Kleidung farblich abstimmen mit Begleitung (Gäste)

Die Formalität ergibt sich aus der besuchten Veranstaltung. Da muss man nichts mit der Partnerin abstimmen, solange beide die Formalität des gegebenen Rahmens beachten.
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Heute lassen die meisten Veranstaltungen ein weites Spektrum an Garderobe zu. Das muss Dir nicht gefallen, ist aber soziale Realität. Bei einer Hochzeit beispielsweise gibt wohl in der Regel das Brautpaar den sartorialen Rahmen vor, der mehr oder weniger von konventionellen Traditionen abweichen kann, der oft auch noch extensiv gefasst ist. Die Ereignisse, die heute aus sich selbst heraus den Formalitätsgrad bestimmen, kann man an einer Hand abzählen. Schlicht, da es für die meisten Veranstaltungen keinen gesellschaftlichen Konsens, die Kleiderordnung betreffend, gibt. Oder „schlimmer“ noch, es ist gar zunehmend eine Konvention des Legeren vorzufinden.
 
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Dass eine bestimmte Veranstaltung heute einen bestimmten Dresscode impiziert, ist eher die Ausnahme als die Regel – eine gegenteilige Behauptung oder Annahme ist aus meiner Sicht wirklichkeitsfremd. So verlangen beispielsweise besonders feierliche Bälle oder Empfänge sowie Honorierungen auf Staatsebene einen strengen Dresscode, Hochzeiten hingegen gehören nur noch in den seltensten Fällen dazu, es sei denn, es ist expliziter Wunsch des Brautpaares. Somit lassen festliche soziale Ereignisse den Teilnehmern oft einen recht weiten Ermessensspielraum. Laden wir zum Beispiel auf eine Party mit dem Hinweis „white tie“ ein, so ist dies als Empfehlung und nicht als Restriktion zu verstehen.

Um noch einmal zur Ausgangsfrage zurückzukehren. Letztens las ich hier von einem Foristen, dass seine Frau sich manchmal für seinen Aufzug schämt. Nun, Frauen haben sehr oft feine Antennen dafür, welche Kleidung mit welchem Anlass kompatibel ist. Wie dem auch im Einzelfall sei, gehe ich mit einer Dame aus, werde ich immer bemüht sein zu ihrem Wohlbefinden beizutragen, werde mich folglich davor hüten Kleidung zu tragen, die ihr dieses nimmt. Dazu ist selbstverständlich ein gewisses Maß an Kompromissfähigkeit nötig. Sind die Differenzen allerdings zu groß und auch mit größter Toleranz nicht überbrückbar, muss man eben aufs Vergnügen verzichten. Wobei ich annehme, dass die Attraktivität der Dame die Toleranzschwelle durchaus zu heben imstande ist.

Die Abstimmung mit einem Partner verläuft schließlich über mehrere Ebenen, einer formalen, einer ästhetischen, aber auch einer empathischen Ebene.
 

Einer Bewertung der allgemeinen zeitgemäßen Kleiderordnung enthalte ich mich derweil, lediglich, soweit dies einem Subjekt möglich ist, bin ich versucht, das Sujet möglichst objektiv zu beschreiben. Nur soviel: Soweit werden wir geschmacklich nicht auseinander liegen, nur verleitet mich mein eigener Geschmack nicht dazu, ein allgemeines Werturteil zu fällen.

Ästhetisch präferiere ich unter anderem auch die Malerei der Renaissance und der Belle Epoque, nur möchte ich nicht so töricht sein, meinen eigenen Geschmack höher zu bewerten als einen beliebig anderen. Zumal ich auch in anderen Epochen für mich immer wieder Schönes und Erstaunliches finde. Was für mich gilt, muss längst nicht allgemeingültig und was heute gilt, dass kann morgen ungültig sein.

Die Liebhaber der klassischen Bekleidungsphilosophie stehen eigentlich längst auf verlorenem Posten, weil der Lauf der Welt nicht aufzuhalten ist, weil alles seine Zeit hat von der Geburt bis zum Untergang. Mag es kurzzeitig möglich sein alte Ideale zu restaurieren, der Tag wir kommen, an dem diese endgültig hinweggefegt werden.

Dass darum gerungen wird, auch das liegt in der Natur der Sache und dass der Kampf des Verlierers immer verzweifelter und verbissener wird ebenso. Juristen wird der Begriff geläufig sein: Die normative Kraft des Faktischen schafft längst Fakten, wo sich die Gelehrten noch streiten mögen. Um festzustellen, was faktisch ist, bedarf es lediglich eines offenen Auges.

P. S.

Und da sage noch einer, der Esel sei ein dummes Tier. In manchen Dingen ist das Störrische doch eine ganz famose Eigenschaft.


P. P. S.

Die Liebe, lieber Freund, ist ein biochemischer Prozess, der lässt sich auch von Formalitäten selten stoppen.
 
Das ist leider völliger Unsinn. Seit Jahren gibt es eine konservative Renaissance, nicht nur in der Kleidung, bei jungen Leuten. Abgesehen davon ist das Bewahren von Werten nichts, was sich mit einem Dasein in und einem Gutheissen der positiven Errungenschaften der modernen Welt beisst. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiss.

Dass Du den Wimpernschlag des Augenblicks als Beleg für eine permanente Renaissance ansiehst, sei Dir unbenommen. Allerdings ist beispielsweise der Krawattenabsatz seit Jahren rückläufig, ebenso der Absatz von Anzügen, auch wenn es im unteren Preisbereich für einige Zeit eine gegenläufige Tendenz gab. Nun gut, mir sei gestattet Deiner Kurzzeitbetrachtung eine eigene Methodik entgegenzusetzen und einen größeren Zeithorizont betrachtend heranzuziehen. Beim Blick in die Textil- wie in die Kulturgeschichte überhaupt fällt auf, dass bisher noch jede Stilrichtung zu Grabe getragen wurde, daraus lässt sich prognostizieren, dass dies auch zukünftig so sein wird. Auch verlaufen Entwicklungen in den seltensten Fällen linear, der dem Aufstieg folgende Niedergang war immer durch zwischenzeitliche Phasen der Prosperität gekennzeichnet. Eine Analogie aus der Natur - auch ein sterbender Baum produziert kurz vor seinem Ableben noch einmal vermehrt Triebe. Botaniker können sicher mehr dazu sagen. Ein Blick in die Sozialgeschichte ist insoweit interessant, dass Zeiten von wirtschaftlicher Unsicherheit immer mit einem Aufblühen des Konservatismus verbunden waren, der sich zunehmend mit einem wachsenden Avantgardismus auseinanderzusetzen hatte. Langfristig waren die Neuerer immer siegreich. Man bedenke, was heute als konservativ gilt, dass war gestern progressiver Modernismus.

Um dieses Thema nicht inflationär zu behandeln, nur ein kurzes Wort zu Werten. Werte existieren nur innerhalb ihres Bezugsrahmens, der sozial mehr oder minder vorhandenen Übereinkunft, außerhalb dessen sind sie nichtig. Kurz, es gibt keinen Wert an sich. Weiterhin unterliegen sie ständig den Wechselfällen der jeweiligen Mode, Paradigmenwechsel sind dabei permanenter Begleiter menschlicher Sozietäten. Bewahrer und Neuerer stehen sich insoweit konfrontativ gegenüber, umso mehr die Widersprüche bestehender Ordnungen evident werden. Interessant ist in dem Zusammenhang, dass Du Bekleidung als Symbol Deines Wertekanons begreifst. Zum Glück könnte die Halbwertzeit klassischer Bekleidung darüber hinausragen, da jedes Symbol eben auch einen Bedeutungswandel erfahren kann. So hat beispielsweise Weihnachten auch im Atheismus überlebt.
 
Bevor ich mich wieder etwas schlafen lege. Noch ein Wort zur Weltsicht (schwarz-weiß und so)

Weißt du, ähnlich wie der Hilfsbuchalter Bernardo Soares verlasse ich häufig im Morgengrauen mein bescheidenes Quartier, schreite durch die schnurgeraden Straßen, nein, nicht die Lissabons, lege im Bürokontor angekommen meinen Mantel ab, setzte mich an meinen Schreibtisch und bitte, im Gegensatz zu Soares, die Sekretärin darum nicht gestört zu werden. Dann lege ich die Füße auf den Tisch, rühre mein zuvor georderten Cappuccino um, betrachte das zum Verzehr bereitliegende Hörnchen und denke dabei ein wenig in die eine oder andere Richtung. Wie klein der Mensch doch ist, denke ich zum Beispiel, ein Nichts, mag er noch so groß erscheinen. Was weiß er schon, was weiß er wirklich, der Mensch, was kann er überhaupt wissen außerhalb seiner ach so begrenzten sensorischen Fähigkeiten? Ja, die Grenzen unsere Wahrnehmung sind die Grenzen unserer Welt. Die Wahrnehmung ist gerade nur ein Teich innerhalb eines Ozeans. In diesem konstruiert sich nun dieser kleine Mensch seine Theorien, eine häufig so gut wie die andere. Bei aller Zwergenhaftigkeit seiner selbst, stellt er sich doch hin und brüllt als sei er ein Löwe.

Ach ja, vanitas vanitatum.
 
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