Schluss mit dem Akademisierungswahn!

Ich bin in der Schule immer den Weg des geringsten Widerstands gegangen. Wieso auch nicht? In BW hat man aber automatisch Mathe und Deutsch als "Leistungsfach"...
 
Ja, da ist er wieder, der Sprücheklopfer, der mich nicht versteht :p
Im Deutschunterricht jedenfalls auch nicht aufgepasst. Ich schrieb doch: "[...] WENN Leute aus Faulheit [...]". Weder schrieb ich, dass dies alle tuen, noch dass Geisteswissenschaften weniger wert seien. Wenn impliziert einen Konditionalsatz, oder?

Das waren Berichte aus meiner Erfahrung und ja, verdammt viele haben diese Kombination (oder Deutsch und Erdkunde) genommen, damit sie ihre Ruhe haben. Mathe wurde dafür als Grundkurs geschrieben oder in der Mündlichen abgearbeitet. Aus Interesse, so es denn den Leuten ernst ist, soll mir das doch egal sein. Andersrum finde ich es hingegen amüsant.

Dies führte interessanterweise sogar so weit, dass Leistungskurse wie Chemie oder Physik mit 5 bzw. 11 Mann besetzt waren und schon überlegt wurde uns diese Kurse gänzlich zu verwehren. Die Lösung war dann ein sog. Huckepackkurs: 5 Wochenstunden Leistungskurs wurden auf 2 Std. festgesetzt und die restlichen 3 mit den paar Leuten zusammen veranstaltet, die sich wenigstens zum Grundkurs der Physik oder Chemie durchringen konnten. Die Lateiner hatten aber weniger Glück, da wurde der ganze Kurs gestrichen.
Ich bin nach der Schule nicht einmal ansatzweise in die Naturwissenschaften gegangen, aber ich habe dadurch interessante Dinge gelernt und analytisches Denken. Diese ganzen Schmalspuraffen, die einem nachher vorwerfen wollen, dass man als Jurist oder Wirtschaftswissenschaftler am besten gleich als Kindergartenkind auf den Ökonomieweg hätte gehen sollen, haben doch den geistigen Horizont eines Steines.

Geschadet hat es mir bisher jedenfalls nicht, dass ich getan habe was ich tat. Letztlich, seien wir mal ehrlich: diese Art von Stringenz führt nur zu einem, Verlust an Wissen. Es ist doch nicht so, dass man an der Uni nicht trotzdem bei Adam und Eva anfinge. Dafür hätte ich dann die anderen Eindrücke verpasst, ersatzlos.


Dann kloppe ich doch gleich nochmal einen Spruch.
Deine Aussagen machen nur Sinn, wenn du Deutsch und Politikwissenschaften leichter einschätzt als die Naturwisssenschaften. Du nimmst die Gruppe der interessierten heraus und unterstellst dem Rest Faulheit oder Dummheit. Wie kann man sich bitte drücken oder es sich einfach machen, wenn das alternative Fach gleichwertig ist? Als logische Endkonsequenz wertest du Physik und Chemie höher als besagte Fächer.
(Geile Analyse für einen Politik-LKler :D)

Auch sozialwissenschaftliche Bildung ist wertvoll und an der mangelt es in unserer Gesellschaft gewaltig. Im Umfeld einer TU könnte ich manchmal heulen, weil die Leute so politisch ungebildet sind und keine gesellschaftlichen Zusammenhänge erkennen bzw. analysieren können. Und von Physik verstehen die echt genug, aber ihre analytischen Fähigkeiten enden bei Elektronen oder Scherkräften. Hierbei bestätigen die Ausnahmen wieder die Regel.
Von der mangelnden Sprachkompetenz will ich gar nicht reden.

Fachidiotie schadet natürlich in allen Richtungen, da gebe ich dir recht.
 
Neben den teils polemischen Vorurteilen ein paar Seiten zuvor mal ein paar Fakten zum Thema, aus meiner persoenlichen Erfahrung:

70% sind freiwillig ins Ausland gegangen
90% arbeiten neben der Uni (abgesehen von Praktika in der vorlesungsfreien Zeit und nicht selten auch mit 2+ Jobs)
aber: gut 60% haben das Studium auch abgebrochen.

Es mag sein, dass es viele faule Studenten gibt. Ein Grossteil ist aber heute erheblich zielorientierter und engagierter als frueher. Das mag man bewerten, wie man will, aber das zeigt sich in der Mentalitaet absolut. Gerade in Deutschland divergiert zumindest ein gewisser Anteil an Studenten, die sehr leistungsbereit sind. Das faellt mittlerweile auch im Ausland auf.
Dies wird auch durch die freie Bildung ermoeglicht. Seit ich im Ausland war, bin ich absolut davon ueberzeugt, dass Bildung absolut frei von direkter Kostenbeteiligung der Studenten sein muss. Dennoch darf ein Studium langfristig nicht kostenlos sein. Daher bin ich auch ein absoluter Befuerworter der Anschlussfinanzierung ueber einen Gehaltsbeitrag ab einer Mindestgrenze. Wer aber hier mit Studiengebuehren anfaengt und aus anglikanischer Perspektive das deutsche System kritisiert, sollte einmal die Augen fuer die verdummte, faule, zu faktisch 99% TOTAL unfaehige Elite an britischen Unis oeffnen. Denen wuerde ich nicht mal zutrauen, Regale einzuraeumen.
 
. Gerade in Deutschland divergiert zumindest ein gewisser Anteil an Studenten,.

Was möchtest Du damit sagen? Die Verwendung von "divergieren" verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht.

Zur Kostenfreiheit: Schon jetzt ist das Studium nicht kostenfrei. Der Gehaltsbeitrag ab einer Mindestgrenze wird in Deine und Deiner Eltern Steuern ohne großen Berechnungsaufwand und damit kostengünstig für den Staat eingebaut und festgesetzt :D.

Im Ernst: Ich glaube nicht, daß es eine besondere Abgabe für Hochschulabsolventen geben sollte. Wer besonders finanziell profitiert, zahlt nach dem Studium mehr Steuern; wer nicht, ist auch nicht leistungsfähig genug.

Grüße Zieten
 
Was möchtest Du damit sagen? Die Verwendung von "divergieren" verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht.

Ich sehe - und das ist rein subjektiv - tatsaechlich eine Bewegung, dass bestimmte Studentengruppen sehr aktiv versuchen Leistung zu tragen, wohingegen dies bei anderen Studenten nicht in der Form erkennbar ist. Das ist jetzt auch nicht studiengangsspezifisch. Insofern divergiert eine Gruppe an sehr leistungsorientierten Studenten von einer teils noch unselbststaendigen, vor allem aber total verschulten Masse.

Zur Kostenfreiheit: Schon jetzt ist das Studium nicht kostenfrei. Der Gehaltsbeitrag ab einer Mindestgrenze wird in Deine und Deiner Eltern Steuern ohne großen Berechnungsaufwand und damit kostengünstig für den Staat eingebaut und festgesetzt :D.

Im Ernst: Ich glaube nicht, daß es eine besondere Abgabe für Hochschulabsolventen geben sollte. Wer besonders finanziell profitiert, zahlt nach dem Studium mehr Steuern; wer nicht, ist auch nicht leistungsfähig genug.
Das halte ich volkswirtschaftlich fuer nicht sinnvoll. Ja, die Gesellschaft profitiert vom Studium ebenfalls, aber unterm Strich profitiert der Studierende ueberproportional. Ueberproportional in dem Masse, dass die erhoehten Steuern dies nicht abfangen. Die aktuelle Loesung ist ein solidarischer Generationenvertrag. Das ist pauschal, wenig effektiv und setzt falsche Anreize. Richtig waere das hier vorgestellte Modell des umgekehrten Generationenvertrages. Grob ueberschlagen erkennt man hier schon, dass bspw. bei einer 5%-igen Belastung beginnend nach und andauernd fuer 5 Jahre nach dem letztmaligen Studienabschluss, ab einem Bruttojahreseinkommen von 30000€, von selbigem einen Betrag realistisch waere, der das Dreifachen der aktuellen Studiengebuehren ausmacht. Wuerde man den Betrag vom Brutto als Spende an eine politisch unabhaengige Institution (das ist ja bei den Oeffentlichen, dem angeblichen Instrument der Volksbildung auch moeglich) anrechnen, waere die Effektivhoehe des gezahlten Beitrags sehr verkraftbar, gleichzeitig wuerde man durch den Rueckgang in der Progression auch einen Beitrag auf die Steuerzahler umlasten, der als Gegenwert fuer die bisherige Steuerfinanzierung gesehen werden kann. Das waere extrem einfach zu kalkulieren, erheblich weniger aufwaendig als Steuern, und wuerde vor allem fuer eine - vielleicht dringend notwendige - politisch unabhaengige Finanzierung der Hochschulen garantieren. Ueber Verteilung je nach Studiengang/-ort etc. muesste man selbstverstaendlich Gremien mit Budgetverantwortungen definieren. M.E. aber immer noch sinnvoller, als die aktuelle Loesung.
 
Zuletzt bearbeitet:
In der Sache bin ich weiter nicht mit Dir einig. Du willst also Gremien mit Budgetverantwortung definieren, und meinst, das wäre erheblich weniger aufwendig als die Steuern festzusetzen? Mal kurz gelacht, mit Verlaub! Allein die Etablierung einer zusätzlichen Verwaltung für die Abgabe ist extrem aufwendig.

Aber schon der Grundansatz geht m.E. fehl. Der setzt nämlich dort an, daß ein Studium einen in welchem Maße auch immer finanziell abzuschöpfenden Wert beim Absolventen ergibt. Das bestreite ich kategorisch, mindestens in der Allgemeingültigkeit. Wer sagt, daß der Absolvent als Handwerksmeister oder unstudierter Unternehmer nicht genausoviel verdient hätte? Dort wird aber nicht für die Rahmenbedingungen des Staates abkassiert. Ich sehe da eine Ungleichbehandlung und einen Anreiz in die evt. falsche Richtung. Wer also eine Freibetragsgrenze festsetzen wollte, handelt weitgehend willkürlich. Zudem ist die Inanspruchnahme staatlichen Aufwandes sehr ungleich verteilt unter den Studienfächern. Germanisten und BWLer sind billig, Ingenieure und Mediziner teuer- wie soll das verteilt werden?

Zu klären wäre auch, ob Studienabbrecher die Abgabe auch zahlen sollen ("sind doch selber schuld, hätten ja ordentlich lernen können"). Was ist außerdem mit der Tatsache, daß die Studienarbeit unentgeltlich geleistet wird? Lehrlinge z.B. werden bezahlt! Wird dann die Weiterbildung des Gesellen zum Meister auch der Abgabe unterworfen (die Prüfungsgremien werden auch von der Allgemeinheit bezahlt)?

Insgesamt Fragen über Fragen! Oder doch lieber alles so lassen wie es ist?:p

Grüße Zieten
 
Insgesamt Fragen über Fragen! Oder doch lieber alles so lassen wie es ist?:p

Klar, das ist immer die einfachere Loesung. Sicher, es ergeben sich Fragen aus dem Modell. Es gibt aber einfach auch Studien, die zeigen, wie viel ein Akademiker systematisch mehr verdient auf Grund seiner Ausbildung. Ich stimme dir im Einzelfall vollkommen zu, dass es da keinen determinierten Zusammenhang zwischen Ausbildung und Gehalt gibt - statistisch ist er im Allgemeinen aber nicht zu leugnen. Bisher werden die Budgets ja ebenfalls verteilt. Allerdings unter dem Einfluss politischer Entscheidungen (darunter faellt auch die Hochschulpolitik) und mittlerweile den Interessen privater Investoren, so schade das ist. Dem koennte man einem institutionell unabhaengigem Beitrag entgegenkommen, allein um die "Privatinvestitionen" zu substituieren. Das System benoetigt eben eine Verteilung, die von den Mehreinnahmen profitiert, ohne die Studiengaenge davon abhaengig zu machen. Diese ganzen Fragen sind allerdings keine Fragen des Beitrags selbst, da er nur eine alternative Erhebung darstellt, sondern existieren schon im jetzigen System. Und dabei werden sie sogar oft ineffizient und nicht immer unabhaengig getroffen. Insofern teile ich deine Bedenken, sehe sie aber nicht strikt in Verbindung mit einer alternativen Abgabe.
 
Sehr interessante Diskussion hier, in die ich mich als (noch) involvierte Person (wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer deutschen Universität) gerne kurz einbringen möchte.
Was in den letzten Jahren in Deutschland immer weiter passiert, ist meiner Meinung nach lediglich ein -- wenn man es böse ausdrücken möchte -- 'Umlabeling' ehemaliger Ausbildungsberufe. Viele ehemalige und noch immer präsente Ausbildungsberufe (z.B. Physiotherapie und Krankenpflege, um nur zwei zu nennen) werden mittlerweile (zusätzlich) an FHs als Studiengänge angeboten, ohne dass (soweit ich das mit der begrenzten Einsicht, die ich in das System habe, zu beurteilen vermag) sich die Inhalte wesentlich geändert haben. Das Einzige, was sich geändert hat, sind die Zugangsvoraussetzungen, nämlich Fachabitur. Natürlich kann ich als Staat dann behaupten, dass ich jetzt plötzlich eine Studierendenrate von 50% habe, aber im Grunde ist es lediglich eine Umkategorisierung.
Bei den grundständigen Uni-Studiengängen, in die ich Einblick habe (vorwiegend Lehramtsstudiengänge im geisteswissenschaftlichen Bereich), sind keine merklichen Veränderungen der Studierendenzahlen zu beobachten, da zumindest die Unis, die ich kenne, nur so viele Studierende aufnehmen, bis ihre jeweilige Kapazitätsgrenze erreicht ist. Und da eher Stellen ab- als aufgebaut werden, wird sich dort auch in Zukunft nicht viel ändern, schätze ich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Oben