Stoff mit Stretchanteil?

Niels Holdorf

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Warum ist Stretch eigentlich so verteufelt? Ich selbst habe keine guten Assoziationen damit, aber ist das wirklich begründet?

Natürlich ist es so, dass fast alle Kleidungsstücke, die man von der Stange mit Stretchanteil kaufen kann, unbegeisternd bis schrecklich sind, aber das spricht ja nicht generell gegen das Material.

Meine Frage ist also, ob es wirklich gute, objektive Gründe gegen Stretch gibt, neben dem "ist nicht Tradition" und "grundsätzlich nur natürliche Fasern".

Man assoziiert mit Kunstfasern ja z.B. schlechte Luftzirkulation als schlechte Eigenschaft; bei der ganzen Mikrofaser (klingt gleich viel toller ;)) Sportbekleidung kann das aber zumindest nicht generell richtig sein.

Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass ein guter Baumwollstoff von H&S z.B. wirklich schlechter wird, wenn man ihm 3% Elasthan beimischt. Könnte das nicht sogar die Lebensdauer erhöhen?
 
Baumwolle an sich ist nur sehr gering elastisch. Ich bevorzuge auch Naturprodukte. Jedoch gibt es Kleidungsstücke, bei denen ich auch einen (3%igen) Elastananteil bevorzuge. Jerseyoberteile sind ein Beipspiel. Sie würden ohne Elstan bollern und nach kurzem Tragen ausleiern. Häßliche Beulen an den Ellbogen und ganz ganz schrecklich sind ausgebeulte Knie in Hosen. Das passiert bei Kleidung mit Elastan nie bzw in unsichtbarem Ausmaß. Mir ist bis jetzt keine vermehrte Transpiration durch den geringen Anteil bekannt ;)
Auch bei Unterwäsche möchte ich darauf nicht verzichten. Dort heißt es aber meistens Lycra.
 
Ich denke, dass ein gewisser Stretch-Anteil in Jeans gar nicht so verkehrt ist. Finde ich eigentlich ganz bequem und bezüglich der Atmungsaktivität gibt es da auch keine Probleme.
 
Das Zeug ist vermutlich sehr viel verbreiteter, als man gemeinhin annimmt...
Weiß halt oft keiner bzw. wird nicht angegeben und somit stört es niemanden ;)

Für diverse "Siegel" sind bspw. 3% Fremdfaseranteil erlaubt,
und man darf sich dann immer noch "Reine XYZ-Wolle" reinnähen...

In einem Sakko lese ich beispielsweise groß
COLOMBO TRAVEL CASHMERE - PURE FINEST CASHMERE - WOVEN IN ITALY

erst das passende Materialetikett erklärt hier mal das PURE-Verständnis...:
97% KASCHMIR
3% ELASTHAN
 
Zuletzt bearbeitet:
Wuesste nicht, wieso man das verteufeln sollte. Wie bereits angesprochen, bei einigen Kleidungsstuecken kann es durchaus sinnvoll sein.

Ich habe zwei Chinos und ein Baumwoll- und ein Wollsakko mit jeweils 3-5% Elasthananteil. Die Chinos sind ziemlich eng geschnitten und ohne den Strechanteil wuerden sie sich vermutlich weit weniger bequem tragen lassen. Einen Unterschied, was Atmungsaktivitaet und Haptik des Stoffes angeht, zu den 100% Baumwollchinos des gleichen Herstellers konnte ich bisher nicht festellen. Bin aber auch kein Experte...

Bei den Sakkos fehlen mir die Vergleichsmoeglichkeiten bzw. Erfahrung, da besagtes Wollsakko noch ungetragen im Schrank haengt und ich nur ein Baumwollsakko habe, was dazu noch unkonstruiert ist. Meine Vermutung ist, das die Faltenbildung beim Baumwollsakko durch den Elasthananteil etwas vermindert wird. Aber wie gesagt, verifizieren kann ich das nicht.

Ob sich durch den Strechanteil die Langlebigkeit erhoeht, kann ich nicht sagen. Meiner bisherigen Erfahrung nach tuen sich bei den Chinos in dieser Hinsicht keine ins sofort Auge springenden Unterschiede auf. Vernmutlich beulen die Hosen mit Strechanteil am Knie etwas weniger aus. So wirklich vergleichen laessen sie sich aufgrund unterschiedlicher Schnitte und Tragegewohnheiten aber nicht. Fuer einen Langzeitvergleich sind sie mit 2-3 Jahren ebenfalls noch zu jung.
 
Was sagen denn die bespoke-Veteranen? Gibt es solche Stoffe in den einschlägigen Büchern? Schonmal was bestellt?

Ich habe ein kariertes Hemd (kein professionelles Bespoke da es von meiner Freundin genäht wurde) das einen Stretchanteil im Stoff hat und sich recht gut trägt. Ich kann sie nochmals fragen, wo genau sie den Stoff bestellt hat.
 
Also ich denke, dass ein klassischer Herrenschneider-Dogmatiker( gibts das Wort so?) kein Elastan erlaubt :)

Elastan erlaubt der Mode bei engen Hosen auf Bequemlichkeitszugaben zu verzichten. Damit geht man in Richtung hauteng...wenn man das denn mag.

Bei Reitkleidung finde ich es sehr vorteilhaft...bi-elastisch. Sowohl die Reithose als auch das Reitsakko(im besten Fall) sind aus bielastischem Material.

In der klassischen Garderobe gibt es eigentlich keine Kleidung, die schnit-technisch nach Elastan geschrien hätte.

Sinn macht es (fast) nur bei unelastischen Rohstoffen( Leinen, Baumwolle, Hanf etc) da sie eine sehr geringe Elastizität haben.
 
Es gibt querelastisch...Elastizität in Schußfadenrichtung

längselastisch...Elastizität in Kettfadenrichtung

Beides zusammen ist bielastisch und je nacht Anteil des Elastans und Stärkes des Hauptmaterials kann man das Endprodukt in beide Richtungen mehr oder weniger dehnen.
 
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