1. Es geht nicht darum, ob Schmidt ein Genie war, oder auch nur ein erfolgreicher Politiker.
Übersetzt: Er war auf der Sachebene nie relevant und nichts Anderes sagte ich.
2. Es geht um die wirre Behauptung von "Einheitsmeinungen" in der deutschen Gesellschaft damals wie heute und der daherigen "Austauschbarkeit" Schmidts mit beliebigen anderen Politikern. Als ob es keinen Unterschied bedeutet hätte wenn, respektive, Dregger / Strauß / Barzel / Schmidt / Eppler - um mal ein kleines Spektrum aufzumachen - in den 70er/80er Jahren Kanzler gewesen wären.
Spekulationen über einen alternativen Geschichtsverlauf helfen wenig weiter.
Schmidt lief schon 1936 freiwillig beim großen Adolf-Hitler-Marsch von Hamburg nach Nürnberg zum Reichsparteitag mit. Bei der Wehrmacht war er als fähiger Organisator bekannt, den man wegen seiner von Vorgesetzten bescheinigten "einwandfreien nationalsozialistischen Haltung" nicht einfach an der Front verheizen wollte.
Wie er ja später selber zugab, war sein Glaube an den Führer bis zum Ende hin unerschütterlich und ausdrücklich von Zweifeln am Nationalsozialismus insgesamt ausgenommen.
Kurz nach dem Krieg war er dann plötzlich beim sozialistischen Studentenbund, später wollte er um jeden Preis den 175§ aufrechterhalten und drohte darüber mit Koalitionsbruch.
Und in seiner Spätphase? Was hörte man da noch von §175 oder seinen anderen Ansichten von vor wenigen Jahrzehnten? Genau, gar nichts, weil er sich jetzt wieder dem neuen Zeitgeist angepasst hatte.
Der Vergleich von Schmidt und den anderen genannten scheint bei Dir ja eher ein rhetorisches Mittel zu sein, ich meine das hingegen völlig ernst. Es hätte auf lange Sicht nur marginale Auswirkungen gehabt, wenn Strauß statt Schmidt Kanzler geworden wäre.
Der Linksruck der deutschen Gesellschaft konnte bereits von Adenauer und Kiesinger nur marginal verhindert werden und ging über die kommenden Jahrzehnte unabhängig vom aktuellen Kanzler weiter.
Das sieht man auch ganz leicht daran, dass die meisten Meinungen des geschätzten Herrn Schmidt zu mannigfaltigen gesellschaftlichen Themen aus den 70ern heute in der Öffentlichkeit zur völligen gesellschaftlichen Vernichtung des Äußernden führen würden.
Herr Schmidt als intelligenter Mann hat deswegen in den letzten Jahren natürlich auch so etwas nie wieder gesagt, sondern eben immer das, was zeitgeistkonform war.
3. Ich schulde ja nix, nur weil andere unwillig sind sich zu informieren. Jede Stadtbücherei dürfte einige gute Bände zur jüngeren deutschen Geschichte beherbergen und auch im Internet finden sich hinreichend qualifzierte Ressourcen.
Da Du ja nicht einmal im Ansatz erläutert hast, was sich denn nun Großartiges in den Büchern (welchen eigentlich genau?) ffinden lässt, das deine Ansicht stützen würde, verzichte ich vorerst dankend auf die Lektüre.
Wenn "Einheitsmeinung" als semantischer Ausdruck einer neurechten Gesinnung gemeint ist (Systemmedien und so) ist natürlich jeder Diskursversuch aussichtslos. Wenn nicht, wäre ich mit meiner Wortwahl etwas bedachter (Konsens ist nämlich etwas ganz anderes).
Ich gedenke nicht, Begriffe wie "Systemmedien" zu verteidigen, die ich nicht eingebracht habe.
Ich habe jedoch noch nie gehört, dass das Konzept einer Einheitsmeinung besonders strittig wäre. Jede Kultur setzt voraus, dass ihre Kernelemente nicht angegriffen werden dürfen und verteidigt diese erbittert gegen ihre Feinde. Sowohl bei der französischen als auch bei der amerikanischen Revolution, die heute als Sternstunden der Meinungsfreiheit gefeiert werden, hatte man komischerweie wenig Verständnis für Vertreter der Reaktion.
Ähnlich wie damals lässt sich die Einheitsmeinung auch heute sehr leicht charakterisieren.
Heute besteht sie im Wesentlichen aus der Annahme, dass alle Menschen biologisch (und natürlich insbesondere, was Fähigkeiten angeht) im Grunde genommen gleich sind und alle Unterschiede nur auf unterschiedlichen Startbedingungen und der Unterdrückung durch die Gesellschaft beruhen.
Alle öffentlichen Akteure, die länger bestehen wollen, bewegen sich streng im Korsett dieser Annahme und ihrer jeweiligen Ausgestaltungen, die auch etwas der Mode unterworfen sind.
Führt man sich vor Augen, dass diese Ansicht nachgewiesermaßen falsch ist und nur von einer kleinen Gruppe von philosophischen Strömungen vertreten wird, die in der Geistesgeschichte deutlich in der Minderheit sind, während sie aber bei uns die einzige erlaubte Meinung ist, dann wird einem recht schnell klar, warum die meisten Politiker austauschbar sind. Meinungsunterschiede bestehen nämlich meist nur in marginalen oder leicht quantifizierbaren Punkten ("Steuererhöhung um 1% oder um 5%?"), denn alle relevanten Debatten würden das Anzweifeln dieser Grundideologie erfordern.
Diese naheliegende Betrachtung führt auch direkt zu dem Schluss, dass Schmidt entgegen der Ansicht von Calamity Jane nie "politisch unkorrekt" war, denn er hat nie die Ideologie seiner Zeit irgendwie angezweifelt. Er war immer ein Mitläufer, der sich höchstens mal im Ton vergriffen hat.