AmicoE.Z.
Well-Known Member
Der Artikel war in der Tat recht einseitig, und gerade in diesem Medium wird ganz verstärkt in selbige Richtung geschrieben. Daß der Untergang des Anzuges von verschiedensten Seiten akklamiert wird, liegt, meiner Vermutung nach, daran, daß ein gut Teil der Akklamierenden noch keinen passenden, oder wohlansehnlichen (geschweige denn hochwertig verarbeiteten) Anzug zu tragen die Freude hatten. Die Ablehnung dem Anzuge gegenüber im linken politischen Spektrum, in welchem ich nach den gängigen Unterscheidungen wohl auch zu verorten wäre (ja, auch die taz, ein teils konservatives, teils vulgärlinkes Magazin) hat in seinem neuerlichen Ruf als Geschäfts- /Bureau-Kleidungsstück der Konservativen und Juristen, Bankiers etc. also Leuten, mit denen Linke gemeiniglich wenig assoziiert werden möchten, zu tun. Mir ist diese oberflächliche Ablehnung unverständlich, denn auch die sehr radikalen Linken des 19. und 20. Jhdts. haben natürlich Anzüge getragen. Daß man in seinem Kleidungsstil sich nach den Weisungen oder das Verhalten der Vorsitzenden und Kollegen zu richten habe, ist mir ebenfalls unverständlich und ein Zeichen mangelnder Selbstsicherheit. Wenn man einen Anzug tragen möchte, dann trägt man eben einen, gleich, ob Kollegen im Frack oder im Turnzeug auftreten.Dafür bin ich ja nicht selbst verantwortlich, die entsprechenden Artikel werden ja seit Jahren immer wieder in dieser tendenziellen Form lanciert, ohne dass es einem dringenden Informationsbedürfnis der Bevölkerung entspräche. Dass sich dahinter der Wunsch nach Erfüllung der eigenen Prophezeiung versteckt, den auch ein nicht kleiner Ausschnitt der Leserschaft teilt (Applaus ist damit also zumindest in Deutschland immer gesichert) ist naheliegend, eventuell in der taz mehr als in der FAZ.
Wenn Dein Kollege persönlich anderer Meinung ist, kann er das im Artikel auf jeden Fall gut verbergen. Es wäre ja ein Leichtes gewesen, ästhetische oder qualitative Differenzierung bzgl. Boss und Brooks Brothers im Vergleich zu erfolgreicheren Mitbewerbern einzubringen. Dafür hätte es nur keine Bonuspunkte der Leser gegeben, sondern nur bestenfalls Unverständnis und schlimmstenfalls Ablehnung. So blieb es bei der bewährten journalistischen Erfolgsformel.
Das im Übrigen völlig richtig wäre. Die schreiben darüber nur nicht, außer vielleicht in den Kommentarspalten unter solchen Artikeln (wobei das hier in der Welt wohl eher eine Mixtur von Rentnern und russischen Trollen anzieht, letztere eher bei den politischen Themen, die den rechten Rand ansprechen).