Der Sommer ist ein modischer Ausnahmezustand. Viele denken in dieser Zeit, dass Dresscodes nicht mehr gelten und lassen jeden Anstand fahren. Kurzarmhemd und offene Kragen gelten dann als erlaubt. Doch Stil hat immer auch mit Selbstbeherrschung und Disziplin zu tun. Man denke nur an die britischen Gardesoldaten, die auch bei Hitzegraden unter Pelzmützen ihren Dienst versehen.

Man mag es absurd finden, den Männern diese Uniform zuzumuten, die Form bleibt dadurch jedoch gewahrt. Zivilisten können sich davon eine Scheibe abschneiden und von Juni bis August versuchen, den Gentleman-Look aufrechtzuerhalten. Ein wichtiges Requisit dafür ist der helle Baumwollanzug. In der Regel zweiteilig mit drei Knöpfen und Seitenschlitzen modelliert, verleiht er dem Träger an warmen Tagen eine lässige Eleganz. Leichte Knitterstellen tun ihr keinerlei Abbruch, im Gegenteil, ein paar Falten brechen die Perfektion in sympathischer Weise.

Aus Sparsamkeit greifen viele Herren beim Baumwollanzug allerdings gern zu günstigeren und dann oft nicht so gut passenden Exemplaren. Für die paar Monate im Jahr tut es auch der günstige Anzug von der Stange – denken sie. Meines Erachtens ist es unabdingbar, auch beim hellen Ensemble auf ein Maximum an Qualität zu achten. Bei einem leichten Baumwollstoff kommen Schneiderknopflöcher und von Hand durchgenähte Kanten hervorragend zur Geltung, fast noch besser als auf dunklem Kammgarn. Was die Farbe angeht: Beige- und Sandtöne sind sehr beliebt, sie kleiden hellhäutige Mitteleuropäer in der Regel aber nicht sehr gut. Ich bevorzuge Dunkelblau und wenn überhaupt etwas aus der Braunskala, dann Tabak oder Milchkaffee. Weiß ist übrigens tabu, dieser Ton ist dem Leinenanzug vorbehalten. Nächste Woche: Raulederschuhe.

Bernhard Roetzel

Bernhard Roetzel ist Stilexperte und Autor des Standardwerks „Der Gentleman. Handbuch der klassischen Herrenmode<". Im Stilmagazin veröffentlicht er wöchentlich eine Kolumne in der er sich Stilfragen und aktuellen Ereignissen widmet. Alle Artikel von Bernhard Roetzel.