Wenn ich die Berliner City besuche, so kann man getrost davon ausgehen, dass ich dieses mit ausreichend gewichsten Schuhen mache, was man eigentlich von jedem Menschen, der vorgibt Stil zu haben, erwartet. Somit wäre dieser Service auch keinesfalls nutzbringend. Was bleibt also? Die Attitüde des Emporkömmlings und Snobs? Oder der subtile Ausdruck sozialer Hierarchien, wenn im Einzelfall auch nur als temporäre Illusion? Es würde doch sehr verwundern, wenn der Duke of Norfolk seine Schuhe in einer Londoner Bahnhofshalle putzen lassen würde. Gerade britischer Stil und deren Understatement waren es, die dem Adel einen ganzen Stall voll Privilegien, wie das Oberhaus und ihre Landgüter erhielten. Nicht umsonst blieben ihnen französische Verhältnisse seinerzeit erspart. Die Dialektik dieser Symbolik ist ja wohl unverkennbar. Der Unterschied, ob der Schuhputzer die Schuhe befüllt oder entleert putzt, öffentlich oder privat, ist meines Erachtens nach enorm.
Übrigens:
Zur Freiwilligkeit. Selbst wenn man unterstellt, dass entgegen aller neurobilogischen Forschung der Wille frei ist, so ist es doch kaum zu leugnen, dass es Sachzwänge sind, die den Schuhputzer zum Schuhputzer machen. Aus Freude heraus putzt man doch meist nur seine eigenen Schühchen. Wäre ich Schuhputzer, müsste ich natürlich auch anderes behaupten.