pflam2

Active Member
Hat jemand Erfahrung mit der Woly Wax Color Classic Schuhcreme?
Im Buch alles über Herrenschuhe wird diese bei Verletzungen im Oberleder empfohlen.
Ich habe mir einen unschönen Kratzer an meinen schwarzen Churchs Chelsea-Boots zugezogen. Der Kratzer (besser gesagt die an jeder Spitze einer) ist nicht besonders tief jedoch als Erhöhung fühl- und sichtbar.
Wie währe in einem solchen Fall die richtige Vorgehensweise zur Beseitigung dieses Malheurs?

PS kann es sein das Churchs nicht durchgefärbt sind?
Der Kratzer war blaugrau.
 
Wiederum nein, der Shoebone ist ausschließlich für aasseitig verarbeitetes Leder (wie Shellcordovan) gedacht, da nur bei offener Faserstruktur eine Neuausrichtung und damit Nivellierung von Fehlern (seien es Risse oder nur (Geh-)Falten) möglich ist.
Die meisten Churchs (polished binder ist die Lederbezeichnung die ich am häufigsten sehe) sind deckgefärbt.

Ich empfehle die Behandlung mit farblich passender Schuhcreme und anschließender Wachspolitur. Den Riss bekommst du nicht weg, aber durch die einheitliche Färbung und anschließende Politur fällt er nicht mehr so auf. Habe auch einen Kratzer auf einer deckgefärbten Spitze eines schwarzen Chelseaboots - es sind Schuhe cèst la vie..

Noch etwas grundsätzliches: Die Unterscheidung von deck- und durchgefärbtem Leder hat so gut wie keinen Sinn und kann höchstens als Indiz für die Gesamtschuhqualität dienen. Besser wäre eine Unterscheidung von offen- und geschlossenporig gefärbtem Leder, da diese beiden Varianten große Unterschiede aufweisen was Patinaentwicklung oder nötige Pflege angeht. Zudem lassen sie Rückschlüsse auf die verwendete Oberlederqualität zu.

Grüße


P.S.: Cordovan ist auch ein Glattleder
 
Besser wäre eine Unterscheidung von offen- und geschlossenporig gefärbtem Leder, da diese beiden Varianten große Unterschiede aufweisen was Patinaentwicklung oder nötige Pflege angeht. Zudem lassen sie Rückschlüsse auf die verwendete Oberlederqualität zu.

Hallo Gast,

immer wieder schön was lehrreiches von dir zu lesen, danke.

Auf den von mir zitierten Abschnitt würde ich jedoch gerne wenn möglich etwas tiefer eingehen wollen. Wie erkenne ich denn ob ein Schuh offen-oder geschlossenporig gefärbt ist?

LG

Martin
 
Hallo Gast,

immer wieder schön was lehrreiches von dir zu lesen, danke.

Auf den von mir zitierten Abschnitt würde ich jedoch gerne wenn möglich etwas tiefer eingehen wollen. Wie erkenne ich denn ob ein Schuh offen-oder geschlossenporig gefärbt ist?

LG

Martin

Schuhe werden im Normalfall aus Boxcalf hergestellt (Oberleder). Dies wird narbenseitig (und nicht fleisch-/aasseitig) verarbeitet. Da es sich ja um die Haut eines Kalbes handelt, kann man auf dem Leder noch die Poren erkennen. Nach dem Gerbverfahren wird das Leder gefärbt.
Hier beginnt die Unterscheidung: Offenporig: Die Poren der Haut sind auch nach der Färbung noch erkennbar. Geschlossenporig: Hautstruktur nicht mehr erkennbar.
So einfach ist auch die Unterscheidung. Ein Trick: Ein wenig Wasser auf eine Stelle des Schuhs reiben, zieht es in das Leder ein ist es aller Wahrscheinlichkeit nach offenporig gefärbt, perlt es ab, ist es geschlossenporig gefärbt.
Natürlich wird auch hier viel Lug und Trug betrieben, so habe ich schon gesehen dass durch nachträgliche Prägung eine Narbenstruktur imitiert wird.
Warum ist jetzt offenporig verarbeitetes Leder "besser"?
Ausnahmen (z.B Lackschuhe) bestätigen die Regel, dass Leder, das mit Farbschichten bedeckt (bis weit über 100 Sprühvorgägne) wird nicht so schön sein muss, wie Leder bei dem die Oberfläche gut sichtbar bleibt. Es können fehlerhafte Lederteile verarbeitet werden. Zudem wird das Oberleder versiegelt, eine Lederpflege ist unmöglich, man kann mit speziellen Mitteln lediglich den Glanz erhalten. Zudem enthält die Deckfarbe fast immer Weichmacher um die nötige Biegeelastizität zu gewährleisten. Diese diffundieren im Laufe des Schuhlebens aus und führen zu einem spröde werden und schließlich Abplatzen der Deckfarbschicht.
Deckgefärbte Leder die offenporig verarbeitet sind haben dieses Problem nicht, sind aber (daher ist die Frage ja auch gekommen) kratzempfindlicher, da schnell die ursprüngliche (Natur-)Lederfarbe sichtbar wird.
Hersteller schreiben oft von einer Anilinfärbung, dies bezeichnet offenporig durchgefärbtes Leder. Der Begriff hat sich gehalten, auch wenn heute aufgrund der krebserregenden Wirkung keine Anilinfarben mehr verwendet werden dürfen.

Dass die unterschiedlichen Verfahren nichts mit dem Preis zu tun haben müssen zeigt dass z.B. die gesamte Loake 1880 Kollektion anilingefärbt (offenporig durchgefärbt) ist, wohingegen viele weit teurere Modelle von Church oder Crockett&Jones geschlossenporig deckgefärbt verkauft werden.


Ich hoffe ein wenig Licht ins Dunkel gebracht zu haben!


Die besten Grüße,

Luteno
 
Oben