Für mich ist die Aussage des Artikels "Guckt mal. Smoking ist im Kommen, er beisst nicht, und man kann sich auch mit überschaubarem Aufwand ins Vergnügen stürzen". Daher kam der Artikel bei mir gut an. Die Frage ist doch ob ein Artikel mit der von Dir (überspitzt) geforderten Aussage "Wenn ihr euch nicht gleich für richtig Asche ins Highend stürzt lasst es doch bitte besser" mehr Leute dazu ermutigt sich mit sowas zu beschäftigen. Der Leserkreis der FAZ ist nunmal ein anderer als beim SM.
Ok, in der Lesart ist es ein guter Anstoss. Ich habe den Artikel anders verstanden, weil ich eben darin explizit nicht nur den Begriff der Passform, sondern der Qualität wiederfinde, wenn fragend eingeleitet wird: "Den Smoking gibt’s schon für 100 Euro. Taugt der was?"
Aus meiner Erfahrung heraus würde ich sagen: nein, tut er nicht. Perfekt passen umfasst ja viele Dimensionen und ich wehre mich gegen die inflationäre Verwendung des Perfektionbegriffs. Ich würde dann raten etwas zu sparen oder Zeit zu investieren, sich zu informieren, um dann mehr Freude daran zu haben. Den Anspruch darauf, dass ein Anzug im Wert des Tagelohns eines gering bezahlten Arbeiters etwas taugen soll, finde ich etwas absurd.
Mir geht es eher darum einen gewissen Qualitätsanspruch zu wahren, der einigermaßen vertretbar ist. Mein Smoking hat 350€ gekostet - man kann sich denken woher. Das ist m.E. keine unvertretbar hohe Summe.
Und wenn ich als Selbstreflektion den Artikel noch einmal lese, muss ich dabei bleiben, dass hier ein für mich befremdliches Bild von Qualität vermittelt wird.
Beispiel Unterüberschrift: "Geschmack schlägt Qualität"
Wie gesagt, die Intention Rötzels ist mir bewusst, aber die journalistische Verarbeitung dessen ist für mich inakzeptabel. Ich würde mir wünschen, dass man heute auch einmal meiner Generation eindringlich vermittelt:
Nein, du kannst nicht für ein paar Stunden Kaffee servieren dir gleich den elegantesten Smoking kaufen und "aussehen, wie James Bond".
Nein, Ressourcen sind nicht unbegrenzt. Ressourcen-Knappheit impliziert Entscheidungen und Entscheidungen implizieren ein Risiko. Und mir erscheint es als wären immer weniger bereit diese Risiken zu tragen, die Basis aller freien Entscheidung sind.
Die Coca-Cola-I-love-it-I-don't-care Weltanschauung funktioniert eben leider nur, wenn jemand anderes die Risiken trägt; das kann Papa sein, oder irgendwelche Näherinnen in Bangladesh.