Niels Holdorf

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Gerade über eine Passage gestolpert, die ich allen Verfechtern der "jaja, aber Ich finde es halt so schön, das ist aber nur meine Meinung"-Ideologie ans Herz legen möchte:

§ 7. Vergleichung des Schönen mit dem Angenehmen und Guten durch obiges Merkmal

[...]
Mit dem Schönen ist es ganz anders bewandt. Es wäre (gerade umgekehrt) lächerlich, wenn jemand, der sich auf seinen Geschmack etwas einbildete, sich damit zu rechtfertigen gedächte: dieser Gegenstand (das Gebäude, was wir sehen, das Kleid, was jener trägt, das Konzert, was wir hören, das Gedicht, welches zur Beurteilung aufgestellt ist) ist für mich schön. Denn er muß es nicht schön nennen, wenn es bloß ihm gefällt. Reiz und Annehmlichkeit mag für ihn vieles haben, darum bekümmert sich niemand; wenn er aber etwas für schön ausgibt, so mutet er andern eben dasselbe Wohlgefallen zu: er urteilt nicht bloß für sich, sondern für jedermann, und spricht alsdann von der Schönheit, als wäre sie eine Eigenschaft der Dinge. Er sagt daher, die Sache ist schön; und rechnet nicht etwa darum auf anderer Einstimmung in sein Urteil des Wohlgefallens, weil er sie mehrmalen mit dem seinigen einstimmig befunden hat, sondern fordert es von ihnen. Er tadelt sie, wenn sie anders urteilen, und spricht ihnen den Geschmack ab, von dem er doch verlangt, daß sie ihn haben sollen; und sofern kann man nicht sagen: ein jeder hat seinen besondern Geschmack. Dieses würde so viel heißen, als: es gibt gar keinen Geschmack, d.i. kein ästhetisches Urteil, welches auf jedermanns Beistimmung rechtmäßigen Anspruch machen könnte.
[...]

Das passte einfach zu gut.

Andere metasartoriale Betrachtungen™ sind herzlich willkommen!
 
Sobald man etwas, was man als schön empfindet, benennt, kann es der andere nichtmehr selbst beurteilen. Also kann man es mit ihm auch nicht teilen. Weil man ihm seine Meinung aufdrückt bzw ihn in seiner Wahnehmung manipuliert.
 
Zum Thema passend fielen mir die Begriffe Habitus und hexis nach der Definition des französischen Soziologen Pierre Bourdieu ein.
 
Gegen den deutschen Idealismus stelle ich David Hume:

There is something approaching to principles in mental taste; and critics can reason and dispute more plausibly than cooks or perfumers. We may observe, however, that this uniformity among human kind, hinders not, but that there is a considerable diversity in the sentiments of beauty and worth, and that education, custom, prejudice, caprice, and humour, frequently vary our taste of this kind. You will never convince a man, who is not accustomed to Italian music, and has not an ear to follow its intricacies, that a Scots tune is not preferable. You have not even any single argument, beyond your own taste, which you can employ in your behalf: and to your antagonist his particular taste will always appear a more convincing argument to the contrary. If you be wise, each of you will allow that the other may be in the right; and having many other instances of this diversity of taste, you will both confess, that beauty and worth are merely of a relative nature, and consist in an agreeable sentiment, produced by an object in a particular mind, according to the peculiar structure and constitution of that mind.

David Hume, Essays: Literary, Moral, and Political, XVII. -- THE SCEPTIC
 
Alles Erkenntnistheorie, unter LSD-Einfluß ist mein persönliches Schönheitsempfinden auch dramatisch verändert und meine mentale Kapazität im Bezug auf die der Verarbeitung von Hirngespinsten und Wortdefinitionen von Philosophen erst recht.
 
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