Der Trend geht hin zur Beliebigkeit. Die bereits angesprochene Tendenz zur klassischen Mode bei jungen Leuten ist sozusagen ein Pol in dem großen Feld der Beliebigkeit und seine derzeitige Popularität hat mehrere Gründe:
Auf der einen Seite leben wir in ökonomisch schwierigen, schnelllebigen Zeiten. In solchen Zeiten wollen viele zum Beständigen, Sicheren, scheinbar Zeitlosen zurück.
Dies wird auch von den Medien aufgegriffen, bei Musikern (Rappern in Anzügen, wenn auch sehr bunten Kombinationen, Bands im minimalistisch-"cleanen" Stil mit gedeckten Farben, etc.), im Fernsehen gibt es momentan fast keinen unbedarften Jungmoderator, der sich nicht an Kombinationen aus T-Shirt und zu engem Sakko versucht (oder es vom Stylisten vorgeschrieben bekommt).
Dies beruht alles auf der "revolutionären" Entdeckung, dass klassische Mode nicht so aussehen muss wie bei übergewichtigen Versicherungsvertretern im um zwei Größen zu großen C&A-Anzug. Die klassische Garderobe eignet sich davon abgesehen mit körperbetonten Schnitten viel besser zur zur-Schau-Stellung des Körpers als Baggy-Jeans mit Schlabberpulli und geht daher mit dem Fitness-Trend Hand in Hand.
Sobald aber auch der Letzte ein Einstecktuch besitzt und die Neubelebung der klassischen Mode auf die Spitze getrieben wurde wird ein neuer Trend erscheinen, die klassische Mode wird, jetzt mit neuen Einflüssen des derzeitigen Revivals in der Mode, weiterleben, wenn auch nicht bei H&M und Zara. Diejenigen, die wie in anderen Lebensbereichen meist auch, blind dem Trend folgen werden nie zu Maßkleidung, Maßschuhen oder qualitativ hochwertigen RTW-Stücken finden, schließlich waren dafür ja keine Anzeigen in der GQ geschaltet, und evtl. muss man dann auch noch selbst Entscheidungen bez. des Stils treffen (wie lästig!). Die "High-Fashion"-Labels benutzen die klassiche Mode wie ein Zeichen, welches mit anderen Zeichen wie Armee-Stiefeln usw. kombiniert wird und dadurch eine visuelle und semantische Neukombination entsteht. Die Verarbeitungsqualität ist dabei überhaupt kein Kriterium, es geht nur um die kurzzeitige Wirkung.
Den anderen Pol der Beliebigkeit hat El Jorge genannt, und der Unterschied zwischen diesen wird durch Tendenzen zum jeweiligen Extrem hin immer größer. Beachtlich ist, dass diese Polarisierung an erster Stelle eine geschmackliche ist, da sozioökonomische Faktoren meiner Erfahrung nach nicht zwangsläufig zur Ergreifung eines Stils führen, wie z.B. bei Kindern der Oberschicht, die auch nach der Pubertät ständig gegen ihr Elternhaus rebellieren müssen und dann eben Tätowierungen am Hals dazu wählen, oder bei Leuten aus sozial benachteiligen Schichten, die versuchen ein klassisches, edles Image mit Hilfe von imitierten Prada-Taschen oder extrem auffäligen Plastik-Anzügen zu erzeugen. Nur geht bei beiden Gruppen eben die Tendenz dahin, den jeweiligen Stil bis an die Spitze zu treiben, was El Jorge mit wohl mit der Polarisierung meinte.