Sportsakko aus Tweed von Carlo Jösch

Klassische Maßschneiderverarbeitung

Eine Nesselprobe wird in der Damenschneiderei manchmal gemacht.
In der Herrenschneiderei wird die Schulter auf den Körber des Kunden gesteckt,
damit kann man die Unebenheiten sehr genau berücksichtigen, vorausgesetzt die Teile werden genau ausgezeichnet.
Das Nessel legt sich nicht gut in Form und man kann die Passform und den Linienverlauf nicht so genau festlegen wie auf den Stoff.
 
Eine Nesselprobe wird in der Damenschneiderei manchmal gemacht.
In der Herrenschneiderei wird die Schulter auf den Körber des Kunden gesteckt,
damit kann man die Unebenheiten sehr genau berücksichtigen, vorausgesetzt die Teile werden genau ausgezeichnet.
Das Nessel legt sich nicht gut in Form und man kann die Passform und den Linienverlauf nicht so genau festlegen wie auf den Stoff.

Dazu möchte ich sagen, daß das eine Meinung eines (zumindest dem Usernamen nach) Schneiders ist. Ich kenne Schneider, die Nesselproben nicht für sinnvoll halten und solche, die sie gerne machen. Warum man eine Nesselprobe für Damen (die man bei Anproben hinsichtlich der Arbeitstechnik ja prinzipiell wie Herren behandeln könnte) sinnvoller ist, als für Herren, konnte mir bisher aber noch niemand erklären. Für mich klingt das Argument "Nesselproben sind für Damenschneiderei" immer ein wenig wie "Rotweinflaschen darf man nur mit Naturkork verschließen".
 
Zuletzt bearbeitet:
Warum man eine Nesselprobe für Damen (die man bei Anproben hinsichtlich der Arbeitstechnik ja prinzipiell wie Herren behandeln könnte) sinnvoller ist, als für Herren, konnte mir bisher aber noch niemand erklären.

Ich glaube diese Bemerkung bezieht sich auf die "Damenschneiderin" (also Kleidermacherin) und nicht auf das "Schneiderkostüm" welches traditionsweise vom (Herren)Schneider augeführt wird. Bevor das Kleid aus der teuren Seide zuschnitten wird, macht man es erstmals in einer billigen Baumwolle, die beiden Stoffe "fallen" ähnlich, folglich gibt mir die Nesselprobe eine Idee wie sich das Kleid drapiert.

In der klassischen Couture ist die "Toile" gang und gäbe, je nach dem geplanten Endmaterial wird in Mull, Nessel, Kaliko oder sogar Filz gearbeitet. Ich weiß zwar von keinem Schneiderbetrieb der mit Toiles arbeitet (vielleicht von extremen Fällen abgesehen), aber wenn jemand diese Arbeitsweise bevorzugt, warum nicht.

Der geklebten Einlagen würden mich allerdings mehr beunruhigen.
 
Gut, war natürlich blöd von mir, nicht auf die gesamte Kleidermacherei zu abstrahieren. Ich wollte auch nicht sagen, daß Probestücke aus Nessel grundsätzlich nicht gut wären, im Gegenteil. Ich halte es nur für bedenklich, einem Schneider abzusprechen, er mache "gute/echte" Maßarbeit, weil er anders arbeitet als man selbst es möglicherweise tun würde.

Das mit den Klebeeinlagen würde mich natürlich interessieren. Ich kann auf den Photos zwar nicht wirklich Pikierstiche erkennen; das kann allerdings auch durch eine Schwarze Einlage und schwarze Fäden verursacht sein (sieht man ja häufig bei porösen Stoffen). Das Revers könnte auch einfach bisher nur rudimentär geheftet gewesen sein, da es sich offenbar um eine sehr frühe Probe handelte. Deshalb sollte man ganz ohne Fernorakelei vielleicht einfach eine Antwort von Andreas oder Carlo Jösch abwarten.
 
Zur Nesselprobe:
Je nachdem und wie und was, wie gesagt.
Nur als Beispiel:
Ich hatte bisher ein einziges mal eine "Nesselprobe", von meinem deutschen Schneider für eine recht aufwendige Mantelgeschichte, und dabei ging es auch nur darum, einen idealen einzelnen Ansatzpunkt (für "Seitenschlitze" bzw. Beginn seitlicher halber Kellerfalten am Mantel) zu überprüfen, der Rest war in diesem Fall Wumpe.


Zum Kleber in der Maßschneiderei an sich:
Einige der teuersten deutschen Schneider arbeiten mit geklebten Fixierungen.
Jedoch nicht mit geklebten Einlagen!
Die Fixierung (ultraleicht, 30g/m², soll es angeblich nur in Deuthschland geben, sonst geht das Zeug zum für Klebeeinlagen bei 60g erst los) dient in diesen Fällen dazu den Stoff geradezu perfekt und unnatürlich abzuglätten, vernähte Einlagen werden trotzdem hinzugefügt.
In diesen Fällen macht die Klebefixierung den eben nur glatt, hat aber nichts mit den Klebeeinlagen zu tun wie man es von günstigeren Konfetkionsprodukten kennt bei denen Klebeeinlagen verwendet werden um dem Sakko schnell und konstegünstig die Form zu verpassen.
Dies geschieht in diesen Fällen weiterhin mit entsprechenden vernähten Einlagenmaterialien.

Ein bekannter Vetreter dieser Schule im Ausland war Otto Perl, zeitweise der Erfolgreichste Schneider in New York, der einzige der zu dieser Zeit mit "Kleber" die Stoffe fixiert hat, genau diesen glatten Look wollten die Kunden.
Hier ist ein Bild vom guten Otto, welches auch einige ziemlich heiße weitere Details zeigt, er war ein verdammt guter Zuschneider...ein genauerer Blick auf das Revers lohnt:
 
Faszinierend. Die Klebstoffbranche hat in den letzten Jahren unglaubliche Fortschritte gemacht, so werden mittlerweile auch Flugzeuge weitgehend geklebt. Dass das aber auch in der Schneiderei Folgen hatte, war mir völlig neu. Vielleicht wird es ja demnächst analog zur molekularen Küche auch eine Verwissenschaftlichung der Schneiderkunst geben.

Das Bild ist unglaublich. Wenn nur diese Ähnlichkeit zu Yps nicht wäre...

Ohne die hohe Handwerkskunst des Herren herabwürdigen zu wollen, kommt mir spontan die Frage in den Sinn warum man an ein Sakko ein Revers macht, wenn es dann praktisch unsichtbar ist ...

Die Taschen sind für meinen Geschmack gewöhnungsbedürftig.

Bg
 
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