Sportlich sommerliche Anzüge

Bei Steuerklasse I, also Alleinstehend, bleibt ja viel Phantasie, wie man die Prioritäten im eigenen Leben setzen will. Wer einen Anzug für 3.500 € haben möchte, wird das wohl bewerkstelligen können. Auch mit einem Durchschnittsgehalt.

Das klappt eben nicht.

Was kostet die Warmmiete?
Was kosten die sonstigen Wohnnebenkosten?
Was kosten Telefon und Internet?
Was kosten die Lebensmittel pro Monat?
Was kostet die Mobilität?
Was kosten sonstige Haushaltsnebenkosten wie Kosmetika, Waschmittel etc?
Was muss für die Altersvorsorge aufgewendet werden?
Was wird für Unterhaltung und Freizeit aufgewendet?

Was bleibt da noch für die Kleidung?


Wir kommen da an den Punkt, der zeigt, wie albern der Vorschlag "einfach etwas länger zu sparen" für einen Durchschnittsverdiener ist.

Soll er 3 Jahre auf den Anzug sparen und dann ein weiteres Jahr barfuß in ihm herumlaufen, bis er sich angemessene Schuhe dazu leisten kann? Oder soll er einen Kredit aufnehmen, um Kleidung zu kaufen, die er sich objektiv nicht leisten kann?
 
Ach, auf die Diskussion gar nicht erst einlassen. Die Wahrnehmung bestimmt die Realität. Für den einen sind 1000€ viel Geld, für den Nächsten ist das Trinkgeld. Durchschnittsgehalt kann man ja mal als Denkfehler deklarieren :)

Mir persönlich gefällt der gezeigte Anzug im übrigen auch nicht, wobei ich den trotzdem gerne mal live beurteilen würde.
 
Das klappt eben nicht.
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Wir kommen da an den Punkt, der zeigt, wie albern der Vorschlag "einfach etwas länger zu sparen" für einen Durchschnittsverdiener ist.
Jetzt gehen wir wieder in den sartorialen Klassenkampf. Ich bin weit davon entfernt, jemandem (egal, mit welchen finanziellen Verhältnissen) einen Brunello-Cucinelli-Anzug mit Jogginghosenschnitt für 3.400,- zu empfehlen, aber Ausgaben für Zigaretten, Mallorca-Urlaub, Smartphone-Tarif und einen 42"-Fernseher für 3.400,- pro Jahr würden für einen Durchschnittsverdiener nie angezweifelt werden. ;) Das sind halt die üblichen Prioritäten.

Dass man sich anzugbezogen auch für ein Drittel des Preises sehr ordentlich bekleiden kann, soll dabei nicht verschwiegen werden.
 
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Jetzt gehen wir wieder in den sartorialen Klassenkampf.

Ein Klassenkampf ist das nur in deiner subjektiven Wahrnehmung. Ich nenne es objektive Fakten.

Wenn jemand nur 100 Euro pro Monat für Kleidung und Schuhe zur Verfügung hat, ist es ein Zeichen sozialer Inkompetenz, ihm zu erklären, dass er einfach etwas länger sparen soll um sich dann Anzüge für 3.500 Euro oder Schuhe von John Lobb zu kaufen.
 
Ein Klassenkampf ist das nur in deiner subjektiven Wahrnehmung. Ich nenne es objektive Fakten.

Wenn jemand nur 100 Euro pro Monat für Kleidung und Schuhe zur Verfügung hat, ist es ein Zeichen sozialer Inkompetenz, ihm zu erklären, dass er einfach etwas länger sparen soll um sich dann Anzüge für 3.500 Euro oder Schuhe von John Lobb zu kaufen.

Das geht natürlich auch nicht. Zunächst muss ein Vortrag über die Freuden persönlicher Leistungswillig- und -fähigkeit erfolgen. Es kann schließlich gar nicht sein, dass das irgendwer nicht hinbekommt. There is no alternative! ;)
 
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Jetzt gehen wir wieder in den sartorialen Klassenkampf. Ich bin weit davon entfernt, jemandem (egal, mit welchen finanziellen Verhältnissen) einen Brunello-Cucinelli-Anzug mit Jogginghosenschnitt für 3.400,- zu empfehlen, aber Ausgaben für Zigaretten, Mallorca-Urlaub, Smartphone-Tarif und einen 42"-Fernseher für 3.400,- pro Jahr würde als Ausgabe für einen Durchschnittsverdiener nie angezweifelt werden. ;) Das sind halt die üblichen Prioritäten.

Dass man sich anzugbezogen auch für ein Drittel des Preises sehr ordentlich bekleiden kann, soll dabei nicht verschwiegen werden.

Das ist der von mir im anderen Faden angesprochene gesellschaftstypische Minderwertigkeitskomplex, der dazu beiträgt, seine eigenen Möglichkeiten nie zu nutzen. Weil ja offensichtlich ist - angesichts der offenkundigen Probleme, Miete und so - dass man sich mit 1900 € im Monat keine teure Kleidung leisten können kann. (Was wiederum suggeriert, der Durchschnittsdeutsche lebe in Armut - beinahe jedenfalls und gefühlt mindestens, wenn nicht gleich noch schlimmer.) Die Argumentation lässt sich immer auf die Goldenen Drei zurückführen: Das geht nicht, das hat es noch nie gegeben und das war immer schon so. In Bezug auf die sartoriale Kleidung sind die letzten beiden "Argumente" belegbar falsch.

Natürlich kann man sich für ein Drittel des Preises sehr ordentlich bekleiden - wobei ich nebenbei trotzdem grundsätzlich in Zweifel ziehen möchte, dass man mit dem bezeichneten "Anzug" ordentlich bekleidet wäre. Der Fragesteller mochte dieses Ding offensichtlich - grundsätzlich würde ich genauso wenig zum Kauf raten. Außer zum Zweck des Strebens nach Glück.

(Das Problem liegt doch auf der Hand: Ich hätte schreiben können: "Kauf das bloß nicht, es ist kein klassischer Anzug sondern eine überteuerte Geschmacksverirrung." Das Ergebnis wäre die Kritik gewesen, dass man kaum behaupten könne, die Evolution des Anzugs verbiete die Kordel nicht - man dürfe das nicht so verbohrt sehen und solle sich doch auch mal progressiv modisch kleiden. Und dazu noch: Aufgrund der überlangen Wertschöpfungskette könne man von Überteuerung nicht reden, weil der arme Brunello quasi verarme und ihm sein designinnovativer Geniestreich entrissen, geradezu geraubt würde, wäre das Ding auch nur ein paar Cent billiger. - Wie mans macht, so ist's verkehrt. Aber Klassenkampf ist doch auch irgendwie immer ein belebendes Element.)
 
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Die Argumentation lässt sich immer auf die Goldenen Drei zurückführen: Das geht nicht, das hat es noch nie gegeben und das war immer schon so. In Bezug auf die sartoriale Kleidung sind die letzten beiden "Argumente" belegbar falsch.

Dem widerspreche ich. Wann in der Geschichte konnte sich ein Durchschnittsverdiener ein einzelnes Kleidungsstück zum Preis von zwei Monatseinkommen leisten? Auf die Antwort bin ich wirklich gespannt. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts musste ein Durchschnittsverdiener 60 % seines Einkommens für Lebensmittel ausgeben, um nicht zu verhungern. Fleisch gab es, wenn überhaupt, nur Sonntags.
 
Die Diskussion zeigt wieder nachhaltig: Geschmack lässt sich nicht kaufen.

Gerade dieser Anzug zeigt anschaulich, wo die argumentative Problematik solcher Dinosaurier wie sie sich hier im Forum tummeln liegt.

- Leisten könnte sich den Anzug in der Tat jeder, vorausgesetzt, Kleidung ist ihm so wichtig wie viele andere Konsumgüter. Gespart wird auch auf ein Auto, den HyperFlat900Zoll Fernseher oder den AllInclusive Urlaub in der exklusiven Ferienanlage.

- Der Feudel ist, unabhängig ob er 300 oder 3000 Euro kostet, eine Geschmacksverirrung biblischen Ausmasses, ganz im Sinne der allgegenwärtigen Hipster, die mit aller Gewalt vom Klassischen abheben wollen.

- Der gesellschaftliche Beißreflex funktioniert. Aber der Neidfaktor eines Anzugs ist halt nicht so ausgeprägt wie bei einer Submariner, der Plebejerrolex schlechthin. Vulgo: Wenn der Deutsche schon viel Geld ausgibt, soll man es auch sehen. Und die Klassenkampfkeule zieht immer.

- Das Vorgaukeln von Luxus und Exklusivität - gerade der genannten Marken - ist immer noch eine starke Triebfeder, obwohl gerade die Luxushersteller in den letzen Jahren überwiegend unbrauchbare Scheusslichkeiten mittelmässiger Haltbarkeit und Qualität zu horrenden Preisen auf den Markt werfen.

Die Quadratur des Kreises.
 
Wegen diesen Diskussion muss man das Forum einfach lieben. Irgendjemand schafft es immer aus den harmlosesten Themen eine Grundsatzdiskussion loszutreten. :)
 
Bei Steuerklasse I, also Alleinstehend, bleibt ja viel Phantasie, wie man die Prioritäten im eigenen Leben setzen will. Wer einen Anzug für 3.500 € haben möchte, wird das wohl bewerkstelligen können. Auch mit einem Durchschnittsgehalt.

Sicher. Und danach kann er auf der Straße in dem tollen Anzug schlafen und sich das Essen erbetteln.

Erinnert mich an die Jungs früher, die sich ein "tolles" Auto oder Moped schon früh gekauft haben. Und dann die nächsten 5 Jahre in der selben Jeans und Jacke rumgelaufen sind und sich den ganzen Abend an der selben Cola festgehalten haben.
 
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