Was trinke ich heute....

Heute musste zum Steak ein Warmwetter-Rotwein her. Ich setzte da voll auf die Toskana-Fraktion mit dem Standard-Brunello (der sog. White Label, Benamung des Offensichtlichen :)) des Spitzenguts Casanova di Neri aus 2016, leicht eingekühlt, um ihn im 16-18 Grad Fenster zu halten. Wunderbare Balance zwischen kräftiger Würze und aromatischer Frucht, Himbeere, frisch geröstete Haselnüsse, Feige, ein Hauch von frisch aufgetragenem, dampfenden Hochsommer-Autobahnbaustellen-Asphalt, dahinter süße eingelegte Kirsche, die Säure ganz harmonisch und gezähmt am Ende, um den langen Abgang zu unterstützen. Anders als seine beiden Auslese-Brüder jetzt schon sehr gut zu trinken, ohne jede störende Adstringenz und dabei dennoch mit allem, was man von einem expressiven Top-Bruno erwarten kann. Der wird noch den ganzen Abend Spaß machen.

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Wenn ich Deine Beschreibungen lese, gerät die Tatsache, dass es sich
um Alkohol handelt, ganz in Vergessenheit. Das ist nicht ungefährlich, denn zuviel davon kann ganz hässlich werden.
 
Wenn ich Deine Beschreibungen lese, gerät die Tatsache, dass es sich
um Alkohol handelt, ganz in Vergessenheit. Das ist nicht ungefährlich, denn zuviel davon kann ganz hässlich werden.
Ersteres ist auch durchaus Absicht beim Weingenuss, der Alkohol ist hier nur eine Art Geschmacksverstärker, vergleichbar mit Fett in der Nahrung. Natürlich muss man immer aufpassen, aber ich halte die Alkoholgefahr bei beiläufigem Konsum geschmacksneutraler Produkte mit dedizierter Rauschabsicht für wesentlich größer. Wenn der Genuss dieser Substanz wirklich nur dem Geschmackserlebnis gilt und nicht der Erzielung einer schnellen Selbstbetäubung, allein oder gar als Gruppenerlebnis, ordnet man das anders ein und trinkt es auch bewusster. Sobald der Geschmack durch zunehmende Betäubung nicht mehr wahrgenommen werden kann, wird ein Weinliebhaber einfach aufhören, weil es ihm nichts mehr bringt.
 
Sobald der Geschmack durch zunehmende Betäubung nicht mehr wahrgenommen werden kann, wird ein Weinliebhaber einfach aufhören, weil es ihm nichts mehr bringt.

Genau so isses.
Du könntest mir ne Flasche für 100 Euro hinstellen, es würde mir nicht mehr schmecken.

Beim Bier geht es mir übrigens genauso, irgendwann schmeckt's nicht mehr. Manche trinken dann einfach weiter.
Je süßer das Getränk, desto geringer fällt dieser Effekt bei mir aus.

Man sieht ja auch, welche Art von Wein die Alkis auf's Kassenband legen... Da geht's nicht mehr um Genuß.
 
Man sieht ja auch, welche Art von Wein die Alkis auf's Kassenband legen... Da geht's nicht mehr um Genuß.
Man muss leider dabei auch feststellen, dass Weine, wie ich sie hier gelegentlich beschreibe, vom Großteil der Bevölkerung einfach nicht gekauft werden können. Fleisch für 95€/kg und Wein für 50€/Flasche gebe ich mir auch nicht jeden Tag. Mit anderen Worten, billiger Supermarktwein (die durchschnittliche verkaufte Flasche Wein in Deutschland kostet 3€, für den Preis kann man nur dünne Plörre produzieren) wird nicht nur von Alkoholikern gekauft, sondern überwiegend von ganz normalen Menschen, die auch mal ein Glas Wein als gesellschaftliche Partizipation an einem Kulturgetränk haben wollen, ohne je erleuchtet worden zu sein, was guten Wein von den 95% mäßigen bis schlechten Weinen unterscheidet. Und das ist eben nicht nur eine Form von Bildungsferne und unkontrollierter Hang zum Wirkungstrinken, sondern häufig einfach ein (in diesem speziellen Fall nicht-existenzieller) finanzieller Mangel.

Dessen ungeachtet möchte ich natürlich auch dafür werben, dass mehr Menschen die Genussvielfalt von gutem Wein für sich erkennen, was auch schon mit wesentlich geringerem finanziellen Einsatz funktioniert. Wenn man sich dafür geöffnet hat, ist das einfach eine tolle sinnliche Erfahrung mit hohem Hobbypotenzial, die weltweit so vielfältig ist, dass nie Langeweile aufkommen kann, nicht mehr und auch nicht weniger. Selbst engagierte Weinliebhaber sind gelegentlich sehr auf bestimmte globale „Weinmarken“ fokussiert, dass sie viele Regionen und Weintypen abseits der oft diskutierten Klassiker mit Snob-Appeal gar nicht wahrnehmen. Das finde ich schade und möchte da auch die Neugier auf Vielfalt wecken, auch wenn ich natürlich auch ausgeprägte Vorlieben und Abneigungen habe. Ich hoffe, das kann ich auch so rüberbringen.
 
Mit anderen Worten, billiger Supermarktwein (die durchschnittliche verkaufte Flasche Wein in Deutschland kostet 3€, für den Preis kann man nur dünne Plörre produzieren) wird nicht nur von Alkoholikern gekauft, sondern überwiegend von ganz normalen Menschen,
Zustimmung, mal abgesehen davon, daß ich mich in jungen Jahren auch durch die Regale getrunken habe (komme schließlich nicht aus ner Weingegend und Internetz gab's nicht).

Aber auch beim Supermarkt-Wein gibt es Unterschiede. Und beim Einkaufsverhalten der Leute gibt es auch Unterschiede - und die kann man erkennen, wenn man beobachtet.

Im Übrigen habe ich keinen Dünkel gegenüber Leuten die Supermarkt-Weine trinken. Der eine mag gutes Essen, der andere fährt teure Autos und trinkt dafür Wuppertaler Nebelhöhe, Nordhang, dritte Pressung. Muß jeder selbst wissen.
 
Heute durfte ich einen kaum zu überbietenden, mir durch Zufall zuteil gewordenen beruflichen Glücksmoment erleben, der heute in kleinem Rahmen (i.e. durch ein Anstoßen mit mir selbst) gefeiert wird:

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Du hättest bei diesem Glücksmoment aber zumindest mal ein Unterhemd anziehen können, bevor du ihn mit der Welt teilst ;)

MfG
 
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