Bespoken?

Herr Mann

Member
Natürlich habe ich alles falsch gemacht. Zuerst habe ich den Stoff gekauft. Aber das musste sein. Ich habe ihn gesehen und er ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Grauer Wollflanell mit dezentem Karo in Weiß. Ich wollte einen Anzug aus dem Zeug! Also habe ich den Stoff gekauft.

Und jetzt? Nähen kann ich nicht. Bisher habe ich von der Stange gekauft. RTW nennen Sie das hier wohl. Teilweise sogar bei Ihh-Bay. Also galt es jetzt einen fähigen Schneider zu finden. Aber während vielleicht in diesem Forum ein tiefer Graben zwischen Fans der Maßschneiderei und dem „schmutzigen“ Rest klafft, ist mir das herzlich egal. Wenn von der Stange sitzt, dann sitzt es eben. Manchmal tut es das tatsächlich. Und dieser Stoff als Anzug soll sitzen.

Also mache ich mich auf die Suche. Und ich achte auf den Preis. Wenn ich mal im Lotto gewinne, kaufe ich mir einen persönlichen Maßschneider. Bis dahin entscheidet mein Kontolimit.

Nach gründlicher Internetrecherche halte ich also eine Liste von Schneidereien in der Hand. Manche sind ausgewiesene Maßschneider, manche sind einfache Änderungsschneider. Dann wird ein wenig telefoniert. Und die erste Frage ist immer die nach dem Preis. Hier mal die Ergebnisse, bewusst ohne Namensnennung:

3.300 € (Allerdings verwendet er nur die eigenen Stoffe, fällt also von vornherein raus)
1.600 €
800 €

Selbst das günstigste Angebot ist für mich kleinen Angestellten der Reklamewirtschaft schon ein steiler Berg. Doch in dem Stoffgeschäft bekam ich einen Tipp: „Fragen Sie doch mal bei den Änderungsschneidereien, die können manchmal mehr als man denkt.“ Das glaube ich gern. So mancher lernt in Osteuropa mehr, als er hier in unserer C&A-Kultur mekantilisieren kann. Ich suche also einen Änderungsschneider in meiner Nähe auf, der mir schon als sympathischer Mensch auffiel. Hier sein Preis:

400 €

Wir merken schon, er sinkt dramatisch. Aber ist die Arbeit auch ihren Preis wert? Jede Wette, das fragen Sie sich auch schon längst. Genau wie ich. Und was tut man in diesem Zweifel? Man testet. Also gehe ich wieder in dieses Stoffgeschäft und kaufe Stoff für ein Sakko. So ein wenig angelesene Ahnung habe ich ja schon: Am Sakko zeigt sich der Meister, eine Hose bekommt auch ein mittelmäßiger Schneider gemeistert. Beim Kauf eines anthrazitfarbenen Wollstoffs mit feinem Fischgrätmuster gerate ich zufälligerweise an dieselbe Verkäuferin. Erzähle von meinen Erlebnissen bisher. Ihre Meinung: „Ganz schön hoch der Preis.“ Sie hatte mir aber schon beim ersten Mal einen Namen genannt, den ich aber bei meiner Internetrecherche nicht ermitteln konnte. Das nahm sie nicht Wunder. „Der Mann ist ein Geheimtipp. Der wird eher unter der Hand gehandelt. Ich frag mal die Kollegin nach der Nummer und rufe Sie dann an.“ Das hat sie heute getan. Und ich habe den Mann heute nach seinen Preisen gefragt. Voilà:

Sakko: 85 €
Weste: 45 €
Hose: 35 €

Preise wie bei Kik und das als Handarbeit? Jetzt wird’s interessant, was? Ich habe am Dienstag einen Termin bei dem Herrn. Ich bin schon gespannt. Wer noch?
 
Wie soll das gehen? Bei 400€ könnte ich mir ja noch einen fähigen osteuropäischen Handwerker vorstellen. Aber ein Maß-Sakko zum Preis einer einzigen KFZ-Mechaniker Stunde?

Gruß Change
 
Was für einen Stoff haben Sie denn genau gekauft? Also Weberei, genaue Stoffqualität usw?

Das mit dem Änderungsschneider würde ich keinesfalls machen. Wenn Sie schon viel Geld für einen tollen Stoff ausgegeben haben wäre Quatsch, den durch eine drittklassige Arbeit einem nur kurzen Gebrauch zuzuführen.

Dann also die Frage: Soll es maßgeschneidert sein oder maßkonfektioniert? Komplett geschneidert bedeutet mindetens 3 Anproben bei denen alles perfekt angepasst wird. Da ist in DE für die Arbeitskosten mal zuallermindest mit 1500 € zu rechnen.

Die deutlich günstigere Variante ist Maßkonfektion. Hier werden Ihre Maße genommen und dann sofort der fertige Anzug (nach einem abgeänderten Standardmodell) hergestellt, danach sind noch kleine Änderungen möglich. Bei den Anbietern ist die Qualitäts- und Preisspanne groß, aber es ist wird jedenfalls VIEL billiger als Vollmaß.

Vermutlich ist als Kompromiss für Sie ein ordentlicher Maßkonfektionär am besten. Da bekommt man zu gutem Preis eine gute Arbeit.

Nachdem Sie wissen was Sie wollen, werden Sie genug Tipps hier bekommen wo hingehen :)
 
Die Preise halte ich für ein absolutes Gerücht...wie soll das machbar sein?

Ich weiß nicht genau, wieviel Arbeitsstunden für so nen Anzug drauf gehen, aber 50h dürften es wohl allemal sein...und dann soll er dafür nur 130€ in Rechnung stellen?? Never ever...ich würde trotzdem mal hingehen, und mir das persönlich ansehen, auch den Typen, dem der Laden gehört. Im Gespräch findet man ja sicher raus, worum es sich hier genau handelt.

Der Tipp von Hans Castorp mit MTM ist da schon wesentlich zielführender und lässt sich auch geldbeutelschonender umsetzen. Adressen gibt´s en masse im Forum, gleiches gilt für Meinungen hierzu :)
 
Wie soll das gehen? Bei 400€ könnte ich mir ja noch einen fähigen osteuropäischen Handwerker vorstellen. Aber ein Maß-Sakko zum Preis einer einzigen KFZ-Mechaniker Stunde?

Gruß Change

Schön, dass die Neugier auch bei Ihnen geweckt ist. Natürlich habe ich ebenfalls meine Zweifel, aber es gibt nur einen Weg, ihnen mutig zu begegnen: das erwähnte Probesakko nähen zu lassen.

Die Verkäuferin kennt seine Arbeit, hat selbst schon bei ihm nähen lassen und bewertet ihn als "sehr gründlich". Sie kennt ja auch die Herausforderung.

@HansCastorp: Vielen Dank für den Tipp, aber genau das werde ich nicht machen. Es ist der ängstliche, sichere Weg. Stellen Sie sich vor, ich suche mir jetzt einen "vernünftigen" Schneider: Ich müsste mich immer fragen, ob ich nicht doch etwas verpasst, nicht doch zuviel gezahlt, nicht doch zu wenig Vertrauen hatte.

Wir werden sehen, was passiert. Betrachten Sie das hier als öffentliches Experiment mit ungewissen Ausgang und der guten Möglichkeit des Scheiterns.

Zum Stoff kann ich nicht so viel sagen. Beschrieben habe ich ihn ja schon in meinem ersten Posting. Der graue ist von Strellson, 100 % Wolle, hat 12,90 € der Meter gekostet. Der andere für das Probesakko ebenfalls 100 % Wolle, hat ebenfalls 12,90 € der Meter gekostet.
 
Neulich gelesen: "Die wahren Propheten warten die Ereignisse ab" - vielleicht schneidert der "Geheimtip" ja aus Spaß an der Freud´und nicht zum Broterwerb. Und Herr Mann hat den Sakko-Stoff explizit für einen Testlauf erworben...Man darf also gespannt sein.:cool:

Gruß
Armin
 
Die Einstellung gefällt mir. Und das finanzielle Risiko hält sich ja auch in Grenzen.

Würde es wohl, wenn sich das Risiko der Finanzen in Grenzen hält, auch probieren. Sofern der Kontakt nett ist usw.

Shops Einwände sind allerdings auch zu bedenken. Interessant wäre, ob der Änderungsschneider selber alles fertigt oder tatsächlich irgendwo anders fertige lässt.
 
Interessanter Strang...:)

Es ist schon bemerkenswert wie weit man sinken kann. Ich meine hiermit den Preis.
Von einer berufsmäßigen Tätigkeit kann man wohl nicht sprechen. Bei 85 Euro fürs machen eines Sakkos scheiden sogar chinesische Schneider aus. Also mehr ein Hobbypreis aus Spass an der Freud. Auch vermute ich dass der Geheimtipp Schneider das Sakko fixiert verarbeitet. Handpikiert kann ich mir nur schlecht vorstellen. Wenn er auf Zack ist, alles fixiert, viel mit der Maschine näht und auf große Anproben mit jeweilen zerlegen des Teils verzichtet dann kann er schon mit 10 Stunden hinkommen. Das wären dann 8,5 Euro die Stunde. Aaaber da sind ja auch die Materialien neben dem Stoff.

- Knöpfe (6 oder 8 für die Ärmel und 2-3 für die Front evtl. auch welche für die Innentaschen) - wenn Naturmaterial und nicht Plastik dann mindestens 3 Euro
- Innenfutter ( auch wenn billigstes Acetat verwendet wird) mindestens 8-10 Euro
- Fixiereinlagen, Schulterpolster etc. - ca. 8 Euro
- Nähfaden und Knopflochfaden - ca. 2-3 Euro

Das sind die wichtigesten Materialien preisgünstigst kalkuliert. Würde ich meine Kriterien nur an die Materialien anlegen dann würden die 85 Euro dafür nicht ausreichen. Also bleibt noch ca. 62 Euro was dann einem Stundenlohn (bei obiger Zeitkalkulation) von 6,20 Euro entspricht.
Dafür kann keiner ernsthaft arbeiten. Aus Spass geht alles. Auch selber schneidern - ist dann noch günstiger wenn man genug Freizeit hat.


Bin also gespannt wie der Versuch weitergeht und freue mich auf die ersten Berichte von Herr Mann.

salut Grimod
 
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