Ich bin da geteilter Ansicht.
Fast jedes industriell gefertigte Produkt entsteht in Arbeitsteilung. Die Hersteller von Handys kaufen ihre Kameras und Displays extern ein. Uhrenfabriken stellen beiweitem nicht alle Einzelteile der Uhren selbst her. Automobilfirmen fertigen keine Klimaanlagen, Sitze und Abgasanlagen. Airbus produziert keine eigenen Triebwerke. Und selbst der Hersteller hochwertiger Anzüge wird nicht die Stoffe selbst produzieren. Es ist also immer so, dass das Markenlabel ein zusammenfassendes Qualitätsversprechen für alle am Produktionsprozess beteiligten Parteien darstellt.
Warum liegt in dieser Diskussion der Fokus derart stark auf dem "Zusammenbau" des Produkts? Bei einem Anzug ist die Stoffqualität mindestens genausowichtig wie die Verarbeitung der Nähte. Und wenn das Flugzeug wegen eines schlechten Triebswerks nicht fliegt, dann nützt es mir nichts, dass der Hersteller das alles selbst zusammengebaut hat. Der Zusammenbau ist nur ein kleiner Teil des Ganzen. Porsche lässt in Finnland montieren, und auch z.B. bei Karmann sind keine schlechteren Autos entstanden als am VW-Band.
Heutzutage ist es nunmal so, dass es für den Zusammenbau Experten gibt, die das besser und günstiger (und oft auch in höherer Qualität!) schaffen als das Unternehmen, welches am Ende seine Marke draufklebt. Einige Betriebe haben es sogar geschafft, vom "Lohnfertiger" bzw. "Teilelieferanten" zu einem eigenen Markenlabel aufzusteigen - z.B. der Handyproduzent HTC. Und wenn in einem Sony-Laptop eine Festplatte von Western Digital verbaut ist, dann habe ich hohes Vertrauen in das Gesamtprodukt - obwohl nicht alles von Sony stammt.
Viel wichtiger bei der Qualitätsdiskussion ist doch die Frage, wie gut ich meinen Partnerbetrieben auf die Finger schaue. Wenn ich mit erstklassigen Partnern zusammen arbeite, dann wird auch das Endprodukt ein Erfolg und verdient eine "hochwertige" Marke. Wenn ich aber nur den billigsten Schrott mit meinem Markenlogo versehe, darf ich mich nicht wundern, wenn die Marke irgendwann zur wertlosen Hülle verkommen ist.
Übrigens: Die viel gelobten Uhrenhersteller sind inzwischen fast alle auch Teil von großen Markenunternehmen, die sie als Renditeobjekte betrachten. Einfach deshalb, weil diese großen Markenunternehmen die "Schaffung" und "Pflege" einer attraktiven Marke besser können als der normale kleine Mittelständler.
Das Vergeben einer Lizenz ohne jede Produktions- und Distributionsteilnahme durch eine etablierte Marke zeigt schon, dass die Marke an diesem Produkt nicht das geringste Interesse hat, sonst hätten sie es ja schon selber hergestellt oder in eigener Verantwortlichkeit herstellen lassen. Es dient also nur als einfaches Ausbeuten des Markennamens ohne das Risiko eines eigenen Engagements.
Der Lizenznehmer hingegen besitzt den Markenkern der Marke, die er benutzt, nicht und hat daher auch keine Notwendigkeit, das mit der Marke verbundene Qualitätsversprechen in Relation zum Preis einzulösen. Von daher sehe ich, den Bereich Parfüm mal ausgenommen, weil der ganze Markt da entsprechend vorgeht, bei Lizenzprodukten für den Käufer mehr Risiko als Chance. Und wenn's nur im Verhältnis zu viel bezahltes Geld ist.
Der Lizenznehmer besitzt zwar nicht die Marke des Endprodukts, bekommt aber die Vorgaben des Markenunternehmens, die er einhalten muss. Diese können sehr streng sein. Sogar für Billigmarken wie die Aldi-Marken werden den Lieferanten sehr strenge Vorgaben gegeben.
Es ist also nicht immer so, dass Marken schlecht sind, nur weil sie nicht selbst produzieren.