In der Weltzentrale des Egalitarismus ist es verdächtig, gut gekleidet zu sein, höchst verdächtig zu gut gekleidet zu sein. ( Wobei es diese Einschränkung sicher auch nur in Deutschland gibt )
Und nur in dem Land, das den Unterschied zwischen Zivilisation und Kultur erfand und das heute den Begriff "Warmduscher" als Schimpfwort benutzt, konnte die Diktatur der Socken-in-Sandalen-Träger gedeihen. Wir leiden unter der Herrschaft der Geschmacklosigkeit.
Heute darf man doch froh sein, wenn überhaupt ein Sakko getragen wird, oder der Aspirant nicht zum Anzug die Krawatte weglässt, je nach Lesart um harte Arbeit, lockere Erscheinung oder Volksnähe zu vermitteln. Ich bin nach wie vor sicher, Scharpings Fall begann nach der Story über seinen "Kleidungsberater" samt Großeinkauf. Schröder wurde als "Brioni Kanzler" angefeindet und/oder verspottet ( richtig ist jedoch, die Kledage reisst es bei dem auch nicht raus ) und von Gutenberg war per se verdächtig ( keine Frage, was er gemacht hat, war Betrug, aber nur in der deutschen neidgetriebenen Erregungsdemokratie werden sofort Wikileaks Bürgerinitiativen gegründet, die akribisch jeden Schulaufsatz von Politikern bis zur Grundschule auseinandernehmen - und meist nicht einmal Abitur haben )
Die Selbstermächtigung des deutschen Kleinbürgers zur geschmacksbestimmenden Größe erfolgte aber schon im Nationalsozialismus.
Der begann sehr schnell, systematisch die Eliten auszuwechseln. Adel, Militär, Bildungsbürgertum, Kirche und, als wesentliches Element des Bildungsbürgertums, Juden: das alles wurde ebenfalls an den Rand gedrängt, eingeschüchtert, teilweise verfolgt. Was von diesen Milieus übrig blieb, befand sich in der Defensive und gewissermaßen zwischen den Stühlen, die neuen bundesdeutschen Eliten, die ja oft nur ihre politische Kultur wechselten, aber habituell und geschmacklich die kleinbürgerlichen Töchter und Söhne der Nazis blieben, waren vorgestrig. Noch dazu besaßen die alten Eliten den Makel, dass sie den deutschen Zivilisationsbruch nicht hatten verhindern können.
Da, wo es protestantisch geprägt war, zog sich vor allem das deutsche Bildungsbürgertum den Schuh sogar an und wurde kleinlaut, vorsichtig, spielte gesellschaftlich immer weniger mit.
Und so blieben die sozial siegreichen Kleinbürger ohne Korrektiv, sie siegten sogar in jenen Milieus, die ihnen früher Paroli boten. Künstlern, Schauspielern, Dichtern und Gelehrten.
Aus diesen Kreisen rekrutierten sich ja einmal Bürger und Intellektuelle. Und heute? Spätestens seit der Bildungsreform ist die Universität als stilbildende Institution tot, geprägt von 68er geprägten Salonsozialisten, die Ihre moralische Überheblichkeit wie eine Monstranz tragen.
Der Rest ist banales, unauffälliges Theater. Von Film und Fernsehen wird ohnehin niemand etwas erwarten wollen. In Sport und Musik dominiert das Proletariat.
Jedes Land bekommt die Politiker, die es verdient - nicht nur satorial, wichtiger wäre ein wenig Rückgrat, moderate Ahnung von den vertretenen Themen und die Vertretung des Volkes statt der eigenen ( Partei ) Interessen.
Als ich noch in der Politikberatung war, haben sich Szenen abgespielt, man glaubt nicht, es mit denkenden Menschen zu tun zu haben.
Heikles Thema in diesem Umfeld, weil es die Politik streift und hier natürlich sicherlich wieder für Proteststürme sorgen wird.