Anzug Hochzeit

Formen sind nicht demokratisch, die Mehrheit hat eben nicht immer Recht, heutzutage wohl eher im seltensten Fall.

Lieber MB15,

ich gehöre sicher zu den stilistisch konservativeren Mitgliedern dieses ohnehin traditionsbewußten Forums, aber diese Aussage ist, mit Verlaub, Unfug. "Formen" sind weder gottgegeben, als Marmortafeln in archaischen Zeiten vom Himmel gefallen, oder per Edikt von einer wie auch immer formierten Stilelite erlassen. "Formen" - seien es Umgangs"formen", Kleidungs"vorschriften" oder andere gesellschaftliche Regularien, spiegeln immer einen gesellschaftlichen Konsens, der teilweise auf bestimmte Gesellschaftsschichten oder -gruppen beschränkt ist, immer aber auch einen, wenn auch langsamen Wandel durchmacht.

Wenn also die überwiegende Mehrheit heute einen Blazer mit Chinos für die Maximalform formeller Kleidung für einen Premierenabend oder Opernball hält, dann sind das die heutigen "Formen". Wenn Sie oder ich als Stil-Traditionalist Freude und Gefallen am Frack finden, so erlauben uns die heutigen "Formen" erfreulicherweise, hier bewußt und zumeist zumindest ohne "formelle" Sanktionen "overdressed" aufzutreten, allerdings nach allgemeinem Empfinden nicht unbedingt in "besserer Form" als die uns umgebenden Blazerträger.

Vielleicht hilft es als Vergleich, daß man als Traditionalist natürlich auch in Spanischer Hoftracht mit dem Argument auftanzen könnte, der Frack sei eine neumodisch nachlässige Reitjacke und daher per se unangemessen für festliche Veranstaltungen. Wer könnte da widersprechen? Alles eine Frage der - notwendig subjektiven - Referenz.

dE
 
Hallo an alle
Uff, da schein ich ja mit meinen doch recht harten Worten einiges ins Rollen gebracht zu haben. Aber gut, lieber viele Reaktionen, auch harte, als gar keine Reaktionen. Der Reihe nach:
Hallo Matthias
Wie Phil ja schon richtig angemerkt hat(was ich persönlich wirklich vergessen habe)wäre der Stresemann für den Vormittag dann tatsächlich korrekter als der Cut. Der Stresemann, als kleiner Morgengesellschaftsanzug hätte als korrektes Pendant am Abend den Smoking, während der Cut als großer Morgengesellschaftsanzug den Frack als Gegenstück für den Abend hätte. Wenn du also wirklich zu 100 Prozent korrekt auftreten willst, wäre entweder Cut und Frack, oder Stresemann und Smoking/Dinnerjackett notwendig. Allerdings würde ich hier fünf gerade sein lassen, und dir Cut und Dinnerjackett "genehmigen", wenn ich so reden darf. Schließlich sollst du dich ja gut fühlen, gerade bei deiner Hochzeit, und mit den besagten Anzügen stichst du 99 Prozent der restlichen Hochzeiten schonmal aus.
Was die Schleife/Fliege angeht: Beherzige den Rat von Alexander. Die schwarze Schleife zum Dinnerjackett ist richtig, wobei ich nicht sagen kann ob dazu normale schwarze Weste bzw schwarzer Kummerbund getragen werden. Ich muss zugeben, da ich das Dinerjackett frühestens in 50 Jahren zur Kreuzfahrt als Rentner tragen werde, bin ich nur oberflächlich darüber informiert.
Das Smokingjackett als Stresemannjackett ist übrigens absolut ungeeignet. Wie MrGrey schon angemerkt hat ist der Smoking ja nicht nur ein schwarzer Anzug, sondern hat eben besondere Merkmale die ihn vom Feld-,Wald-, und Wiesenanzug unterscheiden: Schwarzer Reverbesatz, stoffüberzogene Knöpfe, nur einen Schließknopf, (im Normalfall) keine Schlitze, Galon an der Hose, etc. Von daher solltest du für den Stresemann ein normalens dunkelgraues oder schwarzes Anzugjackett anziehn, das ist auch das einzige was du für den Wechsel vom Cut zum Stresemann machen musst.
Und Hüte tragen musst du natürlich nicht;) Der korrekte Hut zum Cut ist der Zylinder, wobei man heutzutage schon ein dickes Fell haben muss weil man damit wohl wie ein Zirkuszauberer bestaunt wird. Zum Smoking wäre der richtige Hut der Homburg, wobei ich nicht weiss ob dieser auch zum Dinnerjackett getragen wird, da müssen besser informierte Mitglieder dir Rat geben. Zu guter Letzt:
aber Du scheinst einen guten Geschmack zu haben und Dich auch in Details auszukennen
Danke, das geht runter wie Öl:) Ich versuch lediglich mich zu verbessern, verglichen mit anderen hier bin ich ein kleiner Bube der grade von der Nabelschnur getrennt wurde.
Gruß
Marco

Hallo bluesman528
Die dann mit einem Minimum an ästhetischem Empfinden umgesetzt wurden
Da hast du natürlich, leider, Recht. Wie schon gesagt, die meisten Männer, mich nehm ich da nicht aus, haben absolut kein Auge für Farb- und Musterkombinationen. Daher bestand auch der Kleiderschrank der meisten "kleinen Leute" aus grauen, blauen, braunen Anzügen, mit weissen Hemden, und unauffälligen Krawatten. Ein zugegeben langweiliger Stil, der allerdings um Welten besser aussieht als die Kleidung des heutigen Durchschnittsdeutschen. Für die eher britisch oder italienisch angehauchten Stilinteressierten natürlich ein uniformierter, zum Einschlafen treibender Stil, das gebe ich gerne zu, allerdings hat gerade das für mich einen gewissen Reiz. Ich selbst finde die teilweise clownhaft wirkenden Kombinationen Marke "Englischer Landlord auf Jagd" als nicht sehr ansprechend, einen blauen Anzug mit weissem Hemd und dezenter Krawatte würde ich jederzeit vorziehen. Aber wie der Volksmund sagt: Jeder nach seiner Fasson.
Hier mal die Meinung eines überzeugten Nicht-Dressers.
http://www.timesonline.co.uk/tol/com...cle6543118.ece
Sehr interessanter Artikel, danke dafür, ich habe ihn wirklich gern gelesen. Und ich muss zugeben, in manchen Dinge stimme ich dem Autor durchaus zu.
Ich arbeite sommers in einem Tauchgeschäft mit genau dieser Kombi und bediene Kunden
Na gut, diesen speziellen Bereich hab ich nicht bedacht:D Aber du hast Recht, in manchen Bereichen ist funktionelle Kleidung durchaus angebracht. Einen Sportartikelverkäufer im dunklen Anzug würde jedermann für den Geschäftsführer halten. Allerdings hab ich bei meinem letzten Beitrag weniger an den Einzelhandel gedacht, sondern eher an das Büro gedacht, Versicherungen, Rechtsanwälte, größere Firmen. Und da würde ich schon irritiert sein wenn mir jemand in kurzen Hosen gegenüber sitzt. Immerhin ist meine eigene Kleidung immer auch eine gewisse Wertschätzung gegenüber dem Kunden, dem Geschäftspartner, etc. Und da sollten dann doch zumindest ein paar lange Hosen drin sein.
Gruß
Marco
PS: Falls du nichts dagegen hast, nenn mich doch Marco. Wir sind hier eine kleine Gemeinschaft, da finde ich es selbstverständlich mit dem Vornamen angesprochen zu werden.
 
Hallo Des Esseintes
Entschuldigung dass ich schon wieder einen neuen Beitrag schreibe, allerdings kann ich meinen alten nicht mehr ändern.
ich gehöre sicher zu den stilistisch konservativeren Mitgliedern dieses ohnehin traditionsbewußten Forums, aber diese Aussage ist, mit Verlaub, Unfug. "Formen" sind weder gottgegeben, als Marmortafeln in archaischen Zeiten vom Himmel gefallen, oder per Edikt von einer wie auch immer formierten Stilelite erlassen. "Formen" - seien es Umgangs"formen", Kleidungs"vorschriften" oder andere gesellschaftliche Regularien, spiegeln immer einen gesellschaftlichen Konsens, der teilweise auf bestimmte Gesellschaftsschichten oder -gruppen beschränkt ist, immer aber auch einen, wenn auch langsamen Wandel durchmacht.
Natürlich stimmt das, die Formen haben sich gewandelt, ob das zu Zeiten Cäsars oder Napoleons war oder heutzutage, was als richtig empfunden wird ist stets dem Zeitgeist unterworfen. Ob allerdings alles Neue, gerade auch bei solchen Themen wie Umgangsformen, "richtig" ist, das sei dahingestellt. Ob der Frack, der Smoking, oder der Blazer für die Oper richtig ist, ist natürlich eher eine zweitrangige Frage, verglichen mit anderen Problemen, allerdings sieht man dabei nicht nur eine gewisse Lässigkeit, sondern auch eine Nachlässigkeit, und das beschränkt sich leider nicht nur auf die Kleidung.
Vielleicht hilft es als Vergleich, daß man als Traditionalist natürlich auch in Spanischer Hoftracht mit dem Argument auftanzen könnte, der Frack sei eine neumodisch nachlässige Reitjacke und daher per se unangemessen für festliche Veranstaltungen. Wer könnte da widersprechen? Alles eine Frage der - notwendig subjektiven - Referenz.
Der Vergleich hat mich zum Lachen gebracht, und das ist schwer bei solch "ernsten" Themen;) Wie sie ja so richtig zum Ausdruck gebracht haben, wenn auch indirekt, es gibt eine gewisse Grenzen zwischen (auch veralteter) Korrektheit, und Kostümierung. Der Frack wird heutzutage schon als anachronistisches Kleidungsstück empfunden, teilweise auch in konservativen Kreisen, teilweise aber auch immer noch als das eleganteste was ein Mann tragen kann. Bei spanischer Hoftracht ist die Grenze zur Kostümierung schon weit überschritten, das Problem ist, man kann keine zeitliche Eingrenzung vornehmen ab wann ein Kleidungsstück als altmodisch gilt. Den schmalgen Grat ausloten ist der Trick in der ganzen Geschichte.
Gruß
Marco
 
Vielen Dank für Eure zahlreichen Antworten.

Ok also denke ich werde mich für nen Stresemann entscheiden. Das passt vom Budget auch am Besten. Nen schwarzen Anzugsjackett hab ich eh und dann werd ich mir den Rest (Weste, Krawatte und Hose) beim Dolzer besorgen und noch nen Smoking. Den brauch man eh ab und an mal. Das mit dem weissen Dinerjackett lass ich dann wohl. Hätte mir vorstellen können dass es gut aussieht in der Sonne Spaniens auf ner Wiese. Aber stimmt schon, man will auch nicht lächerlich aussehen und bei meinem Alter von 29 Jahren wohl eher unangebracht. Wenn dann Abends nen schwarzen Smoking, falls die ganze Partyveranstalltung nicht schon extrem locker geworden ist und schon alle nur noch in nem Hemd und Hose da sitzen.
Matthias
 
[...]
Das Smokingjackett als Stresemannjackett ist übrigens absolut ungeeignet. Wie MrGrey schon angemerkt hat ist der Smoking ja nicht nur ein schwarzer Anzug, sondern hat eben besondere Merkmale die ihn vom Feld-,Wald-, und Wiesenanzug unterscheiden: Schwarzer Reverbesatz, stoffüberzogene Knöpfe, nur einen Schließknopf, (im Normalfall) keine Schlitze, Galon an der Hose, etc. Von daher solltest du für den Stresemann ein normalens dunkelgraues oder schwarzes Anzugjackett anziehn, das ist auch das einzige was du für den
Wechsel vom Cut zum Stresemann machen musst.

Da muss ich aber widersprechen, zum Stresemann gehört m.E. unbedingt ein Jackett mit steigendem Revers, eben um es von einen normalen Jackett abzuheben. So ein Jackett erhält man aber nur als MTM (von Wilvorst einmal abgesehen ;) ). Ich bin der Meinung, dass, auch die Details stimmen sollten, wenn man sich schon in den Stresemann wirft.

Bezüglich der Hose und Weste rate ich zu Pakeman. Die Qualität ist sehr gut.

Gruß, Phil
 
Hallo Phil
Man könnte darüber streiten;) Aber streng genommen hast du natürlich Recht. Zum formellen Stresemann sollte auch ein Jackett mit formellem, also steigendem, Revers getragen werden. Nur ist es heute leider wirklich schwer so eines von der Stange zu bekommen.
Gruß
Marco
 
Ja, aber es gibt einen zweiten jungen Herren, der vor demselben Problem stand und dem auch geholfen wurde, anscheinend erfolgreich! Wozu einen neuen Thread aufmachen, wenn es einen passenden gibt?

Wobei du natürlich recht hast, das hier teilweise äußerst stark abgeschwiffen wird... :)
 
kurze Frage: Sollte man zum Stresemann eher ein Doppel- oder Einreihiges Sakko wählen. Ich habe schon beides gesehen, aber was wäre denn "korrekter" (vielleicht ist es auch egal?)
 
kurze Frage: Sollte man zum Stresemann eher ein Doppel- oder Einreihiges Sakko wählen. Ich habe schon beides gesehen, aber was wäre denn "korrekter" (vielleicht ist es auch egal?)

Herr Stresemann selber, sowie seine Zeitgenossen scheinen ihn meistens einreihig getragen zu haben.

http://upload.wikimedia.org/wikiped..._Berlin,_deutsch-litauische_Verhandlungen.jpg

Kann mir vorstellen, dass das auch daher Sinn macht, da er ja wie gesagt vom Cut stammt. Der ist ja auch einreihig.
Könnte mir aber auch eine Kombination mit Zweireiher ganz gut vorstellen.
 
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