Wo hört "klassisch" auf...

ak-stage

Member
...und wo fängt eigentlich "altmodisch" an?

Diese Frage möchte ich hier gerne mal in die Runde werfen, wohlwissend, dass das Gros der Forum-Mitglieder diese Frage anders beantworten wird als der "Mann auf der Straße".

Jeder muss das für sich selbst finden und entscheiden. Aber wonach?
Ich bin gespannt!

Herzlichst
Stefan
 
Das größte Sinnbild für altmodisch ist für mich der Opa-Zweireiher, der sackartig am Träger runterhängt.

Und welch Kontrast, wenn man einen gut sitzenden an einem jungen Mann sieht!!

Das selbe Kleidungsstück, und trotzdem so unterschiedliche Wahrnehmungen...
 
Das größte Sinnbild für altmodisch ist für mich der Opa-Zweireiher, der sackartig am Träger runterhängt.

Und welch Kontrast, wenn man einen gut sitzenden an einem jungen Mann sieht!!

Das selbe Kleidungsstück, und trotzdem so unterschiedliche Wahrnehmungen...

Aber die Sackversion ist eigentlich nicht altmodisch, sondern ist und war zu jeder Zeit ein Zeichen sartorialer Gleichgültigkeit oder Inkompetenz. Ich fürchte, was jeweils als altmodisch oder klassisch wahrgenommen liegt im Auge des Betrachters und seiner sartorialen Sozialisation. Der relevante Graben dürfte allerdings zwischen "Normalos" und "Sartorialisten," d.h. typischen Mitgliedern von Stilforen verlaufen. M.a.W.: Gehröcke, Capes, Pumps zum Smoking, Vatermörder o.ä. werden selbst unter uns die meisten als altmodisch einstufen (aber nicht alle und manche Subkulturen wie goth oder Steampunk sehen das ja auch wieder anders). Während "hoch" sitzende Hosen (d.h. gesäßabdeckend :D) von den meisten Teens&Twens vermutlich als archaisch abgetan werden und der Zweireiher dem Fußgängerzonen-Normgeschmack vermutlich in jeglicher Form als etwas altbacken erscheint. Mit Fedora o.ä. wird man selbst von Jungmännern angestarrt, die selber einen Porkpie tragen, weil's gerade hip ist. Krawattenklips waren bis vor kurzemn altmodisch, feiern jetzt aber scheinbar in Ansätzen ein Comeback. Die meisten Leute, die ich kenne, halten Hosenträger für Bauern- , Spießer- oder Skinheadkleidung, aber die haben auch noch nie von Albert Thurston gehört. Etc. pp.
 
Was mal Mode war...

Man sollte eigentlich mitlerweile gelernt haben, dass solche Kategorisierungsversuche theoretisch ja ganz toll sein mögen, praktisch aber wenig Sinn stiften und meist nur der Engstirnigkeit Vorschub leisten.

Anstatt sich jedes mal über Dritte zu amüsieren, die nicht den eigenen Stil treffen, sollte man mit Toleranz an die Sache herangehen und sich freuen, dass gerade soviele verschiedene Geschmäcker existieren.

Nun ging es bei meiner Frage mitnichten darum sich zu amüsieren und es bleibt jedem unbenommen einen Stil zu pflegen, den andere als altbacken empfinden.
Und das Gegenteil von Stil ist es m.E. dem Nächsten ein "das geht gar nicht zu zurufen".
Ich persönlich würde mich über mehr Varianz auf den Straßen freuen.

Vielmehr interessiert mich schon die Grenze traditionell und Kostüm.
Ich stelle jetzt mal unverfroren die Hypothese auf, das ein Großteil der 08/15 Smokingbesitzer noch nicht mal weiß, dass es Pumps (viel schöner ist der Plural "Pumpse") auch für den Herren gibt.

Herzlichst
 
ich würde das nicht opponieren nennen.
Da man ja nicht widerspricht/trotzt, sondern etwas klassisches aufrecht hält.
Übrigens eine Eigenschaft die ich in dieser schnelllebigen Gesellschaft sehr schätze und fast für wichtig halte :)

Aber die Frage ist ja
zieht man ihn an weil er "auf zwei Reihen schließt",
oder wegen seiner Bedeutung bzw Stellung in der Gesellschaft :confused:

Ein zeitgenössischer Soziologe würde vermutlich feststellen, das "Sartorialismus" natürlich auch ein Distinktionsmechanismus ist. Ein völlig in sich ruhendes Individuum gibt es zudem nicht, unsere Identität entwickeln wir über komplexe Zugehörigkeits- und Abgrenzungsprozesse mit und gegenüber anderen. Bei solchen intersubjektiven Prozessen wie dem des Bekleidens geht es nie ausschließlich um die Sache an sich oder das Anziehen "für mich," denn es handelt sich ja um einen unvermeidlich kommunikativen Akt. Eine Frau, die behauptet, sie trage einen Minirock nur aus Gründen der Selbtverwirklichung lügt zwar womöglich nicht, verschweigt aber die Hälfte (oder ist grenzenlos naiv). Selbst wenn ich Zweireiher primär trage, weil ich mich wohl in ihnen fühle (aber warum tue ich das?) und sie meiner Figur schmeicheln (warum denke ich das?), weiß ich doch auch ganz gut, welches Signal ich damit aussende, bzw. welches jeweils empfangen wird.
 
Ein Zweireiherträger wird wohl in den seltensten Fällen das Stück aus versehen gegriffen haben, weil er es nicht wusste...Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel.

Was Deinen Kundenkreis angeht, der in dieser Preisregion einkauft, trifft das sicherlich zu. Auf den "Sack-Träger", der mal in den 90ern einen Zweireiher gekauft hat, weil die bei C&A grad 25% auf einen gegeben haben, nicht.
 
Nun gut, ich oute mich hier mal als jemand, der Zweireiher durchaus gern trägt. Es passt zu mir (und es hat auch schon in früheren Jahren zu mir gepasst), kleidet mich und ich fühle mich gut darin. Ob nun "modern" oder nicht, ist mir vollkommen schnurz!

LG
Heinz
 
Ich bin ja sicherlich der letzte der abstreitet, dass Menschen unterbewusst auch noch andere Ziele verfolgen oder sich bewusste Absichten einfach nicht eingestehen mögen.

Ich kann jedoch für mich am Beispiel eines Autokaufes feststellen, dass mich zumeist die Technik, das Ambiente, d. h. die Optik und das Fahrgefühl interessiert und überzeugt haben. Die Tatsache, dass man mit dem Auto auch auf dicke Hose machen könnte oder sonstwas, naja, die kommen einem dann nach dem Kauf, aber ich tue sowas recht schnell als albern ab.

Das war jetzt so ehrlich wie es bewusst nur geht.

Glaub ich Dir sofort. Das Interessante ist ja aber, dass Deine Präferenzen bezüglich Ambiente & Optik eines PKW Dich mit einer Reihe anderer solcher Vorlieben (Musik, Bekleidung) relativ schnell und genau statistisch als Mitglied einer spezifischen Bildungs- Einkommens usw.schicht und verästelten Subkulturen identifizieren, weil sich deren Habitus in uns reproduziert. Wir bewegen uns fortwährend in einem (Minen)feld kultureller Codes, die mit Status, Macht und Zugehörigkeit zu tun haben, ohne, dass uns das stets bewusst sein muss. Hat also gar nix mit bewusst dicken Max markieren oder so zu tun und ist nicht statusspezifisch, d.h. Kultur in Monaco oder Marzahn hat die gleichen komplexen Mechanismen (nur die Wahl der Mittel differiert). Und natürlich kann so etwas cross-group kommunikativ total in die Hose gehen, denn eine Handlung oder Haltung, welche in einer Kultur RESPECT sigńiziert, bedeutet woanders womöglich OPFER, um es mal hip-hoppisch auszudrücken.
 
Wo hört "klassisch auf und wo fängt eigentlich "altmodisch" an? ...

Was ist klassisch?

Meiner Ansicht nach findet man klassisch am ehesten im Luxus-Preissegment d.h. Sacko ab 1.000 € oder im Bespoken-Bereich. Diese Sachen kann man i.d.R. über ca. 10 Jahre und ggf. länger tragen, ohne dass Sie direkt unmodern wirken.

Im RTW-Bereich, insbesondere von "deutschen" Marken, ist alles mehr oder weniger modisch bzw. an aktuelle modische Trends angelegt. "Business-Männer", die über aktuelle Mode im Bilde sind und sich zumeißt auch nur unter Ihresgleichen aufhalten, sehen sofort, wenn jemand einen Anzug von vor 3 oder 5 Jahren trägt. Um modern, dynamisch, informiert und um "up_to_Date" zu wirken, kommt man in bestimmte Branchen/Berufen nicht um immer wieder aktuelle Anzüge herum.

Um klassische Garderobe täglich tragen zu können, muss man ein Stück weit unabhängig sein und diese Unabhängigkeit auch zeigen dürfen - ohne das es seltsam wirkt. Dies geht nur in bestimmten Berufen und ab einem bestimmten sozialen Status/Umfeld.

Altmodisch ist in meinen Augen nicht klassische Herrenkleidung, sondern "aus der Mode gekommene" ehemals supermoderne Kleidung. Als altmodisch würde ich die extrem breitschuldrigen Jacken aus den 80-igern oder die Hosen mit dem extrem breiten Schlag aus den 70-igern oder auch die hoch gegeschlossnen 4-5 knöpfigen Jacketts der letzten Jahre bezeichnen.

Grüße
Günter
 
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