Der grobe Unfug des Begriffs "wertig"

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich als Oberlehrer geriere, muss ich doch mal auf eine auffallende und sich endemisch verbreitende sprachliche Modetorheit eingehen.

(Aber warum auch nicht: "Stil ist die Physiognomie des Geistes", sagt Schopenhauer. Oder anders ausgedrückt: Warum trägt man rahmengenähte Schuhe, greift aber - im übertragenen Sinne - bei der Sprache auf geklebten Pappendeckel zurück? Sei's drum!)

Ich meine das Wort "wertig". Wer hat das erfunden? Was soll das? Warum benutzt man es?

Keine Ahnung. Mir fiel es zunächst hin und wieder in einem anderen Forum auf, dann verbreitete es sich rasant, mittlerweile findet man es auch in Werbeanzeigen (so jüngst in einer Autowerbung!).

"Wertig" gibt es nicht. Die "Wertigkeit" existiert genauso wenig.

Das Wort bedarf vielmehr einer Ergänzung, damit überhaupt klar ist, was gemeint ist. Es gibt minderwertig, es gibt gleichwertig, es gibt höherwertig und es gibt hochwertig.

Was soll also die Aussage, ein Schuh sei "wertig"? Minder-, gleich- oder hoch?-

Verwendet wird es ja stets als Synonym für "hochwertig". Aber, meine Herren: Richtig wird's dadurch nicht.

In diesem Sinne!

A.E.
 
Mit dem Begriff "Qualität" verhält es sich ähnlich.

Nicht nur den altsprachlich (Aus-)Gebildeten wird die Übersetzung als bspw. "Eigenschaft" bekannt sein.

In der Reklame finden sich des öfteren einfache Marketingweisheiten bezüglich
"Qualität, die man schmeckt" (sieht, hört, fühlt, riecht etc.) oder noch simpler "Qualität aus Deutschen Landen".

Vielleicht ist die Verwendung des Begriffs "wertig/Wertigkeit" ein neuer Trend ?

Dem Konsumenten wird also nicht mehr nur "Qualität", sondern (Gegen-?)"Wertigkeit" versprochen -

à la "wäscht nicht nur sauber, sondern rein." :D
 
Ja, na ja, aber....
Ich gebe Ihnen prinzipiell recht - was die Eleganz anbelangt. Aber - und da fängt das Problem an: Was ist richtig in einer Sprache? Wohl das, was die Mehrheit der Sprecher für richtig hält und auch in Sprechsituationen realisiert. Das schlägt sich dann in Wörterbüchern nieder - so etwa im Duden. Und der kennt "wertig" sehr wohl (25. Auflage, Seite 1173).
Die Sprache verändert sich - und wir müssen das hinnehmen. Schließlich gelten auch Regeln wie "Wenn-Sätze sind "würde"los..." (man erinnert sich, oder nicht...) schlicht nicht mehr. Ob es einem passt - oder nicht. Daran ändern auch die letztlich ziemlich inkompetenten Aussagen eines S. Sick wenig.

Vielleicht gibt es schönere, elegantere Ausdrücke als gerade "wertig". Falsch ist das Wort aber nicht.
LG
veltliner
 
Das negativ besetzte Wort "Problem" gibt es heute nicht mehr, man verwendet nur noch positiv besetzt das Wort "Herausforderung".

Äh, ganz klar: nööööööö.

Zumindest ist das meine vorläufige Antwort ohne weitere Erklärung deinerseits, Guenter.

Also entweder ist dieser Zeitgeist an mir vorbeigegangen, ohne mir den Odem seines Genies eingehaucht zu haben, oder ich habe ein Problem :)D) beim Verständnis Deiner Äußerung, mag ja sein...oder aber sie ist einfach unzutreffend.

Wenn ich so meine Hausarbeiten für die Uni durchblättere oder wissenschaftliche Texte rezipiere, dann kommt mir dieses problematische Wörtchen "Problem" immer wieder unter. Nicht, dass ich mich zur norma linguae Germanorum auserkoren wollte, aber, wie gesagt, ich treffe stets auf's Neue dieses Wort.

Hast Du dies auf spezielle gesellschaftliche Bereiche wie Werbung beispielsweise bezogen? Hier fände ich das nämlich zutreffend...
 
Zuletzt bearbeitet:
Nein nein - so geht das nicht!

Der Duden registriert nur noch, richtig - früher hat er auch gewertet. Egal!

Nur weil die Masse eine unglückliche, ja dumme Wortbildung massenhaft verwendet, wird doch ein solches Wort nicht plötzlich richtig.

Leute - so etwas in einem Stilmagazin!!!!

Nur weil die Masse Gummilatschen trägt, orientieren wir uns hier doch an den guten Rahmengenähten.

Und sorry: Eine Wortneuschöpfung ist "wertig" nicht, sondern eine Schlampigkeit, eine Verstümmelung eines vorhandenen Wortes, das dadruch seiner Schärfe beraubt ist.

Schluss aus - über manches diskutiert man nicht! Wer "wertig" verwendet oder in Verkehr bringt, muss künftig zum Kiton-Anzug Mephisto-Schuhe tragen!

A.E.
 
Das negativ besetzte Wort "Problem" gibt es heute nicht mehr, man verwendet nur noch positiv besetzt das Wort "Herausforderung". Wenn Sie jemanden hören oder etwas lesen, ersetzen Sie einfach "Herausforderung" mal durch "Problem". Da trifft es in 99 % der Fälle viel besser und man weiss, was los ist.

Hier möchte ich @Basileus auf jeden Fall zustimmen.
Das Wort "Problem" wird weiterhin von meiner Umgebung und natürlicherweise auch von mir benutzt - und deshalb ist der erste Nebensatz nicht richtig.

Der Begriff "wertig" ist mir auch zum ersten Mal in meinem Leben entweder in dem Forum "Style and the Man" oder hier ins Auge gesprungen; und ja, dieser Sprung tat weh...
 
Nein nein - so geht das nicht!

Der Duden registriert nur noch, richtig - früher hat er auch gewertet. Egal!

Nur weil die Masse eine unglückliche, ja dumme Wortbildung massenhaft verwendet, wird doch ein solches Wort nicht plötzlich richtig.

Leute - so etwas in einem Stilmagazin!!!!

Nur weil die Masse Gummilatschen trägt, orientieren wir uns hier doch an den guten Rahmengenähten.

Und sorry: Eine Wortneuschöpfung ist "wertig" nicht, sondern eine Schlampigkeit, eine Verstümmelung eines vorhandenen Wortes, das dadruch seiner Schärfe beraubt ist.

Schluss aus - über manches diskutiert man nicht! Wer "wertig" verwendet oder in Verkehr bringt, muss künftig zum Kiton-Anzug Mephisto-Schuhe tragen!

A.E.
Gewaltig polemisch formuliert und wissenschaftlich bedauerlicherweise erstaunlich unrecherchiert wie man es (auf diesem meinem, in einigen hier registrierten Fällen unserem, Terrain) wohl nur von Reuß und Konsorten kennt.

Daß der Duden nurmehr registriert, ohne wertend einzugreifen ist schlicht falsch; daß er dieser --nicht vorherrschende-- Zustand bedauerlich wäre, ist natürlich haltlos; Verstümmelungen nach Ihrem Wortgebrauch wären auch Bus, Profi, Akku und viele mehr; davon einmal abgesehen ist --rein linguistisch betrachtet-- die paradigmatische Katalogisierungsänderung von -wertig suf. zu wertig adj. sogar logisch und darüber hinaus erwartbar, kurzum: Dumm ist, die Machbarkeit dieser Sprachentwicklung zu leugnen.

Unabhängig hiervon soll natürlich jeder für sich selbst entscheiden, ob er Neueinbringungen in den Gemeinwortschatz akzeptiert oder nicht, nur: pseudowissenschaftliches dogmatisiern sollte dann unterbleiben.
 
davon einmal abgesehen ist --rein linguistisch betrachtet-- die paradigmatische Katalogisierungsänderung von -wertig suf. zu wertig adj. sogar logisch und darüber hinaus erwartbar, kurzum: Dumm ist, die Machbarkeit dieser Sprachentwicklung zu leugnen.

Als kleine Ergänzung: damit liegt u. a. auch ein Prozess der Sprachökonomisierung vor.

Sprache einfacher, "handlicher" zu machen ist eine Entwicklung, die in jeder Sprache zu jeder Zeit geschieht. Man sieht es am Genetiv, in einigen Jahren wird der nicht mehr existieren, da es viel "ökonomischer" ist, den Dativ zu verwenden. Ursprüngliche Genetiv-Präpositionen dürfen plötzlich mit Dativ auftreten.
 
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