Das perfekte Bewerbungsfoto

Mag alles sein, aber ist das deswegen auch schon bewundernswert? Ich finde das eher tieftraurig. Da ich selbst studiert habe (Informatik :)), ist mir völlig klar, dass mindestens der naturwissenschaftlich-technische Teil des universitären Lebens - insbesondere an regional eher "unbürgerlichen" Standorten - unrettbar in diese Falle getappt ist, dass sich Kompetenz zwingend an äußerer Nachlässigkeit und Ungepflegtheit festmacht, was jeden mit höheren Ansprüchen an sein Äußeres gezielt in Rechtfertigungsnot bringen soll. Natürlich sollten wir uns davon freimachen, die Kompetenz von Menschen am Äußeren festzumachen. Aber genau das tut diese Subkultur ja eben nicht, sie praktiziert nur umgekehrten Snobismus als Demonstration eigener Komplexe gegenüber der richtigen Welt. Freiheit der Gedanken sieht anders aus.


Du schließt aus einem "es gibt Kompetenz in nachlässiger Kleidung" auf "Kompetenz zeichnet sich zwingend durch nachlässige Kleidung aus, und verunglimpft und negiert gute Kleidung". Das ist logisch unzulässig und grenzt schon an Paranoia.

Ich weiß ja, Du hättest gerne eine Welt in der jeder sich gut kleidet, das auch sozial gefördert wird. Ich fühle mich in einem Umfeld wohl wo niemand einen Pfifferling gibt wie der andere gekleidet ist, wo die Kleidung anderer so wichtig ist wie Haarfarbe, Schuhgröße oder sexuelle Orientierung (bewusst nicht: ideologische Einstellung).
 
Ich habe auch vor langer Zeit als Experimentalphysiker an der Uni gearbeitet. Der Kleidungsstil war damals durchaus gemischt. Natürlich gab es die Kollegen, die immer im gleichen Pullover und mit ausgebeulten Cordhosen durch die Gegend rannten. Aber es gab auch viele Professoren die Anzüge trugen. Und zu offiziellen Anlässen sowieso.

Wenn es darum geht, einen guten Eindruck zu machen, sollte man in diesen Kreisen eine "ordentliche" Kleidung wählen. Dazu würde ich hier eine Chino oder saubere, nicht kaputte Jeans zählen, ein Hemd und ein Sakko. Natürlich kann man auch einen Anzug tragen, hier aber eher dezentes Erscheinungsbild.

Mit eher auffälligem Anzug, Krawatte und EST wird man sicher eher verwundert angeschaut ;)
 
Du schließt aus einem "es gibt Kompetenz in nachlässiger Kleidung" auf "Kompetenz zeichnet sich zwingend durch nachlässige Kleidung aus, und verunglimpft und negiert gute Kleidung". Das ist logisch unzulässig und grenzt schon an Paranoia.
Wenn das wirklich Paranoia wäre, wäre die Diskussion um die Bewerbungskleidung im universitären Umfeld erst gar nicht entstanden. Und es hätte auch niemand betont, dass er jemanden kennt, der extrameganachlässig gekleidet und dafür extramegakompetent ist. Wenn das alles so egal wäre, weil man da keine Sachzusammenhänge sieht, ist es doch kein Gesprächsthema mehr.

Unterschwellig ist "Inkompetenz, Unflexibilität und Statusdenken zeichnen sich zwingend durch gute, sartoriale Kleidung aus, a.k.a. Schlipsträger" abseits von Teppichetagen, Jurisprudenz, Banken und Beraterszene eigentlich schon gesellschaftlicher Konsens, nicht nur an Universitäten.
 
Die Story von der schlecht gekleideten Kompetenz ist ein gesellschaftlicher Märchentraum, der in etwa so alt und abgenutzt ist wie die Geschichte vom Bauer in Gummistiefeln, der mit Bargeld sein Auto kaufen will und nicht bedient wird. Oder wie die Geschichte vom Kaiser in abgeranzter Kleidung, der nicht als Kaiser erkannt wird. Oder wie die Geschichte vom Wolf im Schafspelz. In Krimis sind die Ganoven auch immer sehr fein gekleidet und die Polizisten in Pennerkleidung.

Diese Fabeln sollen uns daran erinnern, dass wir uns nicht von Äußerlichkeiten blenden lassen sollen. Dass wir das Wahre dahinter suchen sollen. Das sind löbliche Botschaften. Sie funktionieren in Geschichten, Märchen und Parabeln.

In der Wirklichkeit sollte man sich daran erinnern, dass Kleidung Signale sendet und dass eine bewusste Nachlässigkeit in der Kleidung ein Affront sein kann, zumindest aber ein deutliches "seht her, ich darf das!" und damit herablassend gegenüber denen, die es nicht dürfen. Ich würde niemandem empfehlen, diesen Effekt aktiv herauszufordern. Wer sich schlecht kleidet, hat keine hohe Meinung von den Menschen, mit denen er sich umgibt. Das hat nichts mit Paranoia zu tun.
 
Wenn das wirklich Paranoia wäre, wäre die Diskussion um die Bewerbungskleidung im universitären Umfeld erst gar nicht entstanden.

Die Bewerbungskleidungsdiskussion gibt's hier z.B. Für das IB-Umfeld hier auch.

Und es hätte auch niemand betont, dass er jemanden kennt, der extrameganachlässig gekleidet und dafür extramegakompetent ist. Wenn das alles so egal wäre, weil man da keine Sachzusammenhänge sieht, ist es doch kein Gesprächsthema mehr.

Ah, Dir ist der topic-Drift entgangen? Da ging es um Anekdoten wie Kleidung im math-nat Umfeld gehandhabt wird. Nämlich so egal, dass es da oft gar kein (Gesprächs)Thema ist und kompetenz- und hierarchieunabhängig ist.



Unterschwellig ist "Inkompetenz, Unflexibilität und Statusdenken zeichnen sich zwingend durch gute, sartoriale Kleidung aus, a.k.a. Schlipsträger" abseits von Teppichetagen, Jurisprudenz, Banken und Beraterszene eigentlich schon gesellschaftlicher Konsens, nicht nur an Universitäten.


Möglich. Habe ich im universitären Umfeld so nicht in Erinnerung. Was Statusdenken angeht erinnere ich mich mit Grausen an Diskussionen hier welche Manschetten, EST und Krawattenmarken unterschiedlichen Ebenen im IB, Anwaltsbuden etc. zustehen.

Einer der aktuell interessantest gekleideten Politiker ist Gauland. Das wäre ein Q.E.D.
 
Ihr dreht dir Diskussion viel zu weit. Den meisten, die sich schlecht kleiden, ist ihre Kleidung (und die der Mitmenschen) völlig egal. Die denken keine Sekunde darüber nach, ob das die Mitmenschen als respektlos oder unkultiviert empfinden könnten. Wahrscheinlich wären sie ziemlich irritiert, wenn ihr sie aufgrund ihrer Kleidung als "herablassend" bezeichnet.
 
Es geht meines Erachtens noch weiter... den meisten Personalern wird es gar nicht auffallen, ob jemand ein EST trägt oder nicht - das interessiert die auch nicht die Bohne. Hier in diesem Forum habe ich Verständnis, wenn man über das Bewerbungsfoto reden möchte, jedoch hat das Foto eine untergeordnete Priorität - was hier vielleicht nicht jeder wahrhaben möchte. Entscheidend ist der Gesamteindruck... das beste Bild nützt einem gar nichts, wenn der Rest nichts taugt - umgekehrt hingegen sieht das schon anders aus: Wer über sehr gute Bewerbungsunterlagen verfügt (keine Word Vorlagen), die insgesamt stilsicher, frei von Rechtschreib- und Grammatikfehlern, mit einem angenehmen Layout und einem Inhalt, der den Personaler interessiert aufwarten kann, der wird mit einem guten Foto (und hier ist Anzug niemals falsch - egal, auf was man sich bewirbt (eine Frage der Wertschätzung)) nichts verlieren, sondern nur gewinnen.

Das große Ganze muss passen... in sich schlüssig muss es sein!

Zerknittertes billiges Kopierpapier und Foto in feinster Garderobe = Unsinn... das Foto dürfte in 90% der Fälle wirklich eine untergeordnete Rolle spielen, was nicht bedeutet, dass man daher erst gar keines schicken sollte (!) oder sich gar in T-Shirt ablichten lassen sollte.

Das schöne ist: Menschen, die in einem Forum wie diesem hier unterwegs sind, werden in der Regel niemals falsch liegen - weil sie sich immerhin Gedanken darum gemacht haben. Egal für was man sich dann entscheidet - es gibt genügend Leute, denen das wirklich völlig Banane ist und die bekommen auch gute Jobs...
 
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Ich bin mir ziemlich sicher, dass jedem Personaler ein EST auffällt. Wie und ob R es bewertet ist dann die nächste Frage...
 
Ich bin mir ziemlich sicher, dass jedem Personaler ein EST auffällt. Wie und ob R es bewertet ist dann die nächste Frage...

Wenn ich die These aufstelle, dass den meisten das nicht auffällt, impliziert dies, dass es sicherlich welche gibt, denen das auffällt. JEDEM halte ich für deutlich unwahrscheinlicher... keine Ahnung, wer von uns beiden näher dran ist mit seiner These, aber wichtig ist das auch nicht wirklich. Es wird noch niemand aussortiert worden sein, weil er ein EST trug, oder eben nicht... von daher... wenn es einem gefällt - bitteschön, wenn nicht, dann halt nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Chancen damit sinken oder steigen sind äußerst gering. Bevor man also die Frage nach dem EST stellt, gilt es sich um ganz andere Fragen zu kümmern, die eine Bewerbung ausmachen. Und ich lehne mich soweit aus dem Fenster zu behaupten: Wenn die Fragen vorher alle richtig beantwortet wurden, dann ist es auch egal ob nun mit oder ohne EST.
 
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Ich glaube, dass die Frage der Einstellung nur in den allerwenigsten Fällen irgendwie mit einem Einstecktuch zusammenhängt. Die meisten Arbeitgeber bilden sich ihre Meinung nicht spontan und aus dem Bauch heraus. Es gibt ein Anforderungsprofil für die Stellenbesetzung und eine (nachgewiesene) Qualifikation des Bewerbers. Wenn die Vorstellung des Arbeitgebers mit dem Profil des Bewerbers übereinstimmt, wird eine Beschäftigung möglich sein, sonst eben nicht.

Ich glaube aber, das das Äußere bei der Frage der Vertrags- und Gehaltsverhandlung eine erhebliche Rolle spielen kann.

Ich habe Anfang Juni mal wieder ein Gespräch mit einem potentiellen neuen Arbeitgeber. Ich weiß noch nicht genau, was ich anziehen werde, aber ich poste ein Foto. Ich vermute, es wird dunkelblau mit bordeauxrot. Wie extravagant die Schuhe werden, habe ich noch nicht entschieden. Aus der oben dargestellten Überlegung bzgl. der Gehaltsverhandlung erwäge ich Reptilienleder.

Kurz und wieder allgemein: Ein Vorstellungsgespräch ist eine Gelegenheit, sich gegenseitig zu präsentieren. Diese Gelegenheit sollte man nutzen. Was im Rahmen der Vertragsverhandlungen nicht ausgehandelt ist, wird nachher schwer. Vertragsverhandlungen sind immer ein bisschen Psychologie. Am Ende hat jede Seite gewisse rote Linien. Man wird sich nicht einig, wenn es keine ausreichend große gemeinsame Schnittmenge gibt. Dann kommt es nicht zu einer Einstellung.

Innerhalb der gemeinsamen Schnittmenge gibt es aber eigentlich immer einen gewissen Spielraum, den jede Seite für sich zu nutzen gewillt sein sollte. Man kann sich auf jeden Fall sicher sein, dass der potentielle Arbeitgeber diesen Spielraum zu nutzen gewillt ist. Wenn man signalisiert, dass man bereitwillig Boden lässt, bekommt man nicht, was möglich gewesen wäre.

Möglicherweise kann das EST schon ein gewisses Signal sein. Es kann dem anderen signalisieren, dass er mehr zugestehen muss. Das ist ja das spannende: Keiner weiß genau, wo die rote Linie beim anderen ist. Der Arbeitgeber weiß es auch nicht.

Wir wissen, dass in die Beurteilung eines Bewerbers viele unbewußte Kriterien einfließen - einschließlich der Getränketemperatur beim Gespräch. Das EST, das Foto, der perfekte Anzug können den Arbeitgeber veranlassen, ein Angebot in einem Rahmen zu machen, das ein anderer nicht bekommen hätte.
 
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