Freiwillige vor

Warum werden so wenige Fans des klassischen Stils Maßschneider? Die meisten Männer, die einen Beruf in der Mode suchen, gehen in den Handel oder ins Design. Dabei herrscht an Maßschneidern echter Mangel. Die Branche ist überaltert und der Nachwuchs glänzt nicht gerade durch Stilgefühl oder Selbstvermarktungstalent. Wer Liebe zum Gentleman-Look, ein Faible für Handarbeit und vor allem Geschmack mitbringt, hätte nach der Lehre gute Erfolgsaussichten. Ein bisschen Geld im Hintergrund für den Berufsstart könnte nicht schaden, die Hauptsache ist das aber nicht.

Warum wandern viele Deutsche zu Schneidern nach Italien, England oder Österreich ab? Das hat zum einen mit dem Look zu tun, den Maßschneider in Deutschland liefern. Meistens haben die Anzüge das gewisse Nichts, es fehlt an Klasse und Eleganz. Zum anderen liegt das an dem Selbstverständnis italienischer, britischer oder österreichischer Schneider. Sie wollen Eleganz liefern, die Deutschen reden viel zu viel von Passform und Haltbarkeit.

Der Inhaber eines berühmten deutschen Ateliers gestand mir z. B. einmal ein, dass er sich in Anzügen einer gewissen neapolitanischen Manufaktur wohler fühlt als im Maßteil aus dem eigenen Hause. Wieso soll sich da der Kunde für die Schneiderarbeit entscheiden? Die Stelle des deutschen Caraceni ist seit langem frei, Anwärter auf die Position werden von deutschen Maßfans händeringend gesucht.

Kategorie: Magazin

Bernhard Roetzel

Bernhard Roetzel schreibt über Herrenmode und verschiedene Stilfragen. Der Bildband "Der Gentleman. Handbuch der klassischen Herrenmode" ist seine bekannteste Publikation, sie liegt in fast 20 Übersetzungen vor.

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