Es ist vielleicht eine Kernfrage dieses Threads, ob der verbreitete gesellschaftliche Unwille des Deutschen gegen sartoriale Kleidung auch daher rühren könnte, dass er dem Neid/Häme-Reflex seiner Mitmenschen durch äußerliche Tarnung/Angleichung auf unterem Niveau aus dem Weg gehen möchte. Das wäre sicherlich auch ein Erklärungsmodell für die hier hin- und wieder auftretende Frage, ob man "overdressed" sei und wie man damit umgehen könnte (mit der typischen Antwort "downdressen, was das Zeug hält!").
Dem ist garantiert so, zumindest war das die Antwort von einigen Studentinnen, die ich danach fragte
warum sie in Jeans herumlaufen statt Rock.
Ein anderer Aspekt ist der, dass viele Leute, egal wie alt, es gar nicht besser wissen - nicht jeder kauft die GQ oder MONSIEUR oder
liest sich im Internet ein, um sich über Mode und Fashion zu informieren.
Bei Design und Material kennt sich kaum noch jemand aus, man frage mal so in abendlicher Runde seine Bekannten und Freunde
was Merino-, Cashmere- und Baumwolle ist, wo sie herkommen und ob z.B. Baumwolle immer gleich Baumwolle ist.
Da dem nun einmal so ist, dass kaum noch jemand ein Interesse hat so wie Großmutter sich mit Wolle usw. zu beschäftigen,
kaum Wissen in der Familie vorhanden ist, Oma ist schon lange tot, springen die Marken und Brands in diese Bresche.
Da unsere Gesellschaft als einzigen Wert noch das Geld resp. Vermögen hat, niemand mehr danach fragt
wo es herkommt oder wie es verdient wurde, gelten Luxus Brands als Statussysmbol, nebst Smartphones.
Eine Dame ohne das neueste Iphone oder ohne luxury bag für >1.500 € - einfach unvorstellbar!
Somit sind die Marken der Qualitäts-, Design- und Geschmacksindikator sowie das Statussymbol,
mal offen und mal etwas dezenter getragen.
Ein Herr ohne sichtbare Nähte unter den Schuhsohlen, ohne passenden Ledergürtel - denkbar?
Bekleidung wurde zum Konsumartikel für die meisten, da das so ist, kann man es nicht ändern,
und diejenigen, die es ändern könnten, die Journalisten, propagieren den Billigeinkauf von Brands
in Outletcentern und Internet, das Bargain Hunting.
Es gehört schon ein gewisser Grad an Selbstverliebtheit dazu sich nach eigenem Geschmack und ohne Wert
auf die gehypten Brands zu legen gut und gut aussehend zu kleiden.