Glänzend frisiert

Es bedarf schon einer speziellen stilistischen Sozialisation, um für den Charme pomadisierten Haars empfänglich zu sein. Man muss Stars aus den Dreißigern verehrt haben, auf deren gefetteten und spiegelblank gebürsteten Haar das Licht schimmert oder wenigstens auf die Musik der Vierziger bis Fünfziger stehen. In alten UFA-Streifen faszinierte mich immer das Haar von Stars wie Willy Fritsch oder Wolf Albach-Retty.

Die goldene Haarpracht des Piano-Rockers Jerry Lee Lewis inspirierte mich schließlich dazu, mir 1979 in England eine Dose Brylcreem zu kaufen. Die einfache Allerweltshaarcreme, die es bis heute auf den Inseln an jeder Ecke gibt, bändigte meine Locken und half, sie zu schönen Wellen zu frisieren. Von der Konsistenz ähnelt sie Drogerieprodukten wie Brisk oder Fit, echte Pomade war das aber noch nicht. Die entdeckte ich 1981 auf der Rückseite der ersten Stray-Cats-Scheibe: Nu Nile aus den USA. Zäh wie Vaseline und beim Duschen nur mit mehreren Waschgängen zu entfernen. Dafür tanzt kein Haar aus der Reihe, wenn der Kamm einmal sein Werk getan hatte.

Ein weiterer Favorit aus den USA: Black & White. Weißer Plastiktiegel und intensiver Kokosduft – Connaisseure erschnuppern den Geruch drei Meilen gegen den Wind. Später stieß ich dann in London auf etwas vornehmere Pomaden, wie z. B. die des Traditionsbarbiers Trumper’s. Dem Charme der US-Podukte kann ich mich aber bis heute nicht entziehen, sie üben auf mich eine ähnliche Anziehungskraft aus, wie diverse Modeklassiker aus den Vereinigten Staaten. Um einen davon geht es nächste Woche: Die Khaki-Chino.

Kategorie: Magazin

Bernhard Roetzel

Bernhard Roetzel schreibt über Herrenmode und verschiedene Stilfragen. Der Bildband "Der Gentleman. Handbuch der klassischen Herrenmode" ist seine bekannteste Publikation, sie liegt in fast 20 Übersetzungen vor.

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