Meine letzte Dienstreise für eine ganze Weile hat wieder viel Wein auf den Gaumen gebracht, es ging nach Auckland/Neuseeland und damit in eine Weinregion genau auf der gegenüberliegenden Seite der Welt, wo jetzt angenehme Frühlingstemperaturen herrschen.
Zunächst die Flüge:
Champagner:
Lounge-Schampus war Moet & Chandon Jahrgang 2008, wesentlich ernsthafter und trinkbarer als der limonadig-süße, ausdruckslose Brut ohne Jahrgang des Hauses, hefig, stahlige Säure, kräftige, aber feine Perlage.
Im Flieger Moet & Chandon Cuvée Dom Pérignon 2006 und 2009: Körperreich und außergewöhnlich balanciert, Brioche, Haselnüsse, Mandarine, der 2006er reifer und üppiger. Toller Wein, nicht nur toller Champagner. Es geht noch besser, aber so muss das Zeug sein.
Weißwein:
Levantine Hill Yarra Valley Katherine's Paddock Chardonnay 2015
Chablis-artiges Mittelgewicht, mineralisch, leichte Andeutung von Pfirsich, stramme Säure, animierend zur Vorspeise, aber nicht die erhoffte Offenbarung.
Hartenberg Stellenbosch The Eleanor Chardonnay 2015
Nussig-mineralisch, Zitrus, Holundertee, kräftige Säure, kein typischer Überseeschmeichler, sondern ernsthaft und eigenständig.
Rotwein:
Château Calon-Ségur St. Estèphe 3eme Grand Cru Classé 1995
Zarte ätherische Öle, Leder, dunkle Früchte, Tee, weicher Fluß, gut gemeint, aber nicht gut gewählt, sicher ein großartiger Beweis für die aristokratische Feinheit gereifter Top-Bordeaux, aber für die olfaktorische Einschränkung eines Fluges einfach zu subtil. Schade.
Clarendon Hills McLaren Vale Astralis 2004
Toll gereifte Shiraz-Granate, eine der renommiertesten Jahrgänge des Astralis, immer noch kraftvolles Tannin, dass die intensiven Brombeer-/Holunderbeer-/Pflaumennoten in einen dicht gewebten Geschmacksteppich verwandelt.
Château du Tertre Margaux 5eme Grand Cru Classé 2000
Hochfeiner Blaubär
(Heidelbeere, schwarze Johannisbeere, Graphit) aus fettem Jahrgang in der ersten Trinkreife. Keine Kante stört, weiche, sich ständig wandelnde Melodie von dunklen Früchten.
Süßwein:
Château Guiraud 1er Grand Cru Classé Sauternes 2005
Wein der Reise, monumentaler Ausdruck, wozu Sauternes fähig ist, Honig, Botrytis-Bitternis, Vanille, reifer Apfel, kandierter Pfirsich, gestützt von erfrischender Säure, der Wahnsinn mit Montagnola Blauschimmelkäse (anderer Blauschimmelkäse hätte sicher auch funktioniert), immer wieder neue Geschmacksbomben. Der Wein kam aus der halben Flasche und war deshalb sicher etwas schneller gereift als in der Normalflasche.
Port:
Graham's Colheita 1963 Single Vintage Tawny Port
Eine Turboversion des 1986ers, den ich schon auf Flügen probiert hatte, ungebremste Pekannuss-getrocknete-Aprikosen-auf-dunkel-gebratener-Banane-Granate, die direkt in der retronasalen Passage zur Explosion gebracht wird. Hammer.
Digestif-Hammer im Anschluss:
Kein Wein, aber ein Gläschen des raren Hennessy Paradis Cognac aus 30- bis 130-jährigen Bestandteilen. Endlos komplex, endlos lang, wahnsinnig weich, nicht vom Gaumen weichend. Ein Superlativ.
Vor Ort schwelgte ich vor allem in den Freuden der nahen Weininsel Waiheke Island im Hauraki-Golf, 40 Fährenminuten östlich von Auckland. Waiheke ist überwiegend Rotweinland und zwar nicht Pinot Noir wie in Neuseeland gern auf der kühleren Südinsel genommen, sondern Bordeaux-Rebsorten und Syrah im kühlen Hermitage/Côte Rôtie-Stil des nördlichen Rhônetals, teils auch mit der typischen Viognier-Beigabe des letzteren. Am Wochenende bin ich da auch mal rüber geschippert und tauchte mit der Hilfe eines lokalen Guides ein wenig in drei der dreißig Boutique-Weingüter der Insel ein. Mein Favorit auch nach Besuch des Weinguts ist Passage Rock an einer südlichen Bucht mit wenig bekannter, wuchtiger Cabernet Sauvignon / Merlot Reserve und hochdekorierter vielschichtiger Syrah Reserve, von dem ich die auf sehr unterschiedliche Weise exzellenten Jahrgänge 2013 und 2014 probierte. Auch interessant das größte Weingut im Osten der Insel, Man'o'war in der gleichnamigen Bay (James Cook höchstpersönlich war der Namensgeber, als er dort 1769 landete, weil er die uralten Kauri-Bäume dort gerne als Masten der britischen Man'o'war-Linienschiff-Serie gesehen hätte). Der Dreadnought Syrah 2014 des Gutes harmonierte großartig zum lokalen Filetsteak mit cremiger Blaukäsesauce und in Entenfett gebackenen Kartoffeln genauso wie der feste, pflaumenkräuterige Ironclad 2012 aus 45% Merlot, 20% Cabernet Franc, 14% Malbec, 13% Cabernet Sauvignon und 8% Petit Verdot mit leichten 15 Umdrehungen. Wie beim Land selbst, wo man sich angesichts der üppigen grünen Hügel und der reichen Laubwaldbestände beim oberflächlichen Anblick an das Loiretal oder Cornwall erinnert fühlt, bis man beim näheren Hinsehen erkennt, dass man keinen der vielen Baum- und Gewächstypen je in Europa gesehen hat
, erinnerte der Ironclad ein bisschen an bekannte St. Emilion, aber eben nur einen Moment lang, bis sich eine völlig eigenständige Bordeaux-Interpretation zeigte.
War insgesamt fast ein wenig Overkill, was tolle Weine anging, aber manchmal muss das auch mal sein.
Ja, gearbeitet habe ich auch dort.