Formal Wear - Wieviel Abweichung vom Standard ist OK?

don_ollie

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Ich wollte mal mit Euch über die Möglichkeiten der "Individualisierung" bei formeller Kleidung diskutieren.

Auslöser: Einem Freund wurde von einem Hamburger Ausstatter (ich nenne den Namen mal bewußt nicht, Braun war es nicht) vorgeschlagen, dem Morning Coat einen "Twist" zu geben und statt Oxfords schwarze Doppelmonks zu tragen.

Ich fand die Idee zuerst grausig, aber je länger ich drüber nachdenke, desto mehr relativiert sich das. Grade der Morning Coat ist ja ein festlicher Dresscode, bei dem sich viel variieren lässt, das beste Beispiel sind Westen in hellen Pastelltönen, aber auch beim Hemd und den Accessoires ist viel möglich. Warum nicht auch bei den Schuhen? Wenn schon Prinz Willi Full Brogues dazu trägt :rolleyes: (oder war das beim Smoking?) Was denkt ihr?

Apropos Smoking: Der ist ja historisch gesehen auch eher lässige Partykleidung und daher auch in Grenzen flexibel zu kombinieren. Mein Favorit: Weiße Frackweste statt Kummerbund oder schwarzer Weste. Auch hier die Frage, wie ihr dazu steht. Das eine oder andere Mitglied hat doch sicher schon in dieser Richtung experimentiert...
 
In dem von dir gesteckten, sehr engen Rahmen gerade noch okay in meinen Augen. Aber da braucht es einiges an Fingerspitzengefühl.
 
Es kommt auf den Anlaß an. Wenn ich zu einem formellen Anlaß eingeladen werde, der Morning Coat erfordert, werde ich sicher keinen Millimeter vom offiziellen Kanon abweichen, man weiß nie, wer einen erwartet. Bei einer Hochzeit im Freundeskreis kann ich sicher etwas mehr variieren, es sei denn, es handelt sich um extrem konservative Brautleute.

Beim Frack gibt es meiner Meinung nach keinen Spielraum, das wird ihm ( und in der Regel dem Anlass ) nicht gerecht.

Der Smoking ist der "kleine Gesellschaftsanzug", den ich gerne auch einmal am Samstag Abend beim Restaurantbesuch trage, also letzten Endes ein schwarzer Anzug. Auch hier mache ich es vom Anlass und den zu erwartenden Gästen abhängig.

Aber warum soll man mit aller Gewalt variieren? Gerade bei festlicher Kleidung gibt es die Vorgaben, um auf der sicheren Seite zu sein und satoriale Clownerien zu vermeiden, das ist hilfreich für jeden. Zumal wir hier auf hohem Niveau lamentieren, die meisten haben nicht einmal einen Smoking.

Aber es gibt ja noch die Gattung der "Hochzeitsanzüge", schudder...
 
Zur Motivation: Es soll ja gar nicht mit aller Gewalt variiert werden. Es ist klar, dass man nichts falsch machen kann, wenn man sich an die Standards hält. Dafür sind sie ja da, und grade der Anfänger tut gut daran, nicht abzuweichen.

Grade weil wir hier aber ja zum Teil auf sehr hohem Niveau unterwegs sind, ging es mir darum mal zu hören, ob und wie die erfahrenen Formal-Wear-Träger Abwechlung im Ensemble unterbringen - grad weil dies sehr viel Fingerspitzengefühl voraussetzt.
 
Ich bin dazu sehr konträr eingestellt. Und die besten Argumente hat David Mitchell hier zusammengefasst:

https://www.youtube.com/watch?v=66c7el1E11o

Da man mit korrekter formeller Kleidung (in Deutschland) (leider) ohnehin schon aus dem allgemeinen Rahmen herausfällt, halte ich den Versuch, die Konvention zusätzlich 'kreativ' aufzuweichen bzw. neu zu interpretieren für den berühmten, mit guten Vorsätzen gepflasterten Weg in die satoriale Beliebigkeit.

Gruß, tobi
 
Da mir Individualität wichtiger ist als Konformität, lege Ich es jedem Nahe da individuell zu sein.
Ob man dann allerdings in einer eher konservativen und konformistischen Gesellschaft akzeptiert wird, ist dann eine andere Sache.

Ich kann nur so viel sagen, wäre Ich Veranstalter einer Sache, käme mir nicht in den Sinn jemanden eine Kleidungsvorschrift zu machen. Grenzen werden vielleicht vom Gesetz her bestimmt, diese sollten dann eingehalten werden, aufgrund von Haftbarkeit etc.


Liegt aber vielleicht auch daran, dass Ich nicht interessiert bin klassisch gekleidet zu sein, sondern mich lediglich die klassische Herrenmode anspricht und interessiert.
 
Kann ich nicht nachvollziehen, aber bitte, dann kommen die Leute halt zu deiner Hochzeit in Tennissocken und T-Shirt ;)

Falls dieser Tag wirklich kommen sollte, so sollen die Leute das tun. Ich mag zwar gut angezogene Leute, aber lieber jemand mit T-Shirt und Tenissocken der sich wohlfühlt, als jemand im Anzug, wo man sein Unwohlsein ansieht.


Kleiderordnung ist eine Erleichterung für beide Seiten. Der Gast weiß woran er ist und kann sich daran orientieren, dem Gastgeber wird nicht die Atmosphäre versaut. Übertriebener Individualismus ist eigentlich Egomanie und zeugt nicht gerade von viel Feingefühl und Geistesfähigkeiten.

Eine bewusste Entscheidung bedeutet nicht, dass kein Feingefühl da ist, sondern viel mehr, dass die Prioritäten anderst gesetzt werden.
Unbewusste entscheiden sind dann oft das Ergebnis von fehlendem Feingefühl.

Konsequenzen aus dem eigenen Verhalten muss man halt tragen und jeder kann selbst abwägen, ob ihm das Wert ist.
Das einfachste ist, man bleibt halt von einer solchen Veranstaltung fern.
 
Der Faden erinnert mich hieran: "Er war mit Sorgfalt gekleidet; sein Frack war ohne Tadel, sein Hemd blendend weiß, und seine schmalen und schön geformten Füße steckten in Lackschuhen. Dann und wann konnte man sehen, daß er rotseidene Strümpfe trug." - Thomas Mann, Der kleine Herr Friedemann

Persönlich würde ich gerade auf die Mönche zum Morning Coat verzichten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das gut aussieht, da die Monks einen zu sportlichen Charakter für die sonst formelle Kleidung haben.
(Ich würde übrigens auch keine rotseidenen Strümpfe zum Frack tragen.)

Generell können KLEINE Abweichungen von dem absoluten Standart schon erlaubt sein, wobei es ja gerade beim Smoking ohnehin schon viele klassische Varianten gibt, bei denen man sich austoben kann und dennoch zu 100% der gängigen Etikette entspricht.

Niels hatte einmal geschrieben, daß man, wenn man die Regeln verstanden hätte, auch mit diesen spielen könne. Das ist mMn sehr richtig. Aber: Man überschätzt sich da sehr schnell, so daß es meistens dann doch bescheuert aussieht...
(Ein Beispiel für das Spiel mit den Regeln ist Rex Harrison in "My fair Lady". Dort trägt er einen Frack mit Samtkragen, was sicherlich nicht dem ganz klassischen Frack entspricht. Aber es sieht sehr gut aus, so daß diese Spielerei z.B. funktioniert...)
 
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