Herrenschneider in Deutschland

Wieder das "Argument" KOsten/Geld. Sorry aber in Deutschland wird viel Geld verdient und wird nachweislich viel Geld für "Luxus" ausgegeben. Warum sollte das Geld dann nicht für Bekleidung vorhanden sein?

JA!
Und das Kosten/Geld-Argument wird man auch nicht totreden können.
Luxis ist das, was man dafür hält. Sprich, jeder definiert Luxus anders.

Jeder hat eigene Prioritäten! Und nicht jeder kann sich von allem das Beste leisten.
Wünsche sind unbegrenzt, die Mittel, Wünsche zu befriedigen sind aber knapp.
Dadurch entsteht ein Spannungsverhältnis. Das war so, das ist so und das wird wohl auch immer so bleiben.
Deshalb muss ein Jeder haushalten, um das Beste für sich daraus zu machen. Und das ist subjektiv.
(und Klugscheißerei von mir, ich weiß. Sollten wir uns aber immer wieder in Gedächtnis zurückrufen.)

Hier im Forum findet auch ein Thread über Tabakspfeifen statt.
Und auch in diesem Bereich gibt es sehr hochpreisige Pfeifen (700 bis 800 € pro Pfeife ist keine Seltenheit)
von absolut Erster Güte. D.h. reinste Handarbeit, bestes Bruyereholz, feinste Maserung, etc.
Aber: Nicht jeder ist bereit, solche Beträge zu zahlen.
Das wäre dann Luxus für den Außenstehenden, für den passionierten Pfeifenraucher ist das evtl.
völlig normal. Dieser passionierte Pfeifenraucher würde vielleicht keine
500 € für ein Paar Schuhe ausgeben wollen.

So hat eben jeder seine eigenen subjektiven Prioritäten....

Und so schließt sich der Kreis.

Liebe Grüße

Matz
 
Es fehlt uns auch einfach die Erkenntnis, daß maßgeschneiderte Kleidung höherwertiger ist als irgendwelche Labels, die die Industrie durch professionelles Marketing propagiert.
Viele Konsumenten auch im Luxusbreich sind der Überzeugung, daß Bekleidung mit Labels, angeboten in besten Citylagen, das non plus ultra sind.

Das Gegenteil ist eher der Fall: ich persönlich bevorzuge mir auf den Leib zugeschnittene Kleidung. Da sind mir alle Kleidungsstücke mit auffälligen Labelsabsolut unbedeutend. Understatement ist eben ein Stilmerkmal!
 
Die Frage ist dabei nicht, ob die Anzüge teuer sind, sondern ob sich deren Herstellung betriebswirtschaftlich rechnet.
Bei den meisten Firmen liegt die Umsatzrendite bei wenigen Punkten. Das ist im Falle der Maßschneiderei ebenso wie bei MTM ähnlich gering.
Mit Maßanzügen können Sie niemals wikrlich "großes Geld" verdienen. Das bleibt eine Sparte für Liebhaber und Fans.
Der zeitliche und personelle Aufwand ist viel zu hoch, um eine wirklich gutes Ergebnis zu erzielen.
Deshalb ist der Beruf in kommerzieller Hinsicht auch nicht beliebt.

Welcher Maßstab wird denn da als Vergleich angelegt ? Investmentbanker oder einfach andere vergleichbare Handwerker? Was soll denn dieses Handwerk von anderen bei der Problematik unterscheiden ? (außer das man relativ gesehen in dem Segment im obersten Preisbereich verkaufen "muss")
 
Naja, vielleicht den Maßstab, dass ein Handwerker,
gerade wenn dieser selbständig ist, auch ordentlich leben kann!
Dann und (meiner Meinung nach) nur dann, macht es spaß!

Liebe Grüße

Matz
 
Reden wir gerade vom Handwerker oder vom Geschäftsmann?
Für den Handwerker ist der Job des Schneiders nicht beliebt, weil man halt kaum Lohn bekommt. In der Schneiderei Pawlik (Berlin), die für lokale Designer arbeitet,bekommt eine erstklassige Schneiderin 7,50€ pro Stunde. "
"Schneider werden schlecht bezahlt. So ist das halt."
https://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2005/0913/berlin/0012/index.html

Für das Geld würde ich auch nicht Schneider lernen. Bei 15€ sähe es da schon anders aus.
Ich glaube auch nicht, dass der angestellte Schneider, der einen 5000€ Anzug fertigt, viel mehr verdient, als einer, der 2000€ Anzüge fertigt. Mit dem Kunden und seinem Geld hat das kaum zu tun.

Der Geschäftsmann "Schneider" muß sich halt so aufstellen, dass er sein Geld verdient. So wie die Tankstelle das Geld ja nicht mit Benzin verdient, so muss der Schneider es ja nicht mit dem Anzug verdienen. Das Zubehör macht oft den Gewinn.
Die Generation der 60-jährigen Schneider scheint aber am Markt der jungen Kunden recht schlecht aufgestellt. Wenn Namen guter, günstiger Massschneider als Geheimtipps gehandelt werden, wie man hier oft sieht, dann sagt das viel über die Branche aus. Es fehlt Vernetzung, Qualitätsstandarts und Transparenz. Und nicht zuletzt auch das Marketing.
Aber das sieht man bei vielen Handwerkern. Denen ist alles geschäftliche lästig, und so vernachlässigen sie es.

Gruß
braces
 
Da bringst du jetzt den Handwerksschneider mit dem Herrenausstatter inkl Schneiderei durcheinander ;)

Wo ist der Unterschied? Die meisten Handwerksbetriebe haben auch Leute die produzieren und Leute, die verkaufen. Leute die beides gleich gut können sind selten.

Auch der für 15€/Std Industrie- oder Änderungsschneider hat damit nicht wirklich was am Hut....aber selbst der muss ja für 30€/Std Kundenpreis arbeiten weil er ja nicht nur sein Geld verdienen muss, sondern auch den Gewinn^^

Die Änderungsschneider bei uns kommen fast alle aus Vietnam oder der Türkei und haben sicher weniger als 7,50€ pro Stunde. Entsprechend sieht auch jeder Änderungsschneiderladen ein bisschen nach Schnellimbis oder Dönerbude aus.;)
Wenn hier ein guter Änderungsschneider mit ordentlichem Laden wäre... ich würde hin gehen.


Wenn du mit Zubehör punkten willst brauchst du einen Laden, und die Logistikkosten müssen dann oben draufgerechnet werden :(
Der verkauf muss laufen, also noch mehr Personal...demnach NOCH mehr laufende Kosten....

Atelier bzw. Laden braucht es sowieso. Und gute Kaufleute mMn. auch. Da muß man nichts drauf rechnen. Eure Schneider führen doch auch nicht die Bücher und kümmern sich um die Werbung, oder?

Warum muss ein Maßschneider denn ein kleiner runzliger Mann sein, der allein in seinem Kämmerlein für Leute näht, die schon seit 50 Jahren bei ihm fertigen lassen?
Gerade eine Verbindung von Herrenausstatter, Maßschneider, Maßschuhmacher (Juwelier... was auch immer zum Ambiente passt) ist doch eigentlich nicht abwegig. Gemeinkosten und Werbung wird geteilt... dann könnte da schon etwas gehen.
Ich finde halt, der Branche fehlen ein paar neue Ansätze. Man beschwert sich, dass kein Nachwuchs (auf Kunden- und auf Handwerkerseite) kommt, ändert aber an der Arbeitsweise nichts.
Wieso fliegt alle Welt nach London zum Schneider, und in Deutschland weiß Ottonormalverbraucher nicht mal, dass es so etwas hier noch gibt?

Naja, wer die 3000€ für den Anzug hat, der hat auch die 50€ für den Londonflug. Oder nimmt entsprechende Maßtage wahr. Es wird wohl den Kunden am wenigsten auffallen, wenn der Beruf hier bald ausgestorben ist.

Gruß
braces
 
Guten Abend,

da dies sehr gut zu einem heutigen Telefonat von mir passt möchte ich das gern mal Thematisieren.

Ich hatte heute bei einem sehr bekanntem Tuchlieferanten angerufen um Informationen zu erhalten. Beim plaudern kam dann u.a. die Aussage das die deutschen Herrenschneider im Schnitt 62 Jahre alt seien.

Ist es wirklich schon so schlimm ? Ich habe hier vor Ort zwar auch größere Probleme bezüglich passenden Schneider finden, aber dachte das dies ein spezifisch regionales Problem ist.

Wie seht Ihr das ? Gibt es eine Zukunft für die Branche in Deutschland oder wird es über kurz oder lang "nur" noch MTM werden weil das Handwerk gar nicht mehr vermittelt wird ?

Bonsoir Musikliebhaber,
wie immer ist es eine Sache von Angebot und Nachfrage. In Deutschland gibt es wenige junge Schneider weil es auch wenige junge Kunden gibt. Die alteingesessenen >60 jährigen Schneider haben meist auch eine nahezu gleichalte Kundschaft.
Gäbe es mehr "Neukunden" würden sich sicherlich auch mehr Schneider finden.
Salut Grimod
 
Es besteht die zwingende Notwendigkeit, die Vorteile von Maßkleidung einer größeren Fangemeinde aufzuzeigen. Es gibt einfach zu wenige, die die Vorteile kennen und schätzen.

In meinem privaten und in meinem beruflichen Umfeld wird nahezu ausschließlich auf die bekannten Marken geachtet, obwohl diese Personen durchaus in der Lage wären, Maßkleidung zu tragen.

Das Schneiderhandwerk und das Schuhmacherhandwerk müssen sich in der Öffentlichkeit einfach besser aufstellen. Für viele Personen sind diese Berufe einfach nur zur Reparatur da, welch traurige Fehleinschätzung.
 
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