Der Füllfederhalter

Der folgende Anblick zählt für mich zu jenen Momenten, die auch bei extremer Häufung nicht erträglicher werden, bei denen meine Rezeptoren in Sachen Abstumpfung vollkommen zu versagen scheinen: Viele Herren in meinem Bekanntenkreis, einige davon durchaus als elegant gekleidet und ansonsten mit Manieren gesegnet zu bezeichnen, sind, sei es aus Überzeugung oder aufgrund scheinbarer äußerer Zwänge, Kugelschreibernutzer. Und das nicht nur in flüchtigen Situationen, sondern dauerhaft. Mich treibt es dabei oftmals an den Rand der Selbstbeherrschung, diesen Leuten dabei zuzusehen, wie sie wichtige Dokumente, persönliche Notizen oder Kalendereinträge mir dem natürlichen Feind jeder gesunden Schreibhaltung signieren.

Ein guter Füllfederhalter dagegen ist für mich das Pendant der Schreibkultur zum rahmengenähten Schuh: sorgsam eingekauft, begleitet er seinen Benutzer im Idealfall ein Leben lang, ist wartungsarm, pflegeleicht — und schön. Wie der gute Schuh den Fuß seines Trägers schont, entlastet ein passend ausgewählter Füllfederhalter die Hand des Schreibenden. „Passend“ meint allerdings nicht nur rein optische Aspekte. Auch die Größe des Schreibgeräts, die Nutzungsgewohnheiten und natürlich die Federbreite sind nur einige Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt. Große Hände werden beispielsweise mit einem größeren, voluminöseren Füllhalter besser zurechtkommen, als mit einem sehr kleinen und leichten. Feine, enge Handschriften vertragen breite Federn weniger gut als luftige Schriften mit weiten Schwüngen. Häufiger Einsatz unterwegs macht einen Füllhalter aus stabilem Metall zum idealen Begleiter.

Zwei weitere Bestandteile des Füllhalters sind mindestens so wichtig wie die richtige Federbreite: Füllmechanismus und Tintenleiter. Günstige Füllhalter und solche, deren exklusiver Preis sich im Inneren nur bedingt gerechtfertigt sieht, werden mit Tintenpatronen verschiedener Formate befüllt. Die Neubefüllung geht so zwar relativ einfach und hygienisch vonstatten; die Füllkapazitäten dieses einfachen Systems sind jedoch nicht unbedingt vielschreibergeeignet. Auch der ökologische Aspekt ist angesichts der Einweg-Kunststoffpatronen fraglich. Die traditionellere und nachhaltigere Füllmethode besteht aus einem eingebauten Tintentank im Schreibgerät, der mittels Kolbenmechanik befüllt wird. Diese Technik wurde zuerst von Pelikan eingesetzt, die das Patent hierfür vom ungarischen Ingenieur Theodor Kovács erwarben.
Der Tintenleiter, also die Lamelleneinheit unter der Feder, bestand früher durchweg aus Hartgummi. Heute verwenden nur noch wenige Hersteller diesen Werkstoff. Die meisten Anbieter fertigen ihre Tintenleiter mittlerweile aus Kunststoff. Ein guter Kunstoff-Tintenleiter muss einem aus Hartgummi nicht zwangsläufig unterlegen sein. Allerdings verstehen sich nur wenige Hersteller darauf, ihre Tintenleiter so zu justieren, dass sie in Sachen Tintentransport und Schreibfluss den alten Ebonit-Leitern ebenbürtig sind.

Für viele Füllhalterfreunde ist einer der Hauptgründe für den Gebrauch dieses Geräts die schier endlose Auswahl an Tinten. Tatsächlich stehen abseits des Massenmarktes zahllose Schreibfarben von kleinen Manufakturen zur Verfügung. Weltruf genießt unter anderem der Hachenburger Hersteller De Atramentis, deren Tinten bereits einmal an anderer Stelle im Magazin Erwähnung fanden. Neben ausgefallenen Farben wie Adularblau und Kupferbraun werden auch duftende und nach Berühmten Persönlichkeiten benannte Tinten im eigenen Online-Shop angeboten.

Ein weiteres haben hochwertige Schreibgeräte und hochwertige Schuhe gemeinsam: Beides ist heute leider selten von kompetenten Händlern zu bekommen. Doch die Suche nach dem perfekten Schreibgerät aus kundigen Händen lohnt sich. Nicht nur bietet sich die Möglichkeit, mit einer zum Besitzer passenden Kombination aus Füllfederhalter und Tinte den eigenen Charakter zu unterstreichen. Die Benutzung eines eleganten Schreibgeräts lässt uns außerdem den Spaß an der eigenen Schrift wiederentdecken — im Zeitalter von Tastaturen und Kürzeln sicherlich nichts schlechtes.

Kategorie: Schreibgeräte

Florian S. Küblbeck

Florian S. Küblbeck ist freier Journalist und schreibt vor allem über Mode, Stil und Genuss. Mit seinem Erstwerk "Was Mann trägt: Gut angezogen in zwölf Schritten" gab er 2013 sein Debüt als Buchautor.

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