Vorstellungsgespräch

So, ich schließe mich dem neuen Trend zum Multiquoting einmal an
Endlich mal ein gepflegtes Multiquote. :)

Man kann also doch auch hier eine direkte Parallele zur Gegenwart ziehen: Overdressed ist man dann, wenn man das vom Gegenüber erwartete Formalitätsniveau überschreitet.
Richtig, so ist die alte Definition. Aber wer ist denn heute dieses Gegenüber? Es ist nicht "die breite Masse", sondern immer viel genauer definiert. Und was bedeutet Formalitätsniveau, wenn es in der allgemeinen Wahrnehmung überhaupt nur noch zwei unterschiedliche gibt, nämlich sartorial oder Jeans&Sneakers? Dann ist es nur noch eine Art Lagerabgrenzung.

Man möge mir bitte diese Bemerkung nicht als beleidigend oder einen Angriff gegen bluesman auslegen, aber ich fürchte, wer ernsthaft glaubt, daß für die große Masse der Bevölkerung der blaue Anzug eine "situationsunabhängige Kleidung für ... Freizeit" ist, der sollte gelegentlich einmal die Frankfurter Innenstadt verlassen und sich vielleicht auch eine nicht zu kurze Auszeit von der Stilmagazin-Inzucht gönnen.
Wenn Du mich zitierst, darfst Du mich auch direkt ansprechen, insbesondere bei einem verbalen Angriff. So ist das nur ein rhetorischer Kniff, um einer Gegenreaktion zuvorzukommen und kein guter Diskussionsstil.

Natürlich wird der Anzug nicht von der Allgemeinheit als Standardbekleidung genutzt, aber er ist als solche ausgelegt mit unterschiedlichen Schnitten und Stoffen für verschiedene Gelegenheiten und verschiedene klimatische Bedingungen. Natürlich nicht der dunkelblaue, am besten noch mit Nadelstreifen, davon war aber auch nie die Rede.

Jawohl, man ist overdressed, wenn man seinem Gegenüber als "zu gut" angezogen erscheint. Does that matter? Oft sicher nicht. Ich selbst trage seit meinem fünfzehnten oder sechszehnten Lebensjahr sehr gerne Einstecktücher, Dopperlmanschetten, Zweireiher und vieles mehr, was von Vielen als "overdressed" angesehen wird.
Wenn es keine Rolle spielt, worüber unterhalten wir uns dann? :) Offensichtlich hat das Wort Overdressed dann doch keine reale Bedeutung, außer dass es ein umdefinierter Ausdruck dafür ist, dass vielen Leuten sartoriale Kleidungskategorien nicht gefallen (und zwar nicht aus Gründen gestalterischer Formalität, was der ursprüngliche Bedeutungsraum wäre, sondern ausschließlich aus sozial konnotierten Gründen, was noch mal eine andere schon oft geführte Diskussion ist).

Ich halte es aber für geradezu fahrlässig, einem jungen und offensichtlich in dieser Hinsicht unsicheren Fragesteller anzuraten, dieselbe Nonchalance bei einem Vorstellungsgespräch anzuempfehlen
Ich empfehle, meine Beiträge genauer zu lesen. :) Ich habe dem TS als offensichtlichem sartorialen Anfänger zu einem simplen grauen oder dunkelblauen Anzug geraten. Ohne EST, wenn er daran nicht gewöhnt ist. Was ist daran fahrlässig? Der Unterschied ist nur, dass ich ihm vom EST nicht abrate, weil es einer sinnfreien "overdressed"-Kategorie entspräche, sondern weil der Gebrauch eines EST eine höhere Kleidungserfahrung erfordert. Ein Miles z.B. hätte sie, der TS vermutlich nicht.

Das Bedürfnis, sich zu jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit möglichst laut vernehmlich von jeglichem "Deutschsein" abzusetzen, ist eine noch ausgeprägtere deutsche Spezialität. Wer die Uniformität der Masse der white collar Werktätigen in der Londoner City oder in Manhattan und die teilweise viel strikteren dort geltenden, meist ungeschrieben, Bekleidungsregel erlebt hat, wird sich im Zweifelsfall mit derartigen "Typisch deutsch"-Kommentaren zurückhalten.
Been there, done that. Nirgendwo ist alles großartig. Dass man nicht zwanghaft und automatisch zu allem "typisch deutsch" sagen sollte, verbietet aber keineswegs, es mit einer konkreten Begründung zu tun.

In diesem Sinne: Laßt uns weiter der darin schwelgen, uns als die Minderheit der Bessergekleideten zu begreifen. Aber laßt uns auch der Realität ins Auge schauen, daß wir eine Minderheit sind, und eine nicht immer bewunderte dazu, so sehr wir uns das auch wünschen mögen.
Ich wünsche mir das nicht, es ist mir am Ende egal, was andere von dem halten, was ich für mich als richtig erkannt habe. Im Umgang mit Geschäftspartnern (beruflich) und Freunden (privat) komme ich offensichtlich gut damit klar. Warum sollte mich interessieren, was ein anonymer Passant (also der demokratische Durchschnitt) von mir hält, wenn er mich sieht? Ich finde die Haltung, das zum persönlichen Maß aller Dinge machen, was gerade bei einer Mehrheit modern ist, schlicht langweilig. Das heißt nicht, dass ich Mehrheitsmeinungen automatisch vermeide, aber sie sind kein Wert an sich.

Ich finde, dass Deine gezeigten Outfits eine positive Losgelöstheit vom Massenzeitgeist gut repräsentieren. Deine Worte lassen mich im Kenntnis dieser Outifts aber etwas ratlos zurück.
 
http://www.sueddeutsche.de/karriere/start-im-neuen-job-dresscode-fuer-den-ersten-tag-

"Den ersten Tag vergleicht die Image-Expertin mit dem Betreten von unbekanntem Terrain: "Da kommt ein Eindringling in ein fremdes Revier - mit der Bitte aufgenommen zu werden." Am ersten Tag sollte daher weniger der eigene Stil im Vordergrund stehen als vielmehr die Bereitschaft, sich in eine neue Umgebung zu integrieren."

http://www.sueddeutsche.de/karriere/start-im-neuen-job-dresscode-fuer-den-ersten-tag-1.1761304

Ich halte nichts von Stilberatern, aber ich mag die hier beschriebene Attitüde.
 
"Den ersten Tag vergleicht die Image-Expertin mit dem Betreten von unbekanntem Terrain: "Da kommt ein Eindringling in ein fremdes Revier - mit der Bitte aufgenommen zu werden." Am ersten Tag sollte daher weniger der eigene Stil im Vordergrund stehen als vielmehr die Bereitschaft, sich in eine neue Umgebung zu integrieren."

http://www.sueddeutsche.de/karriere/start-im-neuen-job-dresscode-fuer-den-ersten-tag-1.1761304

Ich halte nichts von Stilberatern, aber ich mag die hier beschriebene Attitüde.

Ich finde, das kann man einfach durch eine freundliche und leicht zurückhaltende Art zeigen. Und man steckt eben etwas ein/ reagiert freundlich-lustig auf etwaige Bemerkungen das Outfit betreffend.
 
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