@SteveHH
Lieber Stephan,
das Thema Gewicht gehört zwar nicht in "kleine Fragen, schnelle Antworten" und wurde auch schon umfassend diskutiert, ich möchte Dir aber als Betroffener, der auch mal so argumentiert und gedacht hat wie Du, meine Erfahrung weitergeben. Auch, wenn Du diese vielleicht instinktiv mit einem kopfschüttelnden "das funktioniert bei mir nicht, denn ich bin anders" quittierst. Wenn man schon seit der Jugend zu den Übergewichtigen gehört, gewöhnt man sich nämlich aus Selbstschutz eine "Ich bin anders" Einstellung an, um sich nicht an den gängigen Idealen messen zu müssen. Diese Haltung ist eine der Ursachen dafür, dass das Problem dann auch nicht mehr weggeht.
Ich startete meine Phase der Selbstveränderung im Alter von 30 Jahren. Meine Waage zeigte damals einen stolzen Wert von 120kg bei 184cm Körpergröße.
Ich denke, dass viel Missionarentum zum Thema Körpergewicht aus persönlichen Erfahrungen mit dem Thema oder aus einer Fitnessstudio/Leistungssportler-"Lebensgewohnheit" resultiert, die dann mit der Zeit auch eine Eigendynamik entwickelt. Ich hatte das Glück, in meinem Leben nie in echte Adipositas-Regionen vorgedrungen zu sein und auch noch nie irgendeine Diät durchgeführt zu haben, im Moment liege ich bei 1,84m Körpergröße bei etwa 86kg, die lediglich etwas ungleichmäßiger verteilt sind, als es mir lieb ist.
Das ist für mich aber längst kein Anlass, mich in ein striktes Gewichtsmanagement mit lebensverändernden Eingriffen zu begeben. Und deswegen sind für mich die Fitness-Lebensweisheiten "dünn ist gut ist gesund" bis "dünner ist besser ist gesünder" auch langweilig bis suspekt. Denn in der Realität sind die wirklich behandlungswürdigen Adipösen gegenüber den knapp Übergewichtigen ohne gesundheitliche Einschränkungen derart stark in der Minderheit, dass wir hier insgesamt mehr über Generationsmoden einer Mens-Health-Jugendkultur und gefühlte Attraktivität (und Eitelkeit
) innerhalb dieser Moden reden als über Lebensverlängerung und -verbesserung im gesundheitlichen Sinne. Nicht, dass Eitelkeit notwendigerweise etwas Schlechtes wäre, ich neige zur Eitelkeit genauso wie jeder andere in einem solchen Forum, aber mein Leben hat schon noch mehr Prioritäten als nur diese eine. Dazu gehört die persönliche Freiheit, im normalen Rahmen zu essen und zu trinken, was man will, wann man es will.
Damit will ich persönliche Erfahrungen wie die Deine auf keinen Fall klein reden, ich bin sicher, dass das für Dich ungemein wichtig war und ist und Du deshalb Deine Erfahrung gerne weiter gibst. Möglicherweise ist das für Steve oder andere auch ein guter Rat, der ihr Leben in eine andere Richtung führen könnte. Aber deshalb muss nicht jeder um sein Idealgewicht kämpfen als wäre das das Wichtigste auf der Welt. Oder auch nur wichtig.
Das hast Du vermutlich auch nicht gemeint, aber es gibt viele, die es genau wortwörtlich damit nehmen und lieber über Proteindrinks und Muskelaufbaumaßnahmen reden als über einen saftigen Schweinsbraten mit Knödeln, deswegen möchte ich das schon ein bisschen relativieren.