...bereits im RTW und MTM Bereich habe ich festgestellt, dass ab einer bestimmten Preisschwelle die Haltbarkeit abnimmt, bzw. nicht mehr so sicher gestellt ist, wie im "mittleren Preissegment". ...
Was wohl nicht zuletzt daran liegt, daß im RTW und wohl auch im MTM in gehobenen Preisklassen vor allem "feinere" Stoffe Verwendung finden - daß ein Super Zweihundertnochwas oder ein Kaschmir im Zweifelsfall empfindlicher und weniger langlebig sind als ein schwerer Tweed, ist kaum zu bezweifeln. Die Beobachtung ist ein wenig unscharf - wenn Sie mit einem VW Golf und einem Lamborghini über Buckelpisten fahren, wird der Golf besser abschneiden, ist aber deswegen noch kein besseres Auto; vergleichen Sie hingegen einen Golf mit einem Range Rover, sieht die Sache anders aus. Horses for courses, wie die Briten sagen... Wenn Sie also im gehobenen RTW- oder MTM-Segment einen robusten Stoff wählen, wird dieser sowohl vom Tragekomfort als auch von der Haltbarkeit her dem mittleren Preissegment mindestens ebenbürtig, meistens überlegen sein.
b.) Schnitte und Stoffe verändern sich mit der Mode. Auch Maßanzug anno 2011 sieht anders aus, als einer aus 1985 oder 1972. Daher stellt sich die Frage, wie lange man so einen Bespoken-Anzug überhaupt tragen kann, damit er vom Umfeld positiv wahrgenommen wird und nicht so aussieht, als stamme er vom Second-Hand oder als ein Zeichen mangelnder Bonität oder altersbedingter Nachlässigkeit gedeutet würde.
Auch hier kommt es natürlich wieder einmal auf Ihre persönlichen Stilentscheidungen an, die Sie ja beim Bespoke völlig frei umsetzen können. Wenn Sie sich Ihren Maßanzug mit "Mad Men"-Revers in der gegenwärtigen Mode schneidern lassen, oder vor 40 Jahren im damaligen Gusto mir Revers, die bei Rückenwind stets die Gefahr ungewollter Schwebeflüge mit sich brachten, werden diese Anzüge selbstverständlich nach kurzer Zeit unmodisch erscheinen.Ich selbst trage alte Anzüge und vor allem natürlich auch Tweedjacketts meines Vaters und meines Großvaters, die teilweise über 50 Jahre alt sind, und habe bisher zumeist eher Bewunderung als Ablehnung für diese Stücke erfahren, zumindest von denjenigen, deren Urteil mich auch nur marginal interessiert. Ob die Frau an der Supermarktkasse angesichts meiner alten Jacken meine Bonität infrage stellt, ist mir gelinde gesagt vollkommen egal.
c.) Meine Konfektionsgröße hat in den letzten 20 Jahren alle 3-5 Jahr 1 Größe verändert. Bespoken würde also wenig Sinn machen, da es nichts schlimmeres gibt, als ein zu eng sitzender Quetsch-Anzug. Und sei er noch so hochwertig.
Völlig d'accord mit letzterer Beobachtung. Allerdings bieten, wie schon bemerkt, Bespoke-Anzüge im allgemeinen mehr Raum zu Änderungen. Wenn man in 10 Jahren sein Gewicht verdoppelt, ist allerdings auch hier die Flexibilität meist überschritten, zumal man dann mehr an Änderungskosten zahlen dürfte, als ein neuer Anzug kosten würde. Aber auch hier gilt: Für denjenigen, der eben ein einigermaßen stabiles Gewicht hält, sind Tragekomfort und Haltbarkeit eines Maßanzuges unschlagbar, sofern er von allzu leichten und allzu empfindlichen Stoffen Abstand hält.
Das ein Anzug über 10 Jahre und mehr tragbar bleibt, halte ich für den Ausnahmefall.
Deshalb ist und bleibt der Maßanzug wohl auch der Ausnahmefall. Einen Anzug, der nicht mindestens 10 Jahre tragbar bleibt, halte ich wiederum für eine Fehlinvestition.
Ebenso einen schönen Sonntag wünschend
dE