisieren sollte. Es geht hier nicht um's Beeindrucken anderer, sondern am persönlichen Erleben von alltäglicher Lebensverfeinerung.
 
„Schuhe i.d.R. von Santoni“ - ok. Und dann: „Ich habe angeblich goodyear genähte Schuhe von Ludwig Görtz
in der Hand gehabt: Solche Klappergestelle kommen ganz sicher nicht in die Tüte"
Erstens sind die Schuhe der Eigenmarke tatsächlich rahmengenäht / goodyear welted) und zum zweiten sind sie sicherlich nicht fragiler als die von Santoni. Es gibt eine Menge Dinge, die Görtz-Schuhe günstiger sein lassen, aber genau das Kriterium paßt nicht.

„Ich komme gut damit klar, dass selbst meine Armbanduhr allein im Regelfall den Gesamtwert von Kleidung & Accessiores meiner Gesprächspartner übersteigt“

„Meine Auffassung ist nach wie vor: Ich fühle mich unwohl wenn mein Anzug soviel kostet wie das outfit der anderen drei, vier meeting Teilnehmer“

„Ich bemühe mich tatsächlich um Bescheidenheit. Insofern muss ich das nicht heucheln. Und ich habe keinerlei Schuldgefühle weil ich teure Kleidung besitze.“

Darf ich einmal nachhaken, warum Sie stets betonen, daß Dinge, die Sie besitzen, so viel kosten wie die Besitztümer mehrerer anderer Personen zusammen? Das paßt nicht zu einer wie auch immer bewerteten, angeblichen Bescheidenheit. Die übrigens der Eingangsthese widerspricht.

„Wenn ich heute einen 911 sehe, ich versichere Dir, kein Verlangen mehr da rein zu steigen und loszulegen. Ich sehe nur noch ein unzweckmässiges kleines Auto mit fraglicher Konstruktion und hohem Verbrauch. Ich hatte mal einen, wie auch ein Z3 M-Coupe und einen Elise. “
Hier outet sich der Eliteingenieur, der "aufdeckt", daß ein 911 nicht - wie irrtümlich von Ingenieuren und Fachmagazinen weltweit behauptet - ein technisch ganz hervorragendes Auto ist, sondern nein, es hat eine "fragliche Konstruktion".

Im Gegensatz natürlich zu den zwingend zu erwähnenden eigenen Besitztümern Elise und M3 - damit auf ja niemand auf die Idee kommt, Sie hätten sich keinen Porsche leisten können, nein, das konnten Sie locker, aber Sie wollten es zwar eigentlich erst seitdem Sie älter geworden sind nicht, aber doch irgendwie auch damals schon nie.

„Zuhause schmeißen wir soviel Lebensmittel weg, daß davon locker Jemand leben könnte und nicht mal schlecht“ - Warum tun Sie das dann?
 
Nachdem ich mir das alles hier nochmal durch Kopf habe gehen lassen, und falls der Threadersteller hier noch liest:

Armin, deine Lösung ist nur einen Schritt ins nächste Kaufhaus entfernt. Boss, Daniel Hechter und Pierre Cardin dürften das sein was du suchst. Dazu ein schönes Eterna- oder Olymphemd und der Käse ist gegessen. ;)

Aber mach dann bitte nicht irgendwann einen Thread auf, dass das deinem Anspruch nicht mehr gerecht wird und du "upsizen" möchtest und dafür um Ratschläge bittest. :D
 
Ich glaube es geht nicht um H&M, Dolce Gabbana und Eterna. Es geht darum, wie man die Sachen trägt.

Um mal bei den Autos zu bleiben, weil sich der Vergleich gerade gut anbietet:

Ich kann mir (sofern mir das Auto liegt) einen 911er kaufen, und damit durch die Gegend fahren und die Landschaft genießen, und mich freuen, wenn andere Leute mein Auto schön finden.

Ich kann mir aber auch einen 911er kaufen, ihn Pink lackieren, noch einen lauten Sportauspuff dranbauen, an jeder Ampel einen Kavaliersstart hinlegen und immer übertourig fahren, weil sich die Leute dann nach mir umdrehen.
 
Unfassbar dass mir dieser grandios sinnfreie aber ausgesprochen lustige Thread bisher entgangen ist.
Jetzt sitze ich hier am Flughafen und amüsiere mich seit 9 Seiten köstlich.
 
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